Befragung
Kernstück der Befragung ist der Fragebogen. Im Fragebogen wird das zu lösende Problem (z.B. ein Marktforschungsproblem) in Fragen umgesetzt, die eine sprachliche und intellektuelle Oberforderung der Befragten möglichst ausschließen. Es sollten folgende Grundregeln beachtet werden (Kirschhofer-Bozenhardt/Kaplit-za, 1991, S. 98):
1. Klarheit und Verständlichkeit des sprachlichen Ausdrucks;
2. Neutralität der Fragestellung, ausgewogene Alternativen;
3. Eindeutigkeit der Fragen: Ausschluss jeder Möglichkeit einer Fehlinterpretation;
4. alle Antwort-Alternativen müssen auf einer logischen Ebene sein;
5. Denk- und Handlungsweisen, die nicht unmittelbar abfragbar sind, müssen psychologisch phantasievoll in klare Indikatoren übersetzt werden, mit denen Meinungen und Sachverhalte verlässlich erhoben werden können;
6. Ausschluss von Rangreihenfaktoren durch Verwendung von Kartenspielen, auf denen Antwort-Alternativen einzeln dargestellt sind, sowie durch »Drehen« von Listen und Austauschen von Fragepositionen im Bogen durch Split-Befra-gungen;
7. die Alternativen müssen ausformuliert sein;
8. Ausgewogenheit der Fragen untereinander; keine gegenseitige Beeinflussung im Fragebogen.«
Der Aufbau eines Fragebogens beginnt, nachdem die Projektziele festgelegt sind, mit der Formulierung der Fragen. Diese sollten einfach, verständlich, eindeutig, klar und genau sein. Hammann/Erichson (2000, S. 107ff.) beschreiben die verschiedenen Formen von Fragen und gehen auf die Aspekte ein, die bei der Gestaltung des Fragebogens zu beachten sind:
- So vermeidet die Verwendung von Alternativfragen, dass von bestimmten Fragen Suggestivwirkungen auf die Antworten ausgehen.
- Durch indirekte Fragen können prestigegelenkte Antworten vermieden werden.
- Bei langen, sachbezogenen Interviews kann durch mehrmaliges Wechseln der Fragetechnik die Befragungssituation aufgelockert werden. Eine Ermüdung und ein Nachlassen der Konzentration beim Befragten, die zu ungenaueren Antworten führen, können so minimiert werden.
Für die Fragenreihenfolge hat sich folgendes Schema durchgesetzt (vgl. Hammann/ Erichson, 2000, S. 114):
Bei der Fragenanordnung ist zu beachten, class keine Ausstrahlungseffekte (Haloej-Jekl) auftreten. Diese können durch so genannte Puffer- oder Ablenkungsfragen reduziert werden. Die Ausstrahlungseffekte können auch konstruktiv im Rahmen von Trichtertechniken eingesetzt werden, bei denen eine Frage und die dazugehörige Antwort zur nächsten Frage überleiten sollen. Auch bei der Aufeinanderfolge der Sachfragen sollte Abwechslung geboten werden.
Der Umfang eines Fragebogens sollte bei monothematischen Befragungen eine durchschnittliche Beantwortungszeit von ca. einer halben Stunde nicht überschreiten. Bei polythematischen Befragungen (Omnibus-befragung) ist durch die größere Themenstreuung und die damit verbundene Möglichkeit einer kurzweiligeren Gestaltung ein größerer Umfang möglich. Diese Angaben sind bezüglich der Befragungssituation und des Interesses, das dem Befragungsgegenstand entgegengebracht wird, zu relativieren.
Zur Absicherung des Fragebogens ist vor der eigentlichen Felduntersuchung ein Pretest durchzuführen. Eventuelle Schwächen eines Fragebogens können so erkannt und vor der Felduntersuchung korrigiert werden.
Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (Informationstechnologie) beinhalten auch Rationalisierungspotenziale hinsichtlich der Erstellung von Fragebögen. So kann in Verbindung mit Textverarbeitungssoftware ein Fragebogengenerator aufgebaut werden. Bestimmte
Fragen- und Antwortvorgabetypen, z.B. Alternativfragen, Ratingskalen, Rangreihen, Polaritätenprofile, die in einer vorab festgelegten Standardform gespeichert sind, können am Bildschirm interaktiv der jeweiligen Problemstellung angepasst werden (vgl. Zentes, 1987, S. 116).
schriftliche Befragung
zentrales Instrument zur Datenerhebung. Der Aufbau eines Fragebogens soll die Teilnahmebereitschaft des Befragten fördern. Es empfiehlt sich folgende Fragebogenstruktur:
(1) Einleitungsfragen,
(2) Sachfragen,
(3) Kontrollfragen,
(4) persönliche Daten. Siehe auch Marktforschungsmethoden und Marktforschung.
Im Fragebogen wird die Marktforschungsfrage, die den Anlaß zur Befragung lieferte, in eine Sprache und Form übersetzt, die auf den Befragtenkreis zugeschnitten ist (Messung). Neben Fragen, die sich auf den Untersuchungsgegenstand beziehen, enthält der Fragebogen u. a. eine Reihe klassifikatorischer Fragen (z. B. zum Alter, Beruf, Einkommen, Haushalt etc.), die bei der Auswertung häufig als Splitvariablen verwendet werden. Um die gewünschten Antworten zu erhalten, müssen zusätzlich Fragen aufgenommen werden, die die Befragten zur Mitarbeit motivieren, ihre Auskunftsfähigkeit durch zusätzliche Hinweise erhöhen und störende Einflüsse vorausgegangener Fragen ausschalten. Fragebögen werden bei standardisierten Befragungen eingesetzt, gleichgültig, ob die Befragung mündlich, schriftlich, telefonisch, per Btx oder computergestützt (gesteuert) durchgeführt wird. Hinsichtlich der Fragebogengestaltung sind v.a. die Probleme der Fragenformulierung und der Antwortmöglichkeiten sowie der Fragebogenlänge und der Reihenfolge der Befragung zu beachten. In der Praxis hat sich für die Fragenreihenfolge das folgende Schema bewährt: - Kontaktfragen (Abbau von Mißtrauen, „Eisbrecherfragen", Motivierung) - Sachfragen (beziehen sich auf den eigentlichen U ntersuchungszweck) - Kontrollfragen (Überprüfen vorher gegebener Antworten) - Fragen zur Person (gehören an das Ende, um nicht den Eindruck eines Verhörs zu erwecken) Bei den Sachfragen ist, soweit möglich, durch thematische Abwechslung, unterschiedliche Fragetechniken und Antwortmöglichkeiten eine mögliche Monotonie der Befragung zu vermeiden. Besteht zudem die Gefahr, dass vorangegangene Fragen die weiteren Angaben der Auskunftsperson in eine bestimmte Richtung lenken, so sollten Pufferfragen eingeschoben werden, die solche Halo- bzw. Konsistenzeffekte vermeiden helfen. Bei Mehrthcmcnumfragcn lassen sich Ausstrahlungseffekte durch Mischen der Themenbereiche verhindern. Gerade durch die abwechslungsreiche Gestaltung der Fragen und Themen und Einsatz moderner Skalierungstechniken läßt sich die Auskunftsbereitschaft und die Auskunftsfähigkeit der Befragten steigern, so dass auch bei längeren Interviews kein Abbruch seitens des Befragten erfolgt. Maßgeblich für die maximale Dauer von Befragungen ist neben der Fragebogenlänge aber auch der Schwierigkeitsgrad der Themenstellung und das Interesse an der Thematik. Da die Praxis für die Fragebogengestaltung lediglich grobe Anregungen geben kann, ist vor der Haupterhebung in jedem Falle die probeweise Überprüfung des Fragebogens in einer Voruntersuchung