In der einfachsten Form besagt diese Methode, die im Englischen als “management by exception” (MbE) bezeichnet wird, dass der dispositive Faktor — also die Tätigkeiten der Manager — erst dann wirksam wird, wenn in einem Arbeitsprozess Probleme auftreten. Probleme aber sind “Abweichungen vom Normalen”, d.h. die Ausnahmen (“exceptions”).
Mit Steuerung bezeichnet man entsprechend dem kybernetischen Modell den korrigierenden Eingriff eines Entscheiders in einen Prozess, sofern eine Zielabweichung außerhalb der Toleranzgrenzen festgestellt wird. Unter “Problemen” versteht man im allgemeinen die Zielabweichungen. In einem weiter gefaßten Verständnis bezieht sich die Methode des MbE auf besondere Prozesse und Funktionen, nämlich auf die kritischen Bereiche.
Zielsetzung des MbE ist es, die Kontroll- und Steuerungsaktivitäten des Managers zu reduzieren. Der Manager wird nur in Problemfällen aktiv. Er wird damit von Routinearbeiten entlastet, während andererseits die Mitarbeiter eine Selbststeuerung so lange ausführen, so lange die Aufgaben innerhalb der zuverlässigen Toleranzen sind.
Eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des MbE ist die Quantifizierung von Zielen (Arbeitsergebnissen) je Arbeitsprozess und die Bestimmung von Toleranzgrenzen (Plus/MinusAbweichungen).
Die für ein funktionsfähiges Management durch Ausnahmeregeln erforderlichen Meßkriterien lassen sich unterscheiden in:
· Branchenspezifische Kriterien, die über den Unternehmenserfolg innerhalb der Branche Auskunft geben wie z.B. Marktanteile, Kundenanzahl, Umsatzvolumen.
· Funktionale Kriterien, die sich auf die Messung der Leistung bestimmter Bereiche des Unternehmens beziehen wie z B. Beschaffung, Finanzen.
· Prozessuale Kriterien, die sich auf die quantifizierbaren Ergebnisse und Kenngrößen der Arbeitsprozesse beziehen wie z.B. Kostenanteil, Termine, Kapazitäten, Ausschußquoten, Verbrauchsziffern, Mitteleinsatz, Belastungsziffern.
· Persönliche Kriterien, die das Leistungsverhalten der Mitarbeiter meßbar machen wie z.B. Fluktuationsrate, Krankenstand, Ausstoss je Mitarbeiter, Umsatz je Mitarbeiter, Aufwand je Mitarbeiter etc.
Diese Kriterien führen zu einem System der betrieblichen Kennziffern, die als Meßgrößen für alle zu beobachtenden Prozesse und Aktionen des Unternehmens definiert werden.
Festgestellte Abweichungen führen zu Maßnahmen des Managements, und zwar zur:
· Abweichungsanalyse: Durch sie wird geklärt, ob systematische oder zufällige Abweichungen vorliegen, der Arbeitsprozess durch Beseitigung von Störfaktoren oder Fehlerquellen unmittelbar beeinflußt werden kann, durch eine Erhöhung des Mitteleinsatzes das Ziel erreicht werden kann, ob Störungen durch menschliches Versagen vorliegen, wie gross die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung ist und ob die gesetzten Ziele realistisch sind.
· Zielkorrektur: Führt das Ergebnis der Abweichungsanalyse zu der Erkenntnis, dass trotz der Prozeßbeeinflussung weiterhin mit Abweichungen zu rechnen ist, erfolgt eine Zielkorrektur.
Das Management durch Ausnahmeregeln macht also eine ständige und unmittelbare Rückkoppelung der Prozeßergebnisse an das Management erforderlich. Dies führt zur Notwendigkeit eines Berichtssystems, das den Manager ständig über die Ergebnisse informiert. Es muss aktuell sein, da bei verzögerter Rückmeldung der Abweichung die Maßnahmen u.U. die Prozesse zu spät beeinflussen, so dass Über- oder Untersteuerungen als Folge verspäteter Reaktionen auftreten. Um die Gefahr der Über- oder Untersteuerung zu reduzieren, kann das MbE auch für prognostische Zwecke eingesetzt werden: Ausgehend vom Soll-Ist-Vergleich wird gleichzeitig das neue Ist (faktische Informationen) in die Zukunft projiziert und damit ein Plan/Plan-Vergleich ermöglicht: Die ursprünglichen Planwerte werden mit den neuen Planwerten, die aufgrund der rückgemeldeten Informationen hochgerechnet wurden, verglichen. Damit wird verhindert, dass nur kurzfristig wirksame Störungen sofort zu Korrekturmaßnahmen führen. Erst die historische (vergangenheitsbezogene) und prognostische (planbezogene) Abweichungsanalyse führt zu steuernden Eingriffen.
Damit ergibt sich für das MbE eine prozessuale Folge mit den Aktivitäten:
· Festlegung der Sollgrößen (Zielwerte).
· Bestimmung der zulässigen Abweichungen (Toleranzen).
· Vereinbarung über die Rückmeldung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht (Berichtswesen).
· Abweichungsanalyse nach Überschreiten der Toleranzbereiche.
· Entscheidung über die Maßnahmen: Erhöhung des Inputs, Plankorrektur, Beeinflussung des Leistungsverhaltens der Mitarbeiter (Motivation).
· Abstellung der Störfaktoren.
Diese Aktivitäten entsprechen prinzipiell einem kybernetischen Regelkreismodell.
Das MbE führt bei normal verlaufenden Prozessen zur Reduzierung der Kontrollaktivitäten, zur Entlastung des Managements und zu einer auf die konkreten Probleme bezogene Aktionsplanung. Darüber hinaus kann eine höhere Arbeitszufriedenheit erzielt werden, da innerhalb der gegebenen Toleranzgrenzen eine weitgehende Selbststeuerung der Mitarbeiter möglich ist.
Prozesse, die intellektuelle Fähigkeiten erfordern, lassen sich nur umständlich in das System des MbE eingliedern. Das MbE führt zu einem intensiven Berichtssystem (Aufbereitung historischer Werte, aktueller Größen und neuer Planwerte). Da ein Prozess immer möglichst schnell stabilisiert werden muss, führt dies bei der Vielzahl der zu analysierenden Tatbestände zu relativ hoher Hektik und zu Streßsymptomen. Hektik und nicht abgestimmte Berichtszyklen und Berichtsinhalte führen sehr leicht zur Obersteuerung mit der Folge, dass erneute Fehler und Abweichungen auftreten.
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