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historische Schule

verstand sich als eine selbständige Richtung deutscher Volkswirtschaftslehre, die neben die älteren westeuropäischen Entwicklungen trat. Teils bemühte sie sich, Erkenntnisse des grundlegenden Werks von Adam Smith den erweiterten Kenntnissen und Veränderungen der Neuzeit anzupassen; dabei betonte sie die entwicklungsgeschichtliche Betrachtungs- weise (ältere historische Schule, vor allem Wilhelm Roscher, aber auch Bruno Hildebrand). Teils strebte sie danach, das klassische System, von dem sie sagte, es sei vorwiegend deduktiv durch abstrakte Spekulationen gewonnen, durch detailliertere Abbildungen von Wirtschaftssystemen zu ersetzen. Sie wollte die Wirklichkeit in ihrer Tatsachenform erfassen. Den Übergang zur jüngeren historischen Schule bereitete Karl Knies als Methodologe und Systematiker einer politischen Ökonomie vom Standpunkt der geschichtlichen Methode (1853) vor. Intendiert wurde eine der historischen Methode folgende Erfahrungswissenschaft, aber man war durchaus gewillt, gegenwärtig Erreichtes mit früheren Zuständen zu vergleichen und moralisch zu werten. Dabei sei der wirtschaftliche Teil menschlicher Betätigungen nur im geschichtlichen Gesamtzusammenhang zu verstehen und zu würdigen. Die historische Schule lehrt: Die Geschichte ist die Lehrmeisterin; sie belegt die Unhaltbarkeit des unbedingten Prinzips des  "laissez faire" auf nationalökonomischem Gebiet und dessen unmoralische und verderbliche Folgen; auch sozialistische Theorien bieten keine Basis für menschenwürdige Gesellschaftsentwürfe. Es ist notwendig, den Erfolg des mit der Liberalisierung einsetzenden Fortschritts der Wirtschaft zu sehen und dessen Schattenseiten zu erkennen. Eine historische Nationalökonomie, die Analogiefolgerungen nur sehr vorsichtig anwenden darf, muss über die Gesamtentwicklung der Menschheit Aufschluss geben. Die Menschheit ist grundsätzlich gut, wie das gegebene Wirtschaftssystem dem Kerne nach gut ist; somit gilt es, die menschliche Kultur fortzuentwickeln. Die Arbeit an "Entwicklungsgesetzen" ist von Bemühungen gekennzeichnet, "eine gesetzliche Entwicklung zu immer höherer Kultur" (Hildebrand) zu belegen. Es entstehen Stufentheorien ( Wirtschaftsstufen). Nationalökonomie sei — so heisst es - eine moralische Wissenschaft; ihr Beobachtungsobjekt ist nicht der nach naturgesetzlicher Notwendigkeit wirtschaftende, sondern der willensfreie, der Welt den Stempel seines Geistes aufdrückende Mensch. Die Nationalökonomie muss deshalb eine ethische Wissenschaft sein, weil der Mensch einen freien Willen hat. Zur Fortentwicklung des Menschen und des gegebenen Wirtschaftssystems gehört Freiheit, die Mannigfaltigkeit ermöglicht. Solche Mannigfaltigkeit ist Voraussetzung für das individuelle Gepräge des geistigen Menschen. Die Gesetzmässigkeiten sozialen Zusammenlebens sind anderer Art, als die Naturwissenschaft zu zeigen vermag. Die Wendung der klassischen Lehre zum Laissez-faire-System sei wegen ihrer auf naturwissenschaftliche Gesetzmässigkeiten gegründeten Harmoniethese und ihrer negativen Staatsauffassung abzulehnen. Die hohe Bedeutung wirtschaftlicher Freiheit für die Wohlstandsförderung sei nicht zu verkennen. Diese Freiheit reiche jedoch nicht aus, allgemein Wohlfahrt zu schaffen: Zentralisierung der Industrie, Untergang des kleinen Gewerbes, Monopolisierung bis hin zur Entstehung eines industriellen Feudalismus, der die Vermögensungleichheit vermehrt und Markt und Konsumenten beherrscht, Konkurrenzkämpfe, die mit den unsittlichsten Mitteln geführt werden, das seien gleichfalls beachtliche Tatsachen. Historischethische Nationalökonomie muss deshalb auf statistischer Grundlage errichtet werden. Die Ermittlung der Wirklichkeit ist die Voraussetzung für die Konstruktion eines aussagefähigen Kulturbildes. Statistik ist Wissenschaft der Entdeckung von Gesetzen. Nationalökonomie und Statistik sind Kulturwissenschaften infolge der gedanklichen Zusammenhänge der Probleme und der sachlichen Zusammenhänge der Dinge ( Kathedersozialismus). Kein geringerer als Joseph Schumpeter hat den ständig wiederholten Vorwurf der Theo- rielosigkeit und Theoriefeindlichkeit der historischen Schule zurückgewiesen. Zu Recht wird konstatiert, dass das Erbe der historischen Schule vor allem dort fortlebt, wo institutioneile Forschung notwendig ist — in der Lehre von der Interdependenz zwischen den Grundeinheiten gesellschaftlicher Systeme (\'Günter Schmölders). Die historische Schule wollte das gesamte wirtschaftliche Leben der Völker in seinem gesetzlichen Zusammenhang erforschen und sowohl für die gewerbliche Gesetzgebung, die Verwaltung und Steuerverfassung der Staaten als auch für die staatswissenschaftlichen Disziplinen, welche sich mit dem Einfluss der Staatsgewalt auf die wirtschaftliche Kultur der Völker beschäftigen, ganz neue Unterlagen bieten. Sie wollte das gesellschaftliche Kulturleben der Gegenwart methodisch zur Kenntnis bringen und in seinen Ursachen zu erforschen suchen. Ausgehend von sorgfältigsten Detailstudien sollte mit weitem Blick in der scheinbar bunten historischen Mannigfaltigkeit des Staats- und Rechtslebens der Völker die fortschreitende Entwicklung der Staatsideen nachgewiesen werden. Literatur: Hildebrand, B., Die Nationalökonomie der Gegenwart und Zukunft, Jena 1922. Schumpe- ter, /., Gustav v. Schmoller und die Probleme von heute, in: Schumpeter, ]., Dogmenhistorische und biographische Aufsätze, Tübingen 1954, S. 148 ff. Schmölders, G., Historische Schule, in: Issing, O., (Hrsg.), Geschichte der Nationalökonomie, München 1984, S. 107 ff.

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