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Grenzkostenpreisregel

Viele  öffentliche Unternehmen, insb.  öf- fentliche Versorgungsunternehmen, unterliegen nicht dem Wettbewerb. Ihre Preise werden nicht durch die Konkurrenz, sondern in einem hoheitlichen Akt festgelegt. Daher fordern Ökonomen, die Preise öffentlicher Unternehmen sollten an den Grenzkosten ausgerichtet werden (/. Dupuit, 1844; Harold Hotelling, 1938). Umstritten blieb in dieser frühen Diskussion jedoch, um welche Grenzkosten es sich dabei handeln sollte: die kurzfristigen Grenzkosten (KGK), welche die Kosten zur Erstellung einer zusätzlichen Einheit innerhalb einer gegebenen Kapazität wiedergeben, oder die langfristigen Grenzkosten (LGK), die auch die Kosten der Kapazitätserweiterung einschliessen. Werden nur die KGK als Kriterium für die Preissetzung herangezogen, so sind z.B. die einem Fahrgast anzulastenden Kosten, wenn der Zug noch nicht voll besetzt ist, sehr gering. Er muss dann im Prinzip nur die Kosten der zusätzlichen Abnützung und Reinigung des Wagens bezahlen. Im Falle der LGK trägt jeder Benutzer auch noch etwas zu den Kosten der Kapazitätserstellung bei; er bezahlt also einen höheren Preis. M. Boiteux zeigte in den 50er Jahren, dass die Preise zu KGK und zu LGK bei vollständiger Voraussicht zusammenfallen. Unter dieser Bedingung ist nämlich die Kapazität des öffentlichen Unternehmens so zu planen, dass kurz- und langfristige Grenzkosten einander gerade gleich sind und dass diese wiederum dem Preis p entsprechen. Die Lösung des Problemes der Preisbildung bei unvollständiger Voraussicht liess dagegen länger auf sich warten. Der Fall eines Reisenden, der ohne wesentliche Extrakosten in einem noch nicht voll besetzten Zug mitgeführt werden kann, ist typisch für die mangelnde Fähigkeit der Bahnverwaltung, die künftige Nachfrage abzuschätzen und die für ihre Befriedigung notwendige Kapazität zu planen und zu realisieren. Auch lassen sich die Tarife nicht unendlich rasch erhöhen, wenn etwa unerwartet grosse Menschenmengen auf den Bahnsteig strömen. Die Lösung von G. Brown und M. B. Johnson lautet: Die Leitung des öffentlichen Unternehmens plant die Kapazität nach dem langfristig zu erwartenden Niveau, die Nachfrager bezahlen den Preis, der den marginalen Betriebskosten (horizontaler Teil der KGK- Kurve) entspricht. Das Problem der Finanzierung des öffentlichen Unternehmens wird auf andere Weise, z.B. über Kopfsteuern, gelöst und - was entscheidend ist - die Nachfrager werden nach ihrer Zahlungsbereitschaft wegrationiert, wenn die Kapazität nicht ausreicht, um sie alle zu bedienen. Diese Lösung ist natürlich nicht praktikabel. Aber sie zeigt einen wichtigen Punkt auf: Wenn Rationierung über kurzfristige Preisvariationen annahmegemäss nicht möglich ist, so bedarf es eines anderen Rationierungsverfahrens, um zu einer effizienten Ressourcenallo- kation zu kommen. Alternative Rationierungsverfahren funktionieren aber meist noch schlechter als selbst ein unflexibler Preismechanismus. Unter diesen Umständen werden, wie M. A. Crew und R R. Kleindorf er gezeigt haben, die Preis- und die Kapazitätspolitik doch wieder sinnvolle Instrumente zur Bewältigung der unvorhersehbar schwankenden Nachfrage. Natürlich gilt nach wie vor, dass im obigen Beispiel ein Fahrgast in einem noch nicht voll besetzten Zug praktisch ohne Extrakosten mitbefördert werden könnte. Aber bei der gegebenen kurzfristigen Inflexibilität der Tarife wäre es ineffizient, einer solchen Möglichkeit im Preis voll Rechnung zu tragen. Vielmehr ist es unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten richtig, dass auch in einem halbvollen Zug jeder Fahrgast einen Preis bezahlt, der über den marginalen Betriebskosten liegt.       Literatur: Boiteux, M., Die französischen Arbeiten über die Strompreisbildung nach Grenzkosten, in: Blankart, Ch. B./Faber, M. (Hrsg.), Regulierung öffentlicher Unternehmen, Königstein/Ts. 1982, S. 78 ff. Brown, G./Johnson, M.B., Public Utility Pricing and Output under Risk, in: AER, Vol. 59, No. 1 (1969), S. 119 ff. Crew, M. A J Kleindorf er, R R., Public Utility Economics, London, Basing- stoke 1979.

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