erforderlich. Hinsichtlich der Fragenformulierung ist insb. die Verständlichkeit der Fragen zu beachten. Die Fragen sollten einfach, klar und präzise sein, Doppelbedeutungen und Suggestionen sind zu vermeiden und stets ist sicherzustellen, dass die Befragten auch das notwendige Wissen haben, d. h. nicht überfordert werden. Bei den Antwortmöglichkeiten sind geschlossene und offene Fragen zu unterscheiden. Offene Fragen erlauben es den Auskunftspersonen, ihre Antworten selbst zu formulieren. Sie werden zu Beginn der Befragung als Kontaktfragen und bei Sachfragen eingesetzt, wenn es um die Ermittlung des Wissenstands von Befragten geht (z.B. „Welche Schaumbadmarken sind Ihnen bekannt?“). Darüber hinaus finden sie bei projektiven Tests Anwendung. Bei geschlossenen Fragen werden die Antworten entweder schon in die Fragen eingebaut, in Form einer Antwortliste oder als Antwortkärtchen vorgelegt. Die einfachste Form der Antwortvorgabe ist die Antwortdichotomie (“Ja-Nein-Fragen“), wobei noch eine neutrale Kategorie („Keine Antwort“, „Weiß Nicht“) aufgenommen werden kann. Bei Erhebungen, in denen das Antwortspektrum durch die Alternativfrage zu sehr eingeengt wird, verwendet man statt dessen Multiple-Choice-Fragen, bei denen aus mehreren Alternativen eine oder mehrere Nennungen gewählt werden können oder es werden intensitätsmäßig abgestufte Antworten als Skalenfrage (z.B. „sehr gut“, „gut“, „schlecht“, „sehr schlecht“) vorgegeben. Klare Formulierungen und Antwortvorgaben drängen den Interviewereinfluß zurück, beschleunigen die Abwicklung des Interviews und die Auswertung, letzteres insb. dann, wenn hinter den Antworten schon die Zahlencodes zur Übertragung in die EDV aufgeführt sind (z.B. Antwort: Ja = 0, Nein= l,Weiß nicht = 2). Eine abgesicherte Theorie der Wirkung ganz bestimmter Frageformen existiert bis heute nicht, so dass nach wie vor das - von Faustregeln der Praxis geleitete - sprachliche Einfühlungsvermögen eine wichtige Rolle spielt. Die am häufigsten genannten Regeln lauten:
1. Die Fragen sind so kurz und einfach wie möglich in der Umgangs- bzw. Fachsprache der Befragten zu formulieren.
2. Die Fragen müssen präzise, semantisch eindeutig und logisch klar sein (keine Vermischung verschiedener Fragenaspekte).
3. Die Fragen dürfen Wissensstand, Bildungsniveau und Erinnerungsfähigkeit nicht überfordern.
4. Die Fragen müssen möglichst konkret sein, damit sie einheitlich interpretiert werden.
5. Die Fragen dürfen nicht suggestiv oder stereotyp sein, sondern sollten möglichst neutral gehalten werden.
6. Der Fragebogen sollte eine motivierende Dramaturgie haben und das v. a. am Anfang und Ende häufig geringere Interesse steigern bzw. stützen. Jegliche Monotonie ist zu vermeiden. Die maximale Länge des Fragebogens hängt stark vom Thema, der Befragtengruppe und insb. der abwechslungsreichen Fragebogengestaltung ab. 90 Minuten werden häufig als absolute Obergrenze genannt. Meist versucht man sich auf max. 45-60 Minuten zu beschränken. Für Passanten- oder Kundenbefragungen gelten 15 Minuten schon als Maximum.
Literatur: Böhler, H., Marktforschung, Stuttgart u. a. 1985, S. 86-90. Churchill, G. A., Marketing Research,
3. Aufl., Chicago u.a. 1983, S.211-235. Hüttner, M., Grundzüge der Marktforschung, 3. Aufl., Berlin, New York 1989, S. 64-85.
Vorhergehender Fachbegriff: Frachtzuschlag | Nächster Fachbegriff: Fragebogen, Biographischer
Diesen Artikel der Redaktion als fehlerhaft melden & zur Bearbeitung vormerken
|
|