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Systemgeschäft

Neben dem Produhtgeschö/t und dem Anlagenge-schajt ist das Systemgeschäft (Systems Selling) eine Form des fnves-titionsgütermarheting, die nach dem Umfang des Leistungsangebots der Anbieter unterschieden wird.

Analog zum Anlagengeschäft werden beim Systemgeschäft komplexe Leistungsbündel beziehungsweise HardwareVSoftwa-re-Kombinationen vermarktet. Allerdings unterscheidet sich das Systemgeschäft dahingehend, dass hier die Leistungen zunächst für den anonymen Markt konzipiert werden und die Vermarktungsphase sowie die kundenindividuelle Anpassung der Angebote im Nachhinein erfolgen. Zudem ist das Systemgeschäft geprägt durch den zeitlichen Kaufverbund im Sinne einer sukzessiven Abfolge hintereinandergeschalteter Kaufprozesse, die eine innere Verbindung aufweisen (vgl. Backhaus, 1999, Systemgeschäft 306), sowie durch umfangreiche, über Engineering-Leistungen hinausgehende, Dienstleistungen (System-Software). Dabei handelt es sich um Pre-Sales-Services, After-Sales-Services (Kun-dendienstpolitife) sowie episodenbegleitende Dienstleistungen, etwa in Form der Projektorganisation (vgl. Backhaus, 1999, Systemgeschäft 5691; Meyer/Kern/Diehl, 1998, Systemgeschäft 159ff.).

Jeder Investitionsgüterhersteller steht vor der Entscheidung, welche Stellung seine Marketingstrategie zwischen den Polen der Vermarktung von Einzelaggregaten bzw. Komponenten und integrierten Anlagenkomplexen (Systemen) einnehmen soll (vgl. Backhaus, 1999, Systemgeschäft 281). Die weiteste Ausgestaltung des Systemgeschäfts besteht in der Vermarktung schlüsselfertiger Gesamtanlagen (Tum-key-Verträge) durch einen Anbieter oder eine Anbieterkoalition.

