Bezeichnung für die potentielle oder tatsächliche Kooperation von gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen: Rüstungsindustrie, Teile der Legislative und der Exekutive; Teil des Wissenschaftssystems (Militärökonomik) auf dem Gebiet von Rüstungsentwicklung und -beschaffung, Rüstungshandel und -exporten; aufgekommen in den USA in den späten 50er Jahren. Weil es sich dabei um ein politisch heikles Gebiet handelt, weil ferner enorme Summen im Spiel sind, und schliesslich wegen der gesamtgesellschaftlichen und -wirtschaftlichen Bedeutung von Rüstung in modernen Gesellschaften erscheint eine solche Kooperation, zumal wenn sie die herkömmlichen Mechanismen politischer Kontrolle unterläuft, als potentiell unheilvoll für eine demokratische Gesellschaft, jedenfalls aus radikaldemokratischer Sicht. Diese normative Einfärbung des Begriffs hat ihn rasch zu einem politischen Kampfbegriff werden lassen. Ein Überblick über die vor allem in den 60er und frühen 70er Jahren erschienene Literatur hierüber zeigt, dass der Begriff analytisch untauglich ist. Prominent geworden ist zeitweise auch die marxistisch-lenistische Begriffsvariante, wonach sich in kapitalistischen Ländern als Folge gewaltiger Konzentrationsprozesse von Rü- stungskäpital eine Herrschaftsclique herausgebildet hat, welche die Schlüsselpositionen der Volkswirtschaft beherrscht und den Staat zu einer kriegerischen Politik drängt. Der enorme Rüstungsverbund in Ländern der ehem. Sowjetunion fällt selbstverständlich aus dem Netz dieser Begriffsvariante völlig heraus. Empirische Untersuchungen zum militärisch-industriellen Komplex gibt es nur wenige, sieht man von der oft faktenreichen, indes einseitigen Enthüllungsliteratur einmal ab. In Studien wie denjenigen von Seymour Melman oder Dieter Senghaas wird allerdings deutlich, dass Rüstungsproduktion, Rüstungstechnologie und Rüstungshandel (Rü- stungsgüterexport) aus mehreren Gründen zu einem immer wichtigeren Bestandteil der Gesamtwirtschaft geworden sind, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Zur Erklärung dieses Tatbestandes gibt es bislang wenig schlüssige Ansätze. Die Konstruktion eines als Akteur begriffenen dämonischen "Komplexes" hat diese notwendige Analyse eher erschwert. Literatur: v. Bredow, W., Militärisch-Industrieller Komplex, in: Kirchhoff, G. (Hrsg.), Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik, Regensburg 1986, S. 529 ff.
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