Latente Steuern Latente Steuern („deferred tax“) sind grundsätzlich für alle am Bilanzstichtag auftretenden Differenzen zu bilden, die aus unterschiedlichen Wertansätzen in der Handels- und Steuerbilanz resultieren und die zukünftig steuerbe- oder entlastend wirken, also zu einer Verminderung oder Erhöhung des zu versteuernden Einkommens/Gewinns führen. Der Ansatz aktiver latenter Steuern setzt jedoch voraus, dass ihre Realisierung wahrscheinlich ist (IAS 12). IAS 12 liegt eine vermögens- bzw. bilanzorientierte Betrachtungsweise zugrunde, so genanntes Temporary- Konzept. Dieses Konzept geht über das Timing-Konzept hinaus, da es grundsätzlich auch quasi-permanente Differenzen und erfolgsneutral entstandene Differenzen, die erst bei ihrer Auflösung zu Ergebnisunterschieden führen, mit in die Steuerabgrenzung einbezieht. Bei der Bewertung der latenten Steuern ist der Steuersatz zugrunde zu legen, der bei Realisierung voraussichtlich gelten wird.
Unterscheiden sich die Jahresergebnisse nach Handels- und Steuerrecht und gleichen sich diese Differenzen in späteren Jahren voraussichtlich wieder aus, so sieht § 274 HGB folgende Steuerabgrenzung vor: Ist das Handelsbilanzergebnis vor Steuern größer als das Steuerbilanzergebnis, ist in der Handelsbilanz ein passiver Ausgleichsposten ("Rückstellung für künftige Steuerbelastungen") zu bilden. Ist hingegen das Handelsbilanzergebnis niedriger als der steuerliche Gewinn, kann (Wahlrecht!) der Steueraufwand entsprechend verringert und ein aktiver Ausgleichsposten für künftige Steuerentlastungen gebildet werden. Hierbei handelt es sich um eine Bilanzierungshilfe. Wird sie gebildet, so dürfen Gewinnausschüttungen nur vorgenommen werden, wenn die verbleibenden jederzeit auflösbaren Gewinnrücklagen (zuzüglich Gewinnvortrag bzw. abzüglich Verlustvortrag) diesen Betrag erreichen, sog. Ausschüttungssperre.
Die latenten Steuern sind ein Bilanzposten in dem die Differenz zwischen der aufgrund der Steuerbilanz tatsächlich veranlagten Steuerschuld und der aufgrund der Handelsbilanz verursachten wirtschaftlichen Steuerbelastung ausgewiesen wird.
Die latenten Steuern ergeben sich also aus dem Unterschied zwischen der Steuerschuld aufgrund des steuerlichen Gewinns und einer fiktiven Steuer, die sich aus dem Handelsbilanzgewinn ergibt bzw. ergeben würde.
Ziel der latenten Steuern ist es, eine Kongruenz zwischen dem in der Handelsbilanz dargelegten Ergebnis und dem dazu ausgewiesenen Steueraufwand herzustellen.
Der Grund für die Existenz dieser latenten Steuern sind also letztlich die unterschiedlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften zwischen der Handelsbilanz und der Steuerbilanz.
Für die Ermittlung latenter Steuern gibt es im wesentlichen zwei Konzepte:
1. Nach dem in §§ 274, 306 HGB verankerten Timing-Konzept resultieren die latenten Steuern aus zeitlich begrenzten Differenzen zwischen Handelsbilanzergebnis und Steuerbilanzergebnis (Einzelabschluss) bzw. zwischen der Summe der Ergebnisse der zu konsolidierenden Einzelabschlüsse (= Handelsbilanz II) und konsolidiertem Ergebnis (= Konzernabschluss).
Laut §274 HGB wird unterschieden zwischen aktivisch latenten Steuern und passivisch latenten Steuern.
