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konjunkturneutraler Haushalt

ehemaliges Konzept des – Sachverständigenrates zur Quantifizierung der vom öffentlichen – Budget ausgehenden konjunkturellen Impulse. Ein öffentlicher – Haushalt ist danach konjunkturneutral, wenn von ihm – bezogen auf ein fiktives Basisjahr – für sich genommen keine Abweichungen des – Auslastungsgrades des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzials bewirkt werden. Ausgehend von diesem Konzept ermittelt der Sachverständigenrat einen konjunkturellen Impuls der öffentlichen Haushalte aus der Differenz zwischen dem tatsächlichen Budget und dem konjunkturneutralen Haushalt. Letzterer wird mit Hilfe dreier Kriterien bestimmt:
1. den konjunkturneutralen Staatsausgaben,
2. den Veränderungen des Ausgabenspielraums infolge steuerlicher Maßnahmen und
3. den sonstigen Einnahmen, insbesondere der konjunkturneutralen Kreditaufnahme (Kredit).

1967 vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorgeschlagenes und seither angewandtes Budgetkonzept, bei dem die konjunkturellen Effekte eines öffentlichen Haushalts an seinen Abweichungen vom sog. konjunkturneutralen Haushalt gemessen werden. Als konjunkturneutral wird dabei ein Haushalt bezeichnet, der im Vergleich zu einem - als konjunkturelle Normallage angesehenen - Basiszeitraum den Auslastungsgrad des Produktionspotentials nicht verändert. konjunkturneutraler HaushaltDemnach können die konjunkturneutralen Staatsausgaben und -einnahmen berechnet werden, indem sie ausgehend vom Basisjahr mit der gleichen Wachstumsrate fortgeschrieben werden, mit der sich das Produktionspotential entwickelt hat. Dadurch ist gewährleistet, dass die in der konjunkturellen Normalsituation realisierten Staatsausgaben- und -einnahmenquoten konstant bleiben. Durch einen Vergleich der tatsächlichen Ausgaben und Einnahmen mit den so ermittelten konjunkturneutralen können die konjunkturellen Impulse berechnet werden, die von jeder der beiden Budgetseiten und damit vom Saldo ausgehen. Das Konzept des konjunkturneutralen Haushalts ist in der Literatur umstritten. Während allgemein akzeptiert wird, dass mit ihm eine Aussage über die konjunkturellen Effekte eines realisierten Budgets im Vergleich zum Basiszeitraum möglich ist und insoweit eine gewisse Massstabsfunktion erfüllt wird, bezieht sich die Kritik vor allem auf die recht willkürliche Auswahl des Basiszeitraumes, auf die nicht befriedigende Berücksichtigung von Preisniveausteigerungen, auf die Vernachlässigung von unterschiedlichen Budgetstrukturen und damit unterschiedlichen Multiplikatorwirkungen sowie auf die fehlende Aussage, ob die ermittelten konjunkturellen Impulse der jeweiligen Konjunktur läge angemessen sind oder nicht. Die beiden letzten Kritikpunkte hat man zu berücksichtigen versucht, indem der konjunkturneutrale zu einem Konzept des konjunkturgerechten Haushalts weiterentwickelt wurde.       Literatur: Hesse, H., Theoretische Grundlagen der "Fiscal Policy", München 1983, S. 189 ff.

vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) bis zum Jahresgutachten 1993/94 verwendeter Begriff. Er bezeichnetete zum einen das Budgetkonzept, mit dem im Diagnose- und im EmpfehlungsKapitel der Jahresgutachten (JG) und Sondergutachten (SG) die konjunkturellen Anstoßwirkungen der Finanzpolitik gemessen und bewertet wurden. Zum andern bezeichnete er jene im Rahmen dieses Budgetkonzeptes operationalisierte Vergleichsgröße (genauer: das konjunkturneutrale Haushaltsvolumen), die in dem Sinne als konjunkturneutral angesehen wird, dass von ihr keine Anstoßwirkungen auf ein normal ausgelastetes Produktionspotential ausgingen. Erstmals im JG 1968 vorgestellt, entstand das Konzept vor dem Hintergrund der nachfrageseitig orientierten Globalsteuerung und als Alternative zu anderen Budgetkonzepten, etwa dem tatsächlichen Budgetsaldo oder dem Vollbeschäftigungsbudget des US-Council of Economic Advisors. Auch nach der Hinwendung des SVR zu einer auf das Angebot gerichteten wirtschaftspolitischen Strategie blieb das Konzept nicht nur die Grundlage für seine konjunkturelle Beurteilung der Finanzpolitik, sondern wurde auch für die Beurteilung des mittelfristigen Konsolidierungsbedarfs herangezogen (erstmals im JG 1975). Das Budgetmass des konjunkturellen Impulses (KI), das zur Beurteilung der konjunkturellen Anstoßwirkungen diente, war definiert als Differenz aus tatsächlicher Budgetgröße und einer konjunkturneutralen Budgetgröße. Zwei im Ergebnis übereinstimmende     Berechnungsmethoden wurden angewendet: zum einen die Differenz aus tatsächlichem Budgetvolumen (konsolidierte Staatsausgaben der Gebietskörperschaften, abgegrenzt nach Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung) und konjunkturneutralem Haushaltsvolumen und zum andern die Differenz aus tatsächlichem Haushaltssaldo der Gebietskörperschaften und konjunkturneutralem Finanzierungssaldo. Die Größer-, Gleich- oder Kleiner-Beziehung wurde als expansive, konjunkturneutrale oder kontraktive Wirkung angesehen. Den konjunkturneutralen Budgetgrößen fiel die entscheidende Rolle des vergleichenden Maßstabs zu. Das konjunkturneutrale Haushaltsvolumen wurde ermittelt aus konjunkturneutralen Ausgaben, korrigiert um konjunkturell beeinflußte Steuer- und sonstige Einnahme; die konjunkturneutralen Ausgaben wurden als jener Anteil am aktuellen Produktionspotential errechnet, der durch den Staatsanteil einer als konjunkturneutral angesehenen Basisperiode (zuletzt 1985) definiert wurde. Dieses Vorgehen fußte auf der sog. Gewöhnungsthese, die besagte, dass die Bürger ihre wirtschaftlichen Aktivitäten an die genannte Staatsquote angepaßt haben. Die Ermittlung des konjunkturneutralen Finanzierungssaldos, auch Normalverschuldung genannt, ging von einer potentialorientierten Kreditaufnahme aus, die um auslastungsbedingte und inflationsbedingte Steuermehr-/mindereinnahmen venmnderderhöht und durch anomal hohe (d.h. mehr als 4% der Zentralbankgeldmenge gemäss Abgrenzung des SVR) Bundesbankgewinnabführungen vermindert wurde. Die potentialorientierte Kreditaufnahme errechnete sich aus der Kreditfinanzierungsquote des Basisjahres (1985 1,5%) am aktuellen Produktionspotential. Die Ermittlungsmethode mit dem konjunkturneutralen Finanzierungssaldo lieferte die Grundlage, das Budgetkonzept auch zur Analyse eines mittelfristigen Konsolidierungsbedarfs zu nutzen, indem das Budgetmass des strukturellen Defizits ermittelt wurde. Eine Beurteilung des Konsolidierungsbedarfs verlangte zu berücksichtigen, inwieweit sich ein Teil des konjunkturellen Impulses im Konjunkturverlauf autokonsolidiert. Daher ergab sich das strukturelle Defizit als KI, der um konjunkturell bedingte Mehrausgaben (Arbeitslosenhilfe, Sonderprogramme) vermindert wurde. Die Kritik am konjunkturneutralen Haushalt zielte auf methodische Eigenheiten (Basisjahr, Gewöhnungsthese) und auf Grenzen der Aussagefähigkeit (nachfrageseitige Primärwirkungen, Vernachlässigung von Budgetstrukturwirkuugen, absolute Höhe des KI als Budgetmaß). Trotz Anerkennung eines Teils dieser Kritik hatte der SVR an seinem Konzept stets festgehalten: am Mass des strukturellen Budgetdefizits bis 1985, als diese Zielgröße praktisch abgebaut war, und am Mass des KI bis 1990, als mit der deutschen Vereinigung ein Strukturbruch stattfand, der dem Konzept seine entscheidende methodische Grundlage entzog, die Gewöhnungsdauer. Seit 1993 greift der SVR zur Beurteilung der Finanzpolitik erneut auf seine beiden Budgetmaße zurück. Allerdings hat er deren Ermittlung auf eine geänderte konzeptionelle Grundlage gestellt. Die Leitidee ist jetzt nicht mehr, den tatsächlichen Budgetsaldo mit einer zu ermittelnden Norm (konjunkturneutraler Finanzierungssaldo bzw. Normalverschuldung) zu vergleichen, sondern den tatsächlichen Budgetsaldo um jene als verzerrend angesehenen Größen zu bereinigen, die ihn für eine Aussage über ein strukturelles Defizit bzw. über den konjunkturellen Impuls unbrauchbar machen. Der einstige Begriff des konjunktumeutralen Haushalts hat damit seinen Sinn verloren. Im Vordergrund steht nun die Ermittlung des strukturellen Defizits, das den Konsolidierungsbedarf nennen soll. In der Abgrenzung des öffentlichen Gesamthaushalts gemäss Finanzstatistik ohne ERP wird der tatsächliche Finanzierungssaldo um konjunkturelle Einflüsse, um den Bundesbankgewinn und gegebenenfalls um budgetