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Gesellschaftsformen, österreichische / Gesellschaft, österreichische (societas)


1. Gesellschaftsbegriff Das österreichische Recht definiert die Gesellschaft (societas) ganz allgemein als eine durch Rechtsge­schäft begründete Gemeinschaft zweier oder mehrerer Personen, deren Ziel es ist, durch organisiertes Zusammenwirken einen bestimmten Zweck zu erreichen (vgl § 1175 ABGB und § 1 öVerG 2002). a) Rechtsgeschäft Das Rechtsgeschäft, auf dem jede Gesellschaft basiert, ist der sog Gesellschaftsvertrag (bei der  AG und gelegentlich auch bei   GmbH und   Genossenschaft Satzung oder Statut genannt). Er schafft die rechtliche Verbindung zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gemeinschaft und bildet gleichzei­tig die organisatorische Grundlage (Verfassung) der Gesellschaft (Doppelnatur). Form und Inhalt des Gesellschaftsvertrags sind teils frei gestaltbar (etwa bei der  GesbR), teils zwingenden gesetzlichen Bestimmungen unterworfen (vor allem bei der  AG). b) Rechtsgemeinschaft Die einzelnen Teilhaber der Gesellschaft bilden eine Gemeinschaft, innerhalb der ihnen sowohl Rechte (Beteiligung an Vermögen und Gewinn der Gesellschaft) als auch Verpflichtungen (Beitrag zum Ge­sellschaftszweck, beschränkte oder unbeschränkte Haftung) gegenüber der Gesellschaft und ihren Mit­gliedern zukommen. Bestimmendes Element des Gesellschaftsverhältnisses neben der Beitragspflicht ist die gegenseitige Treuepflicht. Jeder Gesellschafter hat das gemeinsame Interesse über seine Eigenin­teressen zu stellen. c) Gesellschaftszweck Je nach Art der Gesellschaft kann diese mit ihrer Tätigkeit (sog Gegenstand der Gesellschaft) einen ideellen/gemeinnützigen (Verein) oder materiellen, also auf die Erzielung von Gewinn gerichteten Zweck (Führen eines Unternehmens, Kapitalsammlung, Kapitalanlage, Erlangen einer Steuerbegünsti­gung) verfolgen. d) organisiertes Zusammenwirken Erreicht wird dieser Zweck durch organisiertes Zusammenarbeiten der Gesellschafter (gemeinsames Wirken — affectio societatis). Die Verteilung der verschiedenen Aufgaben erfolgt im Gesellschaftsver­trag. Als Organisationsvertrag der Gemeinschaft regelt dieser die Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder, die Art und Weise der internen Willensbildung (Geschäftsführung) sowie die Vertretung der Gesellschaft nach aussen. Je nachdem, ob die Gesellschafter selbst die Geschäfte der Gemeinschaft leiten (müssen) oder Dritte dazu bestellen (können), spricht man von Selbstorganschaft oder Fremdor­ganschaft.
2. Mögliche Gesellschaftsformen nach österreichischem Recht a) Numerus Clausus Die Zahl der nach österreichischem Recht möglichen Gesellschaftsformen ist begrenzt. Nur die vom Gesetz vorgesehenen Arten von Gesellschaften stehen künftigen Gesellschaftern zur Verfügung (sog. numerus clausus der österreichischen Gesellschaftsformen). Diese Geschlossenheit ist jedoch insofern nicht problematisch, als mit der   GesbR eine sehr flexible Gesellschaftsstruktur zur Verfügung steht, der alle Gemeinschaften unterstellt werden können, die keinem anderen Typus entsprechen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bestehende Gesellschaftsformen in gewissem Umfang vertraglich aus­zugestalten oder atypisch abzuändern (Publikums-KG) bzw Grundtypen von Gesellschaftsformen zu mischen (GmbH & Co KG). b) Die österreichische Rechtsordnung kennt im Einzelnen folgende Gesellschaftsformen:
(1)  Gesellschaft bürgerlichen Rechts, österreichische;  GesbR (Grundform, §§ 1175 ff ABGB)
(2)  Offene Gesellschaft;   OG (§§ 105 ff öUGB); sie löst mit 1.1.2007 die  Offene Handelsge­sellschaft, österreichische;   OHG (§§ 105 ff öHGB) ab,  Handelsrechtsreform, österreichi­sche
(3)   Kommanditgesellschaft, österreichische;   KG (§§ 161 ff öUGB; subsidiär OG-Recht)
(4)  stille Gesellschaft, österreichische;  stG (§§ 178ff öUGB)
