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Individualisierung

Begriff, der die Tendenz angibt, daß Individuen immer weniger durch Normen, Werte und Traditionen beeinflußt werden, die in ihrer Gesellschaft vorherrschen. Angesichts dieser Tendenz wird es immer schwieriger, das Konsumentenverhalten vorherzusagen und/oder die Märkte in (ausreichend große) homogene Marktsegmente zu unterteilen. (Siehe auch: Marktzersplitterung)

In der Wirtschaftssoziologie: [1] in Sozialarbeit und entsprechender Gesetzgebung der Grundsatz, Armut, Hilfsbedürftigkeit usw. als Merkmale einzelner Menschen anzusehen und zu mildern.

[2] In der Soziologie oft bedeutungsunscharfe Bezeichnung für einen Rückgang allgemein sozialer oder kollektiver Orientierungen und entsprechender Handlungen zugunsten einer Überantwortung an Entscheidungen und Gestaltungen durch das Individuum. In dieser Bedeutung oft auch Bezeichnung für den kulturgeschichtlichen Vorgang seit Ende des Mittelalters, in dem das Individuum sich als Sinnzentrum seines Lebens formulierte (etwa durch Autobiographie), sich als Entscheidungszentrum gegen Tradition und Dogma zu behaupten suchte (Reformation, Aufklärung) und sich lebenspraktisch (als Wissenschaftler, als Künstler, als Unternehmer, usw.) bewährte.

[3] Bei G. Simmel Bezeichnung für die Verselbständigung der einzelnen aus gemeinschaftlichen Zusammenhängen: Äusserte sich dies im 18. Jahrhundert als Lösen von politisch-strukturellen Zwängen (Emanzipation), so im 19. Jahrhundert als Anders-sein-Müssen, was Simmel vor allem am Beitrag des Geldes und der Geldwirtschaft zur Durchsetzung individueller Besitzrechte darlegt (1900). Dadurch wurden moderne Lebensformen überhaupt erst möglich, nämlich vor allem die Assoziation von einander nicht von vornherein - durch Familie, Stand usw. - oder als Lebensgemeinschaft - z.B. die Zünfte - verbundene Individuen, etwa als Kapitalgesellschaft, aber auch als Verein. So habe Individualisierung also keineswegs zum Rückgang von Assoziation geführt. Als allgemeine Regel behauptet Simmel, „dass die Erweiterung einer Gruppe Hand in Hand geht mit der Individualisierung und Verselbständigung ihrer einzelnen Mitglieder\'1. /

[4] In einem Teil der marxistischen Diskussion (und in der entsprechenden politischen Rhetorik) Bezeichnung für abnehmende Orientierung an Kollektiven bzw. an sozio-politisch als Handlungsträger vorgestellten Grossgruppen (die Arbeiterbewegung o.a.). Im Denkmodell, dass die wirklichen Lebensinteressen der Menschen die gemeinsamen und kollektiv organisierten seien, treten nicht so gerichtete Lebenswünsche und Orientierungen als individualisierte auf.

[5] M. Foucault (1975) verwendet Individualisierung zur Bezeichnung solcher Vornahmen und Prozesse, durch die in der modernen, in der Disziplinargesellschaft die Menschen unterworfen werden, indem sie zu Individuen gemacht werden. An solcher Individualisierung als Machttechnik wirken die Psychologie (samt Psychiatrie usw.) mit, indem sie den einzelnen beobachtet, seine Seele vermisst und mit Normen vergleicht (ähnlich andere Humanwissenschaften), sowie unterschiedliche Institutionen, die an der „Besserung“ von Verwahrlosten oder Auffälligen, an der Resozialisation von Kriminellen, an der Heilung von Verrückten usw. arbeiten, indem sie durch die Vermutung pathologischer seelischer Entwicklung und orientiert am Einzelfall individualisiert werden. Zur Vor- und Parallelgeschichte solcher Individualisierung rechnet Foucault bestimmte Muster räumlicher Vereinzelung (die Haftzelle, die Schulbank, den Schlafplatz im Arbeitshaus usw.) sowie Formen der körperlichen Dressur (strenge Tagesordnung in Erziehungsheimen und Besserungsanstalten, den Drill beim Militär, die Sitzordnung in der Schu-le).

[6] In U. Becks I.sthese (1983, 1986) Be-zeichung für einen Zentralvorgang in der gegenwärtigen modernen Gesellschaft: Die die Lebensführung der Menschen bisher ordnenden grossen Gussformen (Zugehörigkeit zu Klasse bzw. Schicht, Familie und Konstellationen von Mann und Frau sowie von Erwachsenen und Kindern, - bei den Männern - lebenslange Berufsarbeit usw.) verlieren an Ordnungskraft; absehbar werde eine dominant aufs Schicksal des einzelnen (Arbeitsmarkt-Individualisierung, aber auch Dominieren von individuellen Interessenlagen in bisherigen Primärgruppen, besonders in Ehe und Familie) zentrierte Lebensform. Solche Freisetzung sei begleitet von Verlusten (Einbindung in traditio-nale Orientierungssysteme, in hergebrachte Solidargruppen usw.) sowie insbesondere von einer - unter Bedingungen des Wohlfahrtstaates - radikalen Steigerung der Abhängigkeit der Lebensführung von institutionellen Vorgaben, Regelungen und Standardisierungen des Lebenslaufs. Es entstehe eine Art von direktem Verhältnis zwischen individualisierter Existenzform und staatlich-gesellschaftlichen Vorgaben (das die Individualisierung weiter zu steigern tendiert).

Ausrichtung z.B. einer   Dienstleistung auf die Präferenzen eines einzelnen Kunden bzw. einer Kun­dengruppe. Individualisierung bedeutet im Gegensatz zur   Standardisierung, dass eine Leistung vom Kunden individuell spezifiziert wird (vgl. auch   Kundenintegration) und durch den Anbieter entspre­chend erstellt wird.

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