Die Debatte zu diesem Stichwort und zur Höhe des Reallohnes sowie der Beschäftigung wurde durch einen Beitrag von L. Calmfors und J. Driffil aus dem Jahr 1988 angestoßen. Sie stellten die Hypothese auf, dass entweder sehr dezentral oder sehr zentral geführte Lohnverhandlungen die für die Beschäftigungshöhe beste Strategie darstellen, nicht hingegen dazwischen liegende Lösungen wie etwa Verbandstarife. Grafisch lässt sich diese These eines Zusammenhangs zwischen Lohnhöhe und Zentralisierungsgrad der Lohnverhandlungen wegen der negativen Korrelation zwischen Reallohn bzw. Beschäftigung und dem Zentralisierungsgrad der Lohnverhandlungen in Form eines U abbilden. Die theoretische Begründung für diesen Verlauf ist, dass bei einer dezentralen Lohnbildung den firmenspezifischen Erfordernissen etwa im Hinblick auf die betriebliche Produktivitätsentwicklung besser Rechnung getragen werden kann. Lohnerhöhungen sind dann nur eingeschränkt möglich, wenn sich das Unternehmen auf dem Absatzmarkt starkem Konkurrenzdruck ausgeliefert sieht. Mit steigendem Zentralisierungsgrad der Lohnverhandlungen verringert sich dieser für die Beschäftigung positive Effekt, da die Gewerkschaften dann für mehrere oder im Extrem für alle Unternehmen Lohnerhöhungen durchsetzen können. Folglich entfällt der für die Beschäftigung vorteilhafte Druck dezentraler Verhandlungen auf die Lohnsteigerungen. Es existiert jedoch ein gegenläufiger Effekt, der dem negativen Zusammenhang zwischen Zentralisierungsgrad der Lohnverhandlungen und Beschäftigung entgegenwirkt. Bei sehr dezentralen Lohnverhandlungen können Gewerkschaften davon ausgehen, dass Nominallohnzuwächse gleich hohe Reallohnerhöhungen bedeuten, da bei Lohnverhandlungen auf der betrieblichen Ebene Effekte der eigenen Lohnerhöhung auf das volkswirtschaftliche Konsumgüterpreisniveau eher gering sind. Bei steigendem Zentralisierungsgrad werden die Gewerkschaften die durch Lohnerhöhungen induzierten Preisniveausteigerungen und daraus folgenden Reallohnsenkungen wohl stärker in ihr Kalkül einbeziehen. Wenn sie die Inflationswirkungen der von ihnen ausgehandelten Lohnsteigerungen berücksichtigen, tendieren sie zu niedrigeren Lohnabschlüssen, da ihr Interesse an Lohnsteigerungen, die in Inflation verpuffen, gering ist. Dieser Effekt lässt auf einen eher positiven Zusammenhang zwischen dem Zentralisierungsgrad der Lohnverhandlungen und der Beschäftigung schließen. Beide Wirkungsketten zusammen liefern dann einen U-förmigen Verlauf. Allerdings ist diese Hypothese stark empirisch umstritten, da von einer Reihe wichtiger Zusammenhänge in der Realität abstrahiert wird. So lässt sich zeigen, dass auch ein Flächentarifvertrag auf einer mittleren Ebene nicht immer kontraproduktiv für die Beschäftigung sein muss, wie die Hypothese von Calmfors/Driffil nahe legt. Vielmehr kann er durchaus im Sinne eines Rahmentarifvertrags nützliche Dienste erbringen, wenn er genügend flexibel ausgerichtet ist.
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