(5)  Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung, österreichischen Ursprungs;  EWIV (EWIV-VO, subsidiär öEWIVG, subsidiär OG-Recht)
(6)  Gesellschaft mit beschränkter Haftung, österreichische;   GmbH (öGmbHG, subsidiär §§ 1176 ff ABGB)
(7)  Aktiengesellschaft, österreichische;   AG (öAktG, subsidiär §§ 1176 ff ABGB)
(8)  Europäische (Aktien-)GesellschaftSocietas Europaea, österreichischen Ursprungs;  SE (SE-VO, subsidiär öSEG, subsidiär öAktG)
(9)   Genossenschaft/   Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft (öGenG, öGenRevG 1997, öGenKonkVO) (10)   Europäische Genossenschaft/  Societas Cooperativa Europaea, österreichischen Ursprungs;   SCE (SCE-VO, subsidiär öSCEG, subsidiär öGenG); Gründungen ab 18.08.2006 möglich  Verein, österreichischer (öVerG 2002) (11)  Sparkassenverein, österreichischer (§§ 4 ff öSpG) (12)  Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit;   VVaG (§§ 26 ff öVAG mit Verweisen auf AG-Recht und §§ 62 ff öVAG) (13)  Offene Erwerbsgesellschaft;  OEG (§ 1 Z 1 öEGG, §§ 2 ff öEGG, subsidiär OHG-Recht, vgl § 4 Abs 1 öEGG); ab 1.1.2007 keine Neugründungen mehr möglich,  Handelsrechtsreform, österreichische (14) Kommanditerwerbsgesellschaft;   KEG (§ 1 Z 2 öEGG, §§ 2 ff öEGG, subsidiär KG-Recht, vgl § 4 Abs 1 öEGG); ab 1.1.2007 kein Neugründungen mehr möglich,  Handelsrechtsreform, österreichische c) Einteilung der Gesellschaften Die Gesellschaftsformen des österreichischen Rechts können nach verschiedenen Gesichtspunkten un­terschieden werden. Die Differenzierung in Personen- und Kapitalgesellschaften ist die am häufigsten gewählte Form der Einteilung. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, inwieweit die Gesellschaf­ter in das Gesellschaftsgeschehen einbezogen sind: So gestalten die Mitglieder von   Personengesell­schaften die Tätigkeit der Gemeinschaft aktiv mit. Sie leisten im Regelfall nicht nur Kapital, sondern erbringen ebenso Arbeitsleistungen für die Gesellschaft („Mühe”, „Arbeit”, §§ 1175, 1183, 1187, 1192 ABGB). Auch Geschäftsführung und Vertretung liegen in ihrer Hand (Selbstorganschaft). Im Gegen­zug haben alle Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen. Sie haften für diese unbeschränkt, dh auch mit ihrem Privatvermögen. Für  Personengesellschaften gilt das Prinzip der geschlossenen Mitgliedschaft. Die Gesellschafterstellung ist in der Regel eng an die Person der Gründer geknüpft und nach den Regelungen des öUGB grundsätzlich nicht übertragbar oder vererblich. Das Recht der Personengesellschaften ist jedoch überwiegend dispositiv, sodass im Gesellschafts­vertrag anderes vereinbart werden kann. Die Mehrheit der   Personengesellschaften sieht die Mög­lichkeit eines Gesellschafterwechsels vor. Während die   GmbH in mancher Hinsicht die Züge einer   Personengesellschaft trägt, ist die   AG der Prototyp einer   Kapitalgesellschaft. Sie hat eine grosse Zahl anonymer Teilhaber, die allesamt keine aktive Rolle im Gesellschaftsleben spielen, sondern deren Beitrag sich in der Leistung der Kapi­taleinlage erschöpft. Die Aufgaben der Vertretung und Geschäftsführung der Gesellschaft werden Drit­ten überlassen (Möglichkeit der Fremdorganschaft). Auch den Gläubigern der Gesellschaft haften die Gesellschafter grundsätzlich nicht. Kreditbasis ist allein das Gesellschaftsvermögen. Der geringen persönlichen Bindung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft entsprechend ist auch die Mitgliedschaft offen ausgestaltet. Sie kann ohne Zustimmung der übrigen Teilhaber übertragen werden. Das Recht der  Kapitalgesellschaft ist weitgehend zwingend. Vor allem die detaillierten Vorschriften zur Innenor­ganisation der Gesellschaft können nur geringfügig verändert werden. Zu den   Personengesellschaften gehören  GesbR,   OG,   KG,   stG und  EWN.  GmbH,  AG und  SE sind   Kapitalgesellschaften. Auf die übrigen Körperschaften (Verein,  Ge­nossenschaft) wird das Begriffspaar nicht angewendet.