2. Nach dem in IAS 12 und FAS 109 verwirklichten Temporary-Konzept resultieren latente Steuern aus dem Unterschied zwischen dem Buchwert von Vermögensgegenständen und Schulden in der Handelsbilanz (Einzelbilanz bzw. Konzernbilanz) und ihrem Ansatz in der Steuerbilanz. Das Temporary-Konzept ist umfassenderer als das Timing-Konzept.
Die Steuerabgrenzung durch latente Steuern nach § 274 HGB hat die Funktion, Differenzen zwischen dem Steueraufwand gemäss der Steuerbilanz und dem sich aufgrund des handelsbilanziellen Jahresergebnisses fiktiv ergebenden Steueraufwand auszugleichen. Damit soll eine Kongruenz zwischen dem handelsrechtlichen Jahresergebnis und dem in der Handelsbilanz ausgewiesenen Steueraufwand erreicht werden. Ist der zu versteuernde Gewinn niedriger als der handelsrechtliche Gewinn, d. h. der Steueraufwand gemäss Steuerbilanz geringer als der nach der Handelsbilanz fiktiv zu zahlende Steueraufwand, so ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in Höhe des unterschiedlichen Steueraufwandes zu bilden. Liegt dagegen der zu versteuernde Gewinn nach der Steuerbilanz über dem handelsrechtlichen Gewinn, d.h. der zu zahlende Steueraufwand ist höher als der sich aufgrund des handelsbilanziellen Ergebnisses ergebende Steueraufwand, so darf die Differenz des Steueraufwandes als Bilanzierungshilfe aktiviert werden. Die Bildung von aktiven und passiven latenten Steuern kommt allerdings nur in Frage, wenn sich der zu niedrige bzw. zu hohe Steueraufwand in den folgenden Geschäftsjahren voraussichtlich ausgleicht (sog. timing differences). Ein höherer Gewinn in der Handelsbilanz als in der Steuerbilanz muss in den Folgejahren einen geringeren Handelsbilanz- als Steuerbilanzgewinn nach sich ziehen und umgekehrt. Aufgrund des Massgeblichkeits- prinzips der Handelsbilanz für die Steuerbilanz wird eine Steuerabgrenzung nur notwendig, wenn infolge spezieller steuerlicher Vorschriften der Massgeblichkeitsgrundsatz durchbrochen wird oder die Massgeblichkeit vom Steuerrecht ausdrücklich nicht verlangt wird. Beispiele, bei denen eine Steuerabgrenzung notwendig bzw. möglich wird, sind die Bildung einer Preissteigerungsrücklage in Wirtschaftsjahren, die vor dem 1.1. 1990 endeten (Bildung in der Steuerbilanz unabhängig von der Handelsbilanz), die Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen (sofortige Betriebsausgaben in der Steuerbilanz) und steuerlich nicht zulässige Aufwandsrückstellungen. Passive latente Steuern sind in der Bilanz oder im Anhang gesondert anzugeben. Aktive latente Steuern erfordern einen gesonderten Ausweis in der Bilanz und sind im Anhang zu erläutern. Fallen beide Steuerabgrenzungen gleichzeitig an, so verlangt das Gesetz - entgegen dem Bruttoprinzip — eine Saldierung. Darüber hinaus besteht für aktive latente Steuern insoweit eine Ausschüttungssperre, als Ausschüttungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn die verbleibenden Gewinnrücklagen einschliesslich des Gewinn- bzw. Verlustvortrags noch mindestens einen Betrag in Höhe der aktiven Steuerabgrenzung aufweisen. Latente Steuern können auch im Konzernabschluss auftreten, weil sich der ausgewiesene Steueraufwand an den Einzelabschlüssen und nicht am Konzernergebnis orientiert. Latente Steuern treten deshalb zum einen indirekt durch Übernahme der latenten Steuern aus dem Einzelabschluss, zum anderen aber auch direkt durch Massnahmen im Rahmen der Konzernabschlusserstellung auf. Hierbei ergeben sich zeitlich begrenzte Differenzen durch Angleichung der Einzelabschlüsse an konzerneinheitliche Ansatz- und Bewertungsregeln, durch die Währungsumrechnung sowie durch Konsolidierungsmassnahmen (z.B. Zwischenerfolgseliminierung). Ergebnisunterschiede, die aus der Vereinheitlichung der Einzelabschlüsse im Rahmen der Erstellung der Handelsbilanz II resultieren, unterliegen der Regelung des §274 HGB, während für solche Ergebnisunterschiede, die auf Konsolidierungsmassnahmen beruhen, die Vorschrift des § 306 HGB massgeblich ist. Literatur: Schneider, E., Einführung in die Wirtschaftstheorie, 2. Teil, 13. Aufl., Tübingen 1972.
Latente Steuern dürfen bei Kapitalgesellschaften gemäß § 274 HGB zum Zwecke der Steuerabgrenzung grundsätzlich nur auf die Unterschiedsbeträge zwischen dem handelsrechtlichen Ergebnis und dem steuerpflichtigen Einkommen, die sich in späteren Jahren voraussichtlich wieder ausgleichen, gebildet werden. Ist der dem Geschäftsjahr und früheren Geschäftsjahren zuzurechnende Steueraufwand zu niedrig (zu hoch), weil der nach den steuerrechtlichen Vorschriften zu versteuernde Gewinn niedriger (höher) als das handelsrechtliche Ergebnis ist, so ist (darf) in Höhe der voraussichtlichen Steuerbelastung (Steuerentlastung) eine Rückstellung (ein Abgrenzungsposten als Bilanzierungshilfe) auf der Aktivseite (Passivseite) in der Bilanz zu bilden oder im Anhang gesondert anzugeben (in der Bilanz gebildet werden; dieser Posten ist gesondert auszuweisen und im Anhang zu erläutern).
a) Im Einzelabschluß (Jahresabschluß): Latente Steuern sind keine besondere Steuerart, sondern lediglich ein Posten zur Periodenabgrenzung des Steueraufwandes. Sie entstehen, da der Steueraufwand nicht auf der Basis des handelsrechtlichen, sondern aufgrund des modifizierten Gewinnes der Steuerbilanz (SB) bestimmt wird. Die Differenz zwischen diesem tatsächlichen Steueraufwand einer Periode und dem fiktiven Steueraufwand, der sich bei einer Besteuerung des Ergebnisses der Handelsbilanz (HB) ergeben würde, ist die latente Steuer der Periode. Die latenten Steuern beruhen folglich auf Gewinndifferenzen zwischen HBund SB; sie entstehen nur, wenn diese Gewinndifferenzen zeitlich begrenzt sind und sich in späteren Perioden umkehren. Ist aufgrund zeitlich begrenzter Gewinndifferenzen der SB-Gewinn größer (kleiner) als der HB-Gewinn, so ist der ausgewiesene Steueraufwand zu hoch (zu niedrig).
In der HB wäre eine aktive (passive) Abgrenzung erforderlich. Im Bilanzrichtlinie-Gesetz ist allerdings nur eine passive Abgrenzung vorgesehen. Zeitlich unbegrenzte Gewinnunterschiede zwischen HBund SB-Gewinn, die z. B. durch die Nichtab-zugsfähigkeit der VSt in der SB entstehen, haben keinen Einfluß auf den künftigen Steueraufwand und führen daher nicht zu latenten Steuern.
b) Im Konzernabschluß: Die in den Einzelabschlüssen ausgewiesenen latenten Steuern sind in den Konzernabschluß zu übernehmen. Bei der Aufstellung des Konzernabschlusses können zusätzliche latente Steuern entstehen, da durch erfolgswirksame Konsolidierungs-, Umbe-wertungs und Währungsumrechnungsvorgänge der Konzerngewinn bereinigt, der Steueraufwand aber unverändert aus den Einzelabschlüssen übernommen wird. Die zusätzlichen latenten Steuern im Konzernabschluß sind also die Differenz aus der Summe der in den Einzelabschlüssen ausgewiesenen Steueraufwendungen und dem fiktiven Steueraufwand, der sich bei einer Besteuerung des Konzernergebnisses ergeben würde.
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