Kennzeichen des Systemgeschäfts als Teil des Investitionsgütermarketing ist es, dass (Teil-)Leistungen im Hinblick auf eine (ge­meinsame) Nutzung mit anderen (kompati­blen) Teilleistungen gekauft werden. Durch diese „Verbundkäufe“ entstehen spezifische Marketingprobleme. Die Funktionselemente von Systemen sind d.R. aus weitgehend standardisierten Sy­stembausteinen aufgebaut. Diese System­bausteine können entweder Systemkompo­nenten oder wiederum Teilsysteme sein. Als Systemkomponenten sollen hier in Analogie zum Produktgeschäft solche Güter ver­standen werden, die ohne das Zusammen­wirken mit anderen Systembausteinen keine sinnvolle Funktion erfüllen, während Teilsy­steme isoliert genutzt werden können. Bei­spiel für eine Systemkomponente wäre ein Drucker; ein Teilsystem wäre ein funktions­fähiger Rechner mit Drucker, Bildschirm und einer Mindestausstattung an System­software, das in eine übergeordnete System­architektur eingebunden werden kann. Das so gekennzeichnete Systemgeschäft er­laubt eine klare Abgrenzung gegenüber dem Produkt- und Anlagengeschäft. Ge­genüber den Vermarktungsproblemen bei Produkten kommen beim Systemgeschäft die Vermarktungsprobleme für Systemar- chitekturen hinzu, in die hinein dann „pas­sende“ Teilsysteme oder Komponenten suk­zessive gekauft werden. Systemgeschäfte sind also durch einen Beschaffungsprozeß gekennzeichnet, der sich wie folgt beschrei­ben läßt: Der Anwender ist implizit oder ex­plizit gezwungen, eine Systemarchitektur- entscheidung zu treffen. Auf Basis dieser Architekturentscheidung werden dann Komponenten und Teilsysteme erworben. Da es in der Realität weder vollkommen ge­schlossene, noch vollkommen offene Syste­me gibt, haben Systemgeschäfte damit i. d. R. eine längerfristige Lieferantenbindung zur Folge, die mit zunehmendem Investitions­volumen in ein bestimmtes System zunimmt. Hierin liegt ein Marketingkernproblem: Die Systemwechselkosten nehmen mit zuneh­menden Investitionen in ein bestimmtes Sy­stem zu. Ein Systemwechsel bedeutet im Ex­tremfall - wenn es sich um ein vollkommen geschlossenes System handelt - die Notwen­digkeit zur Abschreibung aller bisher getä­tigten Investitionen in das bisherige System. System geschäfte beinhalten deshalb für den Käufer, aber auch den Verkäufer, der u.U. ebenfalls erhebliche Vorleistungen zu er­bringen hat, ein besonderes Risiko, das durch entsprechend umsichtige und umfassende Kaufverhandlungen abgesichert werden muß. Viele Käufer von Systemtechnologien sind ferner nur bereit, in Systeme zu investieren, wenn die Systeme kompatibel sind, d. h. sie müssen in Verbindung mit Teilsystemen an­derer Hersteller nutzbar sein. Der Anbieter von Systemen muss daher häufig eine bewusst gesteuerte Kompatibilitätspolitik betreiben (Integralqualität). Systembindungseffekte lassen sich durch den Anbieter reduzieren, wenn Systeme auf der Basis von Standards entwickelt werden. Systemgeschäfte sind somit durch eine be­stimmte Beschaffungsschrittfolge gekenn­zeichnet: Anfangsinvestition -Bindewirkung -Folge­geschäft. Damit grenzt sich das Systemgeschäft auch klar gegenüber dem Anlagengeschäft ab: Es handelt sich nicht um einen einmaligen (Groß-) Projektkauf, der mit der Beschaf­fung (bis auf marginale oder diskontinuierli­che Erweiterungsinvestitionen) weitgehend abgeschlossen ist, sondern es liegt ein perma­nenter Kaufprozeß von Komponenten und (Teil-)Systemen vor, die auf der Basis einer Systemarchitektur miteinander ver­netzt werden. Diese kann projektspezifisch individuell oder auf Basis vorher festgelegter Integrationskonzepte erfolgen. Solche Inte­grationskonzepte („Systemarchitekturen“, „Systemphilosophien“) werden von sog. Sy­stemträgern entwickelt (s.u.). Systemarchi­tekturen sind meist sehr komplex und für längerfristige Zwecke konzipiert. Dies liegt zum einen im hohen Aufwand für die Entwicklung von Architekturen begründet, zum anderen erlaubt nur eine längerfristig nutzbare Systemarchitektur den problemlo­sen Ausbau eines Systems. Da die System­komponenten relativ kurzen technologi­schen Lebenszyklen unterliegen können, muss die Systemarchitektur i. d. R. so flexibel konzipiert sein, dass sie die Integration neu entwickelter Komponenten in das System ermöglicht. Eine Systemarchitektur legt den Anwender langfristig bei der Erweiterung des Systems in der Auswahl der Erweite­rungsbausteine fest, da Systembausteine, die auf andere Architekturen ausgerichtet sind, - wenn überhaupt - nur mit großem Aufwand in ein vorhandenes System eingebunden werden können. Das gilt in besonderem Ma­ße für sog. geschlossene Systeme, die im Ge­gensatz zu offenen Systemen keine normier­ten Schnittstellen besitzen. Im Systemgeschäft liegt die zentrale Kun­denproblematik darin, beim Erstkauf sicher­zustellen, dass eine Systemarchitektur ge­wählt wird, die als zukunftssicher gilt, d. h., dass: der Kunde annimmt, dass Weiterentwick­lungen des Systems möglich sind, Weiterentwicklungen des Systems durch den Anbieter auch tatsächlich realisiert und zur Verfügung gestellt werden, Weiterentwicklungen nicht hinter dem Marktstandard Zurückbleiben. Zentrale Marketingaufgabe ist somit die Ge­winnung einer Marktposition, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die angestrebten Nachfragerzielgruppen dem angebotenen Leistungsprogramm Zukunftssicherheit attestieren. Ziel aller Marketingbemühun­gen muss es daher sein, eine im Wahrneh­mungsfeld der Nachfrager verankerte bessere Beurteilung der Zukunftssicherheit als die Konkurrenzangebote zu erreichen. Zentrales Konstrukt beim Marketing im Systemgeschäft wird daher die wahr­genommene Kompetenz. Sie hängt eng mit der Rolle zusammen, die ein Unterneh­men im Rahmen von Systemgeschäften übernimmt. Gleichzeitig beeinflußt diese Rolle ganz entscheidend den Marketing­spielraum: Der Systemträger versucht durch ein brei­tes Produktprogramm sämtliche für die Systemrealisierung benötigten Kompo­nenten und Teilsysteme anzubieten. Er greift dabei u.U. auf Komponentenan­bieter zurück. Systemträger bzw. System­anbieter verfügen i.d. R. über geringe Einkaufsflexibilität, da sie die „Komplett­lösung aus einem Hause“ anstreben. Die­ses Leistungsangebot ermöglicht die Rea­lisation eines preispolitischen Ausgleichs zwischen den einzelnen Teilleistungen im Rahmen des Systemangebots. Komponentenanbieter liefern im Rahmen des Systemgeschäfts nur bestimmte Teilleistungen innerhalb eines Systems. Sie nehmen nicht die Systemträger-Funktion wahr, sondern überlassen die Entwicklung von Systemarchitekturen anderen Marktpartnern (auch dem Systembetreiber), versuchen aber häufig, technologische Schrittmacherfunktion zu übernehmen, um den Substitutionsgrad für die betrachtete Komponente im Sy­stem zu verringern (Teile-Marketing). Der Integrator bietet ein reines Dienstlei- tungsangebot an. Wie der Komponenten­anbieter ist auch er ein Spezialist. Aller­dings erfolgt seine Leistungserbringung kundenindividuell, indem er kundenspe­zifisch Software zur Integration verschie­dener (Teil)-Systeme entwickelt. Erfolg­reiche Integratoren verfügen über eine ausgeprägte Problemlösungskompetenz. Aufgrund ihrer Unabhängigkeit bei der Auswahl von Systemkomponenten bie­ten sie große Flexibilität bei der Erfüllung von Kundenwünschen im Hinblick auf Komponenten und können stets auf die leistungsfähigsten Komponenten zurück­greifen. Alle im Systemgeschäft anbietenden Lei­stungsträger haben zunächst im Rahmen ih­rer Produkt- und Sortimentspolitik eine Grundsatzentscheidung darüber zu treffen, ob sie versuchen sollen, für einzelne bzw. für mehrere Bereiche Systemträger zu werden, sich auf das Angebot von Komponenten bzw. Teilsystemen zu beschränken oder ausschließlich Integrationsleistungen zu erbringen. Die Beantwortung der Grundsatzfrage nach der Rolle im Systemgeschäft setzt eine Ent­scheidung über zu bearbeitende Marktseg­mente voraus. Sollen Teilmärkte bearbeitet werden, in denen der Abnehmer sich für eine eigene Systemträgerschaft entschieden hat, so wird das Problem quasi extern gelöst. Ein echtes Entscheidungsproblem stellt sich nur dann, wenn die Systemträgerschaft nicht durch den Nachfrager wahrgenommen wer­den soll. 

Literatur:  Backhaus, K., Investitionsgütermarke­ting, 3. Aufl., München 1992.

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