Dem Eigenschaftsansatz der Führung liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich Führerschaft durch die Person des Führers erklären läßt (“great-man theory” oder auch “trait approach”). Maßgebend ist die Idee, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften zum Führer prädestinieren und dass verhältnismäßig wenige Menschen über solche Eigenschaften verfügen. Häufig verbindet sich diese Perspektive noch mit der Überzeugung, die Führungseigenschaften seien in bestimmten sozialen Klassen, nämlich den höheren, häufiger vertreten sind als in den unteren Klassen.
Die Forschung richtete demgemäss ihr Hauptaugenmerk auf die Suche und Entdeckung relevanter Eigenschaften, die den Führer von den Geführten unterscheiden. Dabei wird vielfach angenommen, die Führungsqualitäten seien angeboren, mitunter aber auch, sie seien erworben. Die verbreiteten Kataloge von Führungseigenschaften verwenden die unterschiedlichsten Eigenschaften. Sie werden manchmal intuitivintrospektiv, manchmal aber auch empirisch-statistisch gewonnen.
· In den vorwiegend intuitiv-introspektiven Katalogen tauchen vor allem die Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Entschlußkraft, Fähigkeit zur richtigen Entschlußfassung, Willensstärke, breites Wissen, Überzeugungskraft und Selbstgenügsamkeit auf. Häufig genannt wird auch Intelligenz. Die Frage nach der Beziehung der Eigenschaften untereinander, inwieweit z.B. Intelligenz und Wissen hohe Entscheidungsfreudigkeit ausschließen oder begünstigen, bleibt dabei oft unberücksichtigt.
· Die empirisch-statistischen Kataloge versuchen, diejenigen Eigenschaftsmerkmale von Führern herauszukristallisieren, die universell Führer von Geführten unterscheiden. Der Grad der Übereinstimmung ist auch hier gering geblieben.
So analysierte R. Stogdill z.B. eine Vielzahl einschlägiger Untersuchungen und fand nur wenige Eigenschaften, die in mehreren Untersuchungen bei Führern häufiger auftraten als bei Geführten. Das waren namentlich: höhere Intelligenz, bessere Schulleistungen und stärkere Teilnahme an Gruppenaktivitäten.
Eine Neubelebung erfuhr die Eigenschaftstheorie durch die - Attributionstheorie, speziell durch den eigenschaftsorientierten Ansatz, den B. Calder 1977 formulierte. Calder geht von der phänomenologischen Vorstellung aus, Führung stelle eine Persönlichkeitsdisposition dar, die nicht unabhängig von den Geführten existiert: “Führung existiert nur als Wahrnehmung”.
Die Geführten beobachten das Verhalten ihres Vorgesetzten direkt oder erschließen es über die Wirkungen, die es gehabt hat. Auf der Grundlage dieser Informationen attribuieren sie anderen
Personen Führereigenschaften. Ob Führungseigenschaften existieren oder nicht, spielt nach diesem Ansatz keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass einer Person von ihrer - Bezugsgruppe Führungseigenschaften zugeschrieben werden und dass diese Person daher als Führer akzeptiert wird. Natürlich spielen bei diesem Wahrnehmungs- und Zuweisungsprozess Alltagstheorien der Führung eine herausragende Rolle, und diese sind im wesentlichen Eigenschaftstheorien.
Wesentliche Grundlage der dann erfolgenden Attribution sind die Erwartungen des Geführten an Führer, d.h. ihre implizite Führungstheorie. Diese wiederum bildet sich im Rahmen vielschichtiger Sozialisationsprozesse heraus und ist nach Ansicht Calders insbesondere von der Sozialschicht der Geführten den Beobachtungen des Führungsverhaltens anderer Vorgesetzter abhängig. Heute wird im allgemeinen die Auffassung akzeptiert, dass es im wesentlichen die Zuschreibung der Geführten ist, die das - Charisma generiert.
Die Geführten bzw. die Einflußadressaten beobachten das Verhalten des Führers und weisen in bestimmten Fällen Charisma zu. Diese Zuweisung wird besonders häufig dann vorgenommen, wenn Führer
1. prägnante Visionen entwickeln, die vom Status quo stark abweichen, ohne allerdings die Vorstellungswelt der Geführten zu verlassen,
2. ein selbstaufopferndes Engagement zeigen,
3. ihre Ideen mit hohem persönlichem Risiko verfolgen,
4. ihre Ideen erfolgreich realisieren und
5. ihre Führungsmotivation klar zum Ausdruck bringen.
Die Merkmale und Wahrnehmungsprozesse, aufgrund derer Charisma attribuiert wird, sind historisch und kulturell beeinflußt, so dass diese Erklärung letztlich auf die gesellschaftlichen Bedingungen verweist, die bestimmte Merkmale für den Attributionsprozess hervortreten lassen.
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