Mitte der 80er Jahre erlebte der Gedanke einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWU)eine Renaissance. Vertraglich verankert wurde das Ziel einer schrittweisen Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion in der Einheitlichen Europäischen Akte, die am 1.7.1987 in Kraft trat. Im darauffolgenden Jahr beauftragte der Europäische Rat eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz von Kommissionspräsident Jacques Delors, konkrete Schritte zur Umsetzung dieser Union zu prüfen. Auf der Grundlage des erstellten Berichts (Delors-Bericht), der das Erreichen einer Wirtschafts- und Währungsunion in 3 Stufen vorsah, beschloß der Europäische Rat im Juni 1989, die erste Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1.7.1990 zu beginnen.
Europäische Währungsunion
am 12.4.1989 vorgelegte Studie des »Ausschusses zur Prüfung der Wirtschaftsund Währungsunion«, der durch den Europäischen Rat auf der Tagung in Hannover vom 27./28.6.1988 eingesetzt worden war. Die Arbeitsgruppe umfaßte 17 ad personam eingeladene Persönlichkeiten, darunter den Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques DELORS als Vorsitzenden, ein zusätzliches Mitglied der Kommission sowie die Präsidenten der seinerzeit zwölf EG-Zentralbanken, den Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und zwei weitere Sachverständige.
Der Auftrag entsprang der Neubelebung des europäischen Intergrationsprozesses, die Mitte der 80er Jahre zur Einheitlichen Europäischen Akte, zum Binnenmarktprogramm und zu Vorschlägen für eine Europäische Zentralbank (z.B. BALLADUR-Memorandum 1987, GENSCHER-Memorandum 1988) geführt hatte. Der Bericht sollte die Entschließung des Europäischen Rats in Madrid vom 26./ 27.6.1989 vorbereiten, mit der tatsächlich die entscheidende Weichenstellung in Richtung auf die Europäische Währungsunion erfolgte. Er befruchtete die ab Dezember 1990 parallel tagenden Regierungskonferenzen zur Politischen Union und zur - Wirtschafts- und Währungsunion und stand mit seinen Überlegungen daher auch Pate bei dem am 7.2.1992 unterzeichneten Vertrag von Maastricht. Die Arbeitsgruppe knüpfte an die Konzeption des -p WERNER-Berichts von 1970 an und nannte, wie dieser, drei notwendige Bedingungen einer Währungsunion: a) volle und unwiderrufliche Konvertibilität der - Währungen, b) vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs sowie der Bank- und Finanzmärkte, c) unwiderruflich feste Paritäten der Wechselkurse ohne Bandbreiten. Zur Verwirklichung der Währungsunion wurde ein Stufenplan vorgeschlagen. Die erste Stufe sollte am 1.7.1990 parallel zu der als Schlußstein des Europäischen Binnenmarktprogramms gedachten Umsetzung der Richtlinie zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs beginnen und die Koordinierung der Wirtschafts- und Währungspolitik einleiten. Die zweite Stufe sollte die wirtschaftliche und rechtliche Konvergenz herbeiführen und dem Aufbau der geldpolitischen Institutionen dienen, so dass sie mit der dritten Stufe ihre Arbeit aufzunehmen vermochten. Als Form der gemeinsamen Währung präferierte die Arbeitsgruppe »aus politischen und psychologischen Gründen« eine einheitliche Währung statt einer Wechselkursunion, und sie befürwortete die Steuerung dieser Währung durch ein Europäisches System der Zentralbanken mit föderativer Struktur. Der DELORS-Bericht konnte von der für 1.1.1993 vorgesehenen Verwirklichung des Europäischen Binnenmarkts ausgehen, wogegen der WERNER-Bericht lediglich auf die Zollunion und den Gemeinsamen Agrarmarkt bauen konnte. Der Integrationsanspruch des DELORSBerichts war gleichwohl bescheidener als der des WERNER-Berichts, der u.a. auch eine institutionell verankerte gemeinsame Wirtschaftspolitik (decision-making centre at the Community level) für notwendig erachtete, während der DELORS-Bericht sich mit bindenden »Regeln und Verfahren der Gemeinschaft im makroökonomischen und budgetären Bereich« zufrieden gab. Andererseits ging die Empfehlung des DELORS-Berichts für die Währungsunion weit über das Konzept des Europäischen Wechselkurssystems (EWS) von 1979 hinaus, das sich mit einer Zone der Stabilität begnügte und zur Erreichung dieses Zieles einer Koordination der Wirtschafts- und Währungspolitik Vorrang vor einer Wechselkursstabilisierung einräumte, mit der Einschränkung allerdings, dass anpassungsfähige nominale Wechselkurse lediglich als Ventil für Spannungen aufgrund von Koordinierungs- und Konergenzdefiziten dienen sollten. Der integrationspolitische Monetarismus, der die Wirtschafts- und Währungsunion durch einen Vorlauf der monetären Integration beschleunigen wollte, hatte mit dem DELORS-Bericht gegenüber der Auffassung, dass eine Währungsunion nur als »Krönung« der Wirtschaftsunion lebensfähig sei, endgültig Oberhand gewonnen. Die politisch-instutionelle Integration in Gestalt des erstmals detailliert beschriebenen, unabhängigen Europäischen Systems der Zentralbanken war als Garant für die »Geldpolitik der Gemeinschaft« gedacht; die nationalen Geldpolitiken hatten sich in der Vergangenheit, selbst im EWS, einer Koordinierung wenig gefügig gezeigt. Das intendierte System wies starke Affinität zur Verfassung der Deutschen Bundesbank auf. Deshalb war mit geringerem deutschen Widerstand gegen eine Übertragung von Währungssouveränität auf internationale Einrichtungen zu rechnen. Und generell kam die neue Verfassung dem Interesse von Geldpolitikern entgegen, wie sie in der Arbeitsgruppe dominierten: Sie hatten Aussicht, wenngleich unter Konzentration auf eine europäische Bürokratie zu Lasten nationaler Zentralbanken, mehr Unabhängigkeit und Einfluss zu gewinnen.
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