3. Kriterien für die Wahl der geeigneten Gesellschaftsform Bei der Wahl des für das eigene Vorhaben geeigneten österreichischen Gesellschaftstyps ist auf ver­schiedene Faktoren Bedacht zu nehmen: So stehen nicht alle Gesellschaften für jeden Gesellschafts­zweck offen. Von der veranschlagten Zahl an Gesellschaftern genauso wie vom für Gesellschafter vor­gesehenen Umfang an Mitspracherechten und der Menge an benötigtem Kapital wiederum wird ab­hängen, ob man sich für eine personalistisch ausgeprägte Gesellschaft oder eine kapitalistisch aufge­baute Form entscheidet. Daneben sind die gewünschte Haftungssituation der Gesellschafter (be­schränkt oder unbeschränkt) und die unterschiedliche steuerliche Belastung der einzelnen Gesell­schaftsformen mit zu berücksichtigen. Während  Personengesellschaften selbst keine Steuersubjekte sind und ihre Gewinne deshalb nur bei den Gesellschaftern als Mituntemehmern besteuert werden (Einkommenssteuer, je nach Tätigkeit der Gesellschaft handelt es sich um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, § 21 Abs 2 Z 2 öEStG, selbständiger Arbeit, § 22 Z 3 öEStG oder Gewerbebetrieb, § 23 Z 2 öEStG), sind die Gewinne juristischer Personen doppelt belastet. Sie unterliegen neben der Kör­perschaftssteuer (Einkommenssteuer der Körperschaften, § 1 öKStG) auch noch der Einkommensteuer (Einkünfte aus Kapitalvermögen, § 27 öEStG) der Gesellschafter (Doppelbesteuerung).
4. Wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Gesellschaftsformen in Österreich Die beliebteste österreichische Gesellschaftsform Österreichs ist die  GmbH. Zum Stichtag 1.7.2006 gehörten 104.466 der insgesamt 175.931 im Firmenbuch eingetragenen Rechtsträger dieser Form an. Einen enormen Aufschwung hat auch die  KEG erlebt. Sie zählte Anfang Juli 2006 28.121 Stück. In beiden Fällen war dafür sicherlich in erster Linie die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung verant­wortlich. Auch die wirtschaftliche Bedeutung der   AG ist in Österreich gross, zahlenmässig bleibt sie jedoch traditionell gering (2.018 Eintragungen). Die Anzahl der  OHG war in den letzten Jahren stark rücklaufig, mit Erweiterung ihres Gesellschaftsgegenstands in Form der neuen  OG durch das öUGB wird sich das aller Voraussicht nach ändern. Zahlreiche österreichische Unternehmen aber sind überhaupt nicht in Gesellschaftsform organisiert, sondern agieren als kleine   Einzelunternehmen (derzeit
8. 222 Registrierungen).

Literatur: Dehn, Wilma, UGB. Das neue Unternehmensgesetzbuch, Manz Verlag (2006); Dehn/Krejci (Hrsg), Das neue UGB. SWK-Sonderheft, Linde Verlag (2005); Doralt, Werner, Steuerrecht 2006, 7. Auflage, Manz Verlag (2006); Geymayer, RalfITröthan, Nikola, Die optimale Rechtsform. Unternehmensgrün­dung nach dem UGB, Verlag LexisNexis ARD Orac (2006); Jahn, Harald (Hrsg), GesRZ-Sonderheft —Rechtsformgestaltung. Kriterien zur Wahl der optimalen Gesellschaftsform, Linde Verlag (2002); Krejci, Heinz, Gesellschaftsrecht, Band I: Allgemeiner Teil und Personengesellschaften. Band II: Kapi­talgesellschaften, Genossenschaften, Vereine, Privatstiftungen, Manz Verlag (2005/2006); Mader, Pe­ter, Kapitalgesellschaften, 5. Auflage, Orac-Rechtsskriptum, Verlag LexisNexis ARD Orac (2006); Nowotny, Georg, Gesellschaftsrecht, Verlag Österreich (2005); Schummer, Gerhard, Personengesell­schaften, 6. Auflage, Orac-Rechtsskriptum, Verlag LexisNexis ARD Orac (2006); Straube, Manfred (Hrsg), Fachwörterbuch zum Handels- und Gesellschaftsrecht, Manz Verlag (2005); Zeitschriften: Der Gesellschafter - GesRZ - Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Linde Verlag; ecolex, Manz Verlag; GeS aktuell - Zeitschrift für Gesellschafts- und Steuerrecht; für Beratungspraxis und Rechtsanwendung, Verlag Österreich; JBI — Juristische Blätter, Springer Verlag; ÖJZ — Österrei chische Juristenzeitung (mit EvBI), Manz Verlag; RdW — Recht der Wirtschaft, Verlag LexisNexis; wbl — Wirtschaftsrechtliche Blätter, Springer Verlag Internetadressen: Wirtschaftskammern Österreich — http://portal.wko.ati; Gründerservice der Wirt­schaftskammern Österreich — http://www.gruenderservice.net; Informationen für Unternehmen auf der Homepage der Republik Österreich — http://www.oesterreich.at/portal/unternehmen/; Wegweiser durch die österreichischen Ämter und Behörden — http://www.help.gv.at; Rechtsinformationssystem des Österreichischen Bundeskanzleramtes — http://ris.bka.gv.at  

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