politische Strategie, derzufolge eine Reformpolitik der kleinen Schritte abrupten Änderungen bzw. Revolutionen von sozialen Systemen vorzuziehen ist. Der Wissenschaftstheoretiker und Philosoph Karl R. POPPER, der der geistige Vater dieser politischen Auffassung ist, begründet diese wie folgt: Revolutionen stellen Versuche dar, sozialen Ideen bzw. Utopien zum Durchbruch zu verhelfen. Derartige umwälzende Änderungen des Sozialgefüges können immer nur gegen den Widerstand erheblicher Teile der Bevölkerung durchgesetzt werden. Da aber große soziale Ideen und Utopien sich auch wie Theorien irgendwann als falsch erweisen werden (Kritischer Rationalismus), kann ihre gewaltsame Durchsetzung das damit verbundene menschliche Leid nie rechtfertigen. Nach POPPER ist es besser, Theorien statt Menschen sterben zu lassen. Diskussionen, Ringen um Kompromisse und Oberzeugungsarbeit als friedliche Möglichkeiten zur Konfliktlösung bzw. als Techniken des piecemeal engineering müssen gegenüber Gewalt und Revolution stets den Vorzug erhalten. trial and error, laufende Korrekturen geringfügiger Fehlentwicklungen sind besser als großangelegte Rettungsmaßnahmen zur Beseitigung erheblicher katastrophaler Zustände. Kritiker weisen v.a. auf die Unklarheit der zugrunde liegenden Konzepte hin. Es ist praktisch nicht immer einfach zu bestimmen, wann eine Veränderung aufhört, klein zu sein und in eine große Umwälzung übergeht. Hinzu kommt, dass graduelle Veränderungen mit langwierigen Anpassungsprozessen verbunden sein können, die mit erheblichen und andauernden Nachteilen für große Teile der Bevölkerung verbunden sind. Im Zusammenhang mit der Transformation der früheren sozialistischen Systeme des Ostblocks wird deshalb oft gefragt, ob nicht ein »big bang« (Änderung auf einen Schlag) eine raschere Entwicklung zur Folge hätte und deshalb insgesamt besser wäre als eine Politik der kleinen Schritte.
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