Bevölkerungsentwicklung
In der Wirtschaftssoziologie: auch: Demologie, Wissenschaft von der Bevölkerung, insbesondere der Bevölkerungsstruktur und der Bevölkerungsentwicklung. Zentrale Variable der Demographie sind u.a. Bevölkerungsgrösse, Altersaufbau, Fruchtbarkeitsraten, Sterblichkeit, Migrationen. Die Geschichte der Demographie reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück und ist eng mit ökonomischen und politischen Fragestellungen verknüpft. Die Demographie bedient sich zunehmend statistischer Verfahren und mathematischer Modelle u.a. etwa zur Vorhersage von Bevölkerungsentwicklungen. Im deutschen Sprachraum wird gelegentlich zwischen der Demographie und der Bevölkerungswissenschaft oder Bevölkerungslehre unterschieden. Dabei wird der Demographie die Rolle der statistischen Erfassung und Beschreibung der Bevölkerung zugeschrieben, während der Bevölkerungswissenschaft die Aufgabe der Erklärung durch Rückgriff auf soziale Strukturen, historische Bedingungen etc. zukommt.
Bevölkerungsökonomie
(= Bevölkerungswissenschaft) wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Erforschung von Struktur und Dynamik von menschlichen Populationen und mit der Bereitstellung von Methoden zu ihrer Analyse befaßt. Als Hilfswissenschaft für andere Disziplinen liefert sie Daten, Instrumente und Theorien mit zahlreichen Querverbindungen zur Ökonomie, Soziologie, Geographie, Biologie oder Medizin. Gegenstand der Analyse sind neben den Bevölkerungsgesamtheiten und deren Dynamik die demographischen Parameter Mortalität (Sterblichkeit), Morbidität (Krankheit), Fertilität (Geburten) und Migration (Wanderungen). Zumindest in der Vergangenheit wurde auch die Nuptialität (Heiraten) als eigenständiger Forschungsgegenstand behandelt. Da es sich immer klarer gezeigt hat, dass die demographischen Phänomene, aber auch bereits die Aufgaben und Möglichkeiten der demographischen Datenerhebung, in der entwickelten Welt völlig verschieden sind von jenen der unterentwikkelten Teile der Welt, ist in den letzten Jahrzehnten eine konsequentere Unterteilung in die Demographie der entwickelten Welt einerseits und eine Demographie der Entwicklungsländer andererseits entstanden. Der Großteil der internationalen demographischen Forschung und wissenschaftlichen Neuerungen hat dabei im Bereich der Demographie der unterentwikkelten Welt stattgefunden, wo auch das Schwergewicht der praktischen Anwendung liegt. Demographie als Wissenschaft begann mit der Analyse der Sterblichkeit, deren zentrales Konzept, die sog. Sterbetafel (im Englischen etwas positiver als Life Table bezeichnet) nach dem ersten methodischen Beitrag durch John GRAUNT (1662) permanent weiterentwickelt wurde. Eine erste systematische Gesamtdarstellung von Mortalitätsdaten und -analysen, und damit gewissermaßen die erste wissenschaftliche demographische Monographie, wurde durch Johann Peter SÜSS- MILCH im Jahr 1775 geleistet. Über Jahrhunderte stand die Demographie im Zentrum der Wissenschaft der »politischen Ökonomie« mit zahlreichen bedeutsamen Beiträgen deutscher Wissenschaftler. Mit der Verquickung in die nationalsozialistische Rassenideologie wurde im deutschen Sprachraum aber die gesamte Disziplin diskreditiert, die sich heute wieder neu entwickeln und Anschluss an die internationale Forschung finden muß. Im Zentrum der theoretischen Demographie steht das Modell der stabilen Bevölkerung, das nach ersten Vorarbeiten durch den Mathematiker Leonhard EULER in ihren wesentlichsten Elementen durch den Biologen Alfred LOTKA entwickelt wurde. Auch das sog. logistische Bevölkerungsmodell fand und findet noch heute oft Anwendung v.a. in der Biologie und der Epidemiologie (der medizinischen Teildisziplin, die sich mit der Messung und Analyse von Mortalität und Morbidität befaßt). Extreme Aufmerksamkeit genoss in der Vergangenheit das sog. Malthusianische Bevölkerungsgesetz, das aber weder ein Gesetz noch das Ergebnis einer theoretischen Analyse ist. Dieser Hypothese des schottischen Moraltheologen Thomas Robert MALTHUS folgend, neigten die Menschen dazu, sich mit geometrischer Wachstumsrate zu vermehren, während der Nahrungsspielraum nur linear zunähme, so dass eine aus dem Bevölkerungsdruck abgeleitete ökonomische Verelendung gewissermaßen zwangsläufig wäre. Rückwirkend betrachtet erweist sich diese Hypothese bestenfalls als für einen kleinen Teil der Geschichte des Homo sapiens (die sozialen Verhältnisse des Frühkapitalismus im 18. und 19. Jh. in Europa) relevant. Weder das geometrische Bevölkerungswachstum noch das lineare Wirtschaftswachstum sind in irgendeiner Weise naturgesetzlich und in dieser Form langfristig beobachtbar gewesen. Wenn Demographen heute die historischen Entwicklungsverläufe von vorindustriellen hin zu »postindustriellen« Lebensweisen beschreiben wollen, dann benutzen sie gerade auch für den Anwendungsfall der Entwicklungsländer überwiegend das Erklärungsmuster des »demographischen Übergangs«. Das große Interesse am »Gesetz« von MALTHUS und dessen Folgerungen zeigt, dass von Politik und Gesellschaft diesem Gebiet vor allem solche Interessen entgegengebracht werden, die mit dem Stichwort Bevölkerungspolitik umschrieben werden können. In der Bundesrepublik hat sich das Interesse an demographischen Zusammenhängen aufgrund der spezifischen deutschen Bevölkerungsentwicklung im 20. Jh. dem Phänomen demographische Alterung und deren Konsequenzen v.a. im Bereich der -9 Sozialpolitik zugewendet. Literatur: Mueller, U. (1993). Dinkel, R.H. (1989)
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