Führungsprozesse und Führungssysteme kennzeichnen verschiedene Betrachtungsweisen der Unternehmensführung, wobei der Führungsprozess den funktionalen Aspekt im Gegensatz zum institutioneilen Aspekt des Führungssystems darstellt. In der Literatur wird darüber hinaus zwischen Managementprozess und Führungsprozess unterschieden, obwohl beide Begriffe auch synonym verwendet werden. Der Managementprozess umfasst die Managementfunktionen (Planung, Entscheidung, Organisation, Kontrolle) und beinhaltet damit den sachlich-materiellen Aspekt der Leitungstätigkeit in der Unternehmung. Der Führungsprozess hingegen konzentriert sich i. d. R. auf den verhaltensbezogen-personellen Aspekt von Steuerungs- und Gestaltungsmassnahmen. Diese duale Sichtweise darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Realität eine enge Verflechtung sach- und personenbezogener Führungsbestandteile anzutreffen ist. Führung als Prozess ist somit die zielorientierte direkte oder indirekte Verhaltensbeeinflussung der Geführten durch den Führenden. Zwar ist dieser Prozess asymmetrisch, da er vom Führenden ausgeht und die Möglichkeiten der Einflussnahme von seiten der Geführten nur gering sind, aber die Beziehungen zwischen den beiden Parteien sind wechselseitig. Da die Leitungs-(Führungs)spanne einer einzelnen Person beschränkt ist, vollzieht sich die Tätigkeit der Unternehmensführung nicht als punktuelle Handlung einzelner Personen, sondern ist als multipersonaler, arbeitsteiliger Prozess zu charakterisieren. Hierbei sind auf jeder Stufe Entscheidungen zu fällen. Die weitere Unterteilung des Führungsprozesses lässt sich wie folgt vornehmen: • Willensbildung, • Willensdurchsetzung, • Willenssicherung. (1) Die Willensbildung besteht aus der Zielsetzung und Bestimmung der zur Erreichung dieser Ziele zu ergreifenden Massnahmen. Die Zielplanung und -entscheidung im Rahmen der Willensbildung ist von erheblicher Bedeutung für den gesamten Führungsprozess, da Ziele als Orientierungsmarken jedweden Verhaltens unabdingbar sind und somit zentrale Grössen des unternehmerischen Steuerungsprozesses darstellen ( Zielbildungsprozess). Für die Unternehmensführung sind sowohl quantitative, insb. monetäre Ziele (z.B. Gewinn, Umsatz) als auch qualitative Ziele (z.B. Steigerung der Arbeitszufriedenheit und der Leistungsmotivation; Steigerung der Produktqualität) von Bedeutung. Da i.d.R. mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden, die zudem interdependente Wirkungen untereinander aufweisen können, ist eine Ordnung mittels Zielsystemen bzw. Zielhierarchien erforderlich. Hierbei sind nach Möglichkeit Zielantinomien und -konflikte zu vermeiden oder zu beseitigen. Auf die Zielsetzung folgt die Ermittlung der Problemstellung, d.h. die Feststellung einer Abweichung zwischen vorgegebenen Sollzuständen bzw. Zielen und den aktuellen unbefriedigenden Istzuständen (Zielerreichungs- graden). Sodann werden Lösungsvorschläge bzw. Handlungsalternativen zur Beseitigung des Problems entwickelt. Dabei soll zunächst eine möglichst grosse Zahl von Lösungsideen erarbeitet werden, da man noch keine Aussagen über die Qualität der Ideen trifft. Die Bewertung der einzelnen Lösungsmöglichkeiten geschieht erst im Anschluss daran. Die Phase der Willensbildung wird durch die Auswahl der am besten bewerteten Handlungsalternative und die Erklärung der Vollzugsverbindlichkeit beendet. Während die Willensbildung im Hinblick auf die Managementfunktionen in sachlichmaterieller Sicht den ersten beiden Stufen des Managementprozesses (Planung und Entscheidung) entspricht, untersucht der Führungsprozess den verhaltensbezogen-personellen Aspekt, d.h. wie die oben genannten Teilschritte durch Einbeziehung von Führenden und Geführten in Form der Willensbildung erfolgen und welche personalen Verhaltensursachen (Motive, Anreize, Erwartungen und Fähigkeiten) in welcher Weise und unter welchen Bedingungen auf den Planungs- und Entscheidungsprozess einwirken. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der Verhaltensintentionen der Mitarbeiter. (2) Im Anschluss an die Entscheidung für eine Alternative erfolgt die Willensdurchsetzung, d.h. die Veranlassung der Durchführung des gewählten Handlungsvorschlages. Sie bildet den Kern des Führungsprozesses, weil hierdurch die direkte, zielgerichtete Beeinflussung der Verhaltensakte erfolgt. Teilschritte sind die Umsetzung des Entscheidungsergebnisses, d.h. des Lösungsvorschlages, in operationale Zielvorgaben und die Weiterleitung der Entscheidung an die ausführenden Organe. Die Willensdurchsetzung entspricht in sachlichmaterieller Hinsicht Teilen der Managementfunktion Organisation. Beide sind auf das jeweilige Bezugsobjekt der Führung gerichtet, das daraufhin die Realisation bewirken soll. (3) Die Willenssicherung beinhaltet die Prüfung der Ergebnisse durch eine kontinuierliche Überwachung des gesamten Führungsprozesses und ein evtl. korrigierendes Einwirken auf künftige Prozesse. Ihr Pendant im Rahmen der Managementfunktionen findet die Willenssicherung in der Kontrolltätigkeit der Unternehmung. Willenssicherung und Willensdurchsetzung sind in engem Zusammenhang zu sehen. In Abhängigkeit von der Ausgestaltung der Willensdurchsetzung (z.B. Befehl oder Überzeugung) bieten sich adäquate Massnahmen der Willenssicherung (z.B. Fremdkontrolle oder Selbstkontrolle) mit unterschiedlichen Motivationswirkungen an. Die Willenssicherung bildet einerseits den logischen Abschluss jedes Führungsprozesses, andererseits kann sie bei wesentlichen Soll-Ist- Diskrepanzen einen neuen Führungsprozess einleiten. Die Beschreibung des Führungsprozesses mit Hilfe der genannten Phasen bedeutet keine logisch zwingende Abfolge einzelner Stufen. Vielmehr handelt es sich um ein zyklisches Voranschreiten, wobei sowohl Rückläufe in geeignet erscheinende Vorstufen als auch das Überspringen von Stufen möglich ist. Literatur: Meinen, E., Betriebswirtschaftliche Führungslehre, 2. Aufl., Wiesbaden 1984. Staehle, W, Management, 6. Aufl., München 1991.
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