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Konvergenztheorie

Der Begriff der Konvergenz ist den Naturwissenschaften und speziell der Biologie entlehnt und bezeichnet die Entwicklung ähnlicher Formen und Verhaltensweisen bei verschiedenen Lebewesen infolge identischer Anpassungszwänge. Übertragen auf die Ebene der Wirtschaftssysteme wird in der Konvergenztheorie die Auffassung vertreten, dass unterschiedlich organisierte Industriegesellschaften mit vergleichbaren Herausforderungen konfrontiert sind und dementsprechend auch ähnliche Lösungen anwenden müssen. Der gleiche Problemdruck bewirke so eine Annäherung der institutionellen, politischen und ökonomischen Strukturen und Strategien. Dabei können verschiedene Grundpositionen unterschieden werden: •   Nach der "echten" Konvergenzvariante bewegen sich die kapitalistische und die sozialistische Ordnung auf ein gemischtes System hin, welches das Optimum aus beiden repräsentiert. Vertreter dieser Position sind Jan Tinbergen und John Kenneth Gal- braith. •   U.a. von Walt W. Rostow wird die These vertreten, dass sich die sozialistischen Systeme zwangsläufig an das westliche Ordnungsmodell annähern werden. •  Joseph A. Schumpeter spricht vom "Marsch in den Sozialismus", also von der Entwicklung der westlichen Konkurrenzgesellschaften hin zum sozialistischen Gesellschaftsmodell. •   Nach der u.a. von Peter Wiles vertretenen "abgeschwächten" Konvergenzthese, gibt es gemeinsame Konvergenztendenzen in einzelnen Bereichen bei gleichzeitig weiterhin existierenden gravierenden Unterschieden. Gemeinsam ist allen diesen Positionen die Überzeugung, dass der Industrialisierungsprozess mit seinen Sachzwängen und Eigengesetzlichkeiten die bewegende Ursache für die Konvergenz der politischen, ökonomischen und sozialen Institutionen sei. Losgelöst von dieser Betonung technisch-wirtschaftlicher Sachzwänge ist die Konvergenztheorie Ausdruck einer zeitgebundenen Bewegung, welche die Phase des kalten Krieges überwinden und eine wissenschaftliche Schrittmacherrolle für die Entspannungspolitik der 60er und 70er Jahre spielen wollte. So wird die Dichotomie zwischen privatwirtschaftlichen Marktwirtschaften und sozialistischen Zentralverwal- tungswirtschaften kritisiert, die durch reale Entwicklungen längst überholt sei. Für westliche Wirtschaftssysteme wird als charakteristischer Wandel der wachsende Einfluss des staatlichen Sektors in Verbindung mit dem Funktionsverlust des Privateigentums im Zuge der sich ausweitenden Managerherrschaft hervorgehoben. Für sozialistische Planwirtschaften sei dagegen ein geringerer Einfluss des Partei- und Staatsapparates im Zuge der Dezentralisierung der Planungsbefugnisse mit korrespondierenden Machtzuwächsen der Manager und der vermehrten Nutzung monetärer Hebel und marktwirtschaftlicher Elemente die systemcharakteristische Entwicklungstendenz. Diese grundlegenden Wandlungsprozesse werden in West und Ost von gleichlaufenden Entwicklungen begleitet: •   Angleichung der Sektoren- und Zweigstrukturen, •   Vordringen der Grossbetriebe und der Konzentration, •   Angleichung der Bedürfnisstrukturen und der Konsummuster, •   Ausbau der sozialen Sicherungssysteme, •   Angleichung der wirtschaftspolitischen Ziele und Instrumente. Kritisch wurde zur Konvergenztheorie vermerkt, dass Ähnlichkeiten fälschlicherweise als Annäherung gedeutet würden, dass die entwicklungstreibende Kraft des Industrialisierungsprozesses im Sinne eines technologischen Determinismus überschätzt werde und dass institutionelle Triebkräfte des Wandels bzw. der Beharrung unberücksichtigt blieben. Diese Einwände sind durch das Scheitern des Sozialismus nachträglich belegt worden.   Literatur: Knirsch, P, Neuere Beiträge zur Konvergenztheorie, in: Boettcher, E., Beiträge zum Vergleich der Wirtschaftssysteme, Berlin 1970, S. 79 ff.

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