Grundsatz, der besagt, daß der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft vermitteln muß. Ist das nicht der Fall, müssen weitere Angaben im Anhang gemacht werden, bis ein solches Bild vermittelt wird, § 264 Abs. 2 HGB.
Die Bezeichnungen True and Fair View und Fair Presentation werden meistens synonym verwendet. Sie sind dem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ähnlich, das in der Generalnorm des § 264 HGB verankert ist (F. 46). Durch die Anwendung der IAS und des Framework wird dem True-and- Fair-View-Prinzip im IAS-Abschluss entsprochen. Es wird als Ergebnis der Anwendung der Ansatz- und Bewertungsmethoden gesehen und grundsätzlich nicht als Overriding Principle verstanden.
Als True and fair view-Klausel wird die für Kapitalgesellschaften geltende Vorschrift des § 264 Abs. 2 HGB bezüglich der Transparenz des Jahresabschlusses als Wahrheitsgrundsatz verstanden. Danach hat der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln. Die Kapitalgesellschaft muß im Anhang zusätzliche Angaben dann machen, wenn besondere Umstände dazu führen, daß der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild nicht vermittelt. Die gleiche Regelung wie für den Einzelabschluß gilt gemäß § 297 Abs. 2 HGB auch für den Konzernabschluß.
Im Bilanzrichtlinien-Gesetz wurde die Formulierung "ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild" an den "true and fair view" des englischen Rechts angelehnt. Dieser Begriff wurde dort in der Gerichtspraxis entwickelt und erstmals in Section 149 § 1 Companies Act von 1948 gesetzlich festgeschrieben.
§ 149 des britischen Companies Act 1948 definiert die allgemeinen Anforderungen an Inhalt und Form von Jahresabschlüssen: »Every balance sheet of a Company shall give a true and fair view of the State of affairs of the Company as at the end of its finan-cial year, and every profit and loss account of a Company shall give a true and fair view of the profit or loss of the Company for the financial year« ($ 149 Abs. 1).
Die Vorschrift »true and fair view« ist seit mehr als 100 Jahren Bestandteil der britischen Rechnungslegung; nur selten wurde jedoch versucht, den Begriff zu definieren oder zu umschreiben. Erst im jüngsten Schrifttum wurden Inhalt und Bedeutung von »true and fair view« konkretisiert. Dabei zeigte sich, daß ein Jahresabschluß dann als »true and fair« angesehen werden kann, wenn er mit den »Grund sätzen ordnungsmäßigerBilanzierung«, d. h. allgemein anerkannten BilanzierungsGrund sätzen, übereinstimmt. Solange jedoch Grund sätze ordnungsmäßiger Bilanzierung erst entwickelt werden müssen (was in England z. Z. versucht wird) und damit noch nicht als allgemein anerkannt angesehen werden können, muß auch der Begriff »true and fair view« ein unbestimmter Fachausdruck bleiben. Nach britischer Auffassung ist die Forderung nach »true and fair view« von Jahresabschlüssen eine Generalklausel für die Rechnungslegung, die i. d. R. so interpretiert wird, daß in Einzelfällen sogar von gesetzlichen Vorschriften abgewichen bzw. Abweichungen vorgeschrieben werden können, wenn dadurch der »true and fair view« verbessert wird. Die Forderung nach »true and fair view« wurde in der englischen Fassung der4. EG-Richtlinie übernommen (Generalklausel des An. 2). In der ersten deutschen Fassung der4. EG-Richtlinie (Bilanzrichtlinie) wurde der Begriff mit »getreuer Einblick« (in die Vermögens-, Finanz und Ertragslage der Gesellschaft) übersetzt. Im geänderten Vorschlag wurde nach der abschließenden Sitzung der Sprachjuristen die Übersetzung »ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild« (der Vermögens-, Finanz und Ertragslage des Unternehmens) gewählt. Aus den vorliegenden Beratungsergebnissen der EG-Kommission ist deutlich geworden, daß die Generalklausel des Art. 2 der4. EG-Richtlinie keineswegs entsprechend der weiten britischen Auffassung von »true and fair view« zu interpretieren ist.
Siehe auch Generalklausel , fair presentation.
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