(1) Für viele Produktionsprozesse sind beträchtliche Vorleistungen erforderlich:
Siebzig Jahre vor dem Einschlag ins Fichtenholz setzt man die Bäume; lange vor der Kohlen- und Erzförderung bringt man die Schachtanlage in den Berg; zeitlich vor der Erdölgewinnung liegt die Suche nach förderungswürdigen Vorkommen; milliardenschwere Forschung ermöglicht die Fertigung einer neuen Pkw- oder Flugzeuggeneration.
Diese Auszahlungen vor Produktionsbeginn heißen vorzuleistende Auszahlungen. Sie müssen aufgezinst und der Produktionszeit sowie den produzierten Mengeneinheiten zugerechnet werden.
(2) In vielen Fällen ist nach Abschluß der Produktion noch lange nicht Zahlungsschluß:
Macht ein Stahlwerk dicht, ist ein Sozialplan fällig; gibt eine Chemie Unternehmung auf, ist der Standort zu sanieren; der Atomstromproduzent muß für die Endlagerung geradestehen.
Diese Auszahlungengen nach erfolgter Produktion heißen nachzuleistende Auszahlungen. Sie müssen abgezinst und der Produktionszeit sowie den produzierten Mengeneinheiten zugerechnet werden.
(3) Die Erfassung vor- und nachzuleistender Auszahlungen neben jenen, die zeitgleich mit der Produktion anfallen, ist problemlos möglich, wenn man sich der finanzmathematischen Faktoren bedient. Man errechnet den Geldbetrag, den die Leistungseinheit gekostet hat, und zwar unter Einschluß aller Zahlungen, gleichgültig ob diese vor, während oder nach der Produktion angefallen sind.
Im Unterschied zu den Stückkosten der Kostenrechnung, die auf einer statischen Analyse basieren, sprechen wir jetzt von dynamischen Stückkosten, weil vorzuleistende Auszahlungen aufgezinst und nachzuleistende abgezinst neben den in der Produktionszeit anfallenden Auszahlungen in die Stückkostenberechnung eingehen.
Zur praktischen Durchführung der Stückkostenermittlung nutzt man die Kapitalwert- oder die Annuitätenmethode.
(4) Die dynamischen Stückkosten nach der Kapitalwertmethode erhält man, indem man alle Auszahlungen (vorzuleistende, produktionszeitgleiche, nachzuleistende) auf den Zeitpunkt 0 (= Produktionsbeginn) abzinst.
Ebenso zinst man die Produktionsmengen auf den Zeitpunkt 0 ab, denn für diese gilt - genau wie für den monetären Bereich - daß Heutiges schwerer wiegt als Künftiges (eine heute geförderte Tonne Erz ist mehr wert als eine in 20 Jahren geförderte).
Dividiert man den Auszahlungsbarwert (= Barwert aller Auszahlungen) durch den Mengenbarwert (= Barwert aller Produktionsmengen), ergeben sich die dynamischen Stückkosten:
dynamische Stückkosten =
Auszahlungsbarwert / Mengenbarwert
(5) Die Annuitätenmethode errechnet die dynamischen Stückkosten, indem sie finanzmathematische Durchschnittswerte bildet und die durchschnittlichen jährlichen Auszahlungen DJA durch die durchschnittliche jährliche Produktionsmenge DJM dividiert, wobei die DJA neben den produktionszeitgleichen auch vor- und nachzuleistende Auszahlungen enthalten:
dynamische Stückkosten =
durch. jährliche Auszahlungen / durch. jährliche Menge
= DJA / DJM
Hinweis:
Die Ermittlung dynamischer Stückkosten ist in investitionsrechnerischer Sicht eine Form der kritischen Werte-Rechnung (Break-even-Analyse).
Dynamische Stückkosten sind kritische Preise. Erzielt man am Markt gerade die dynamischen Stückkosten, so ist die betreffende Investition gerade eben lohnend. Das heißt, ihr Kapitalwert C0 ist Null, ebenso ihr durchschnittlicher jährlicher Überschuß DJÜ.
Problem:
Der Rechnende muß (wie bei allen zukunftsbezogenen Rechnungen) die Zahlungen und deren zeitliche Verteilung hinreichend genau abschätzen und den Kalkulationszinssatz in sinnvoller Weise festlegen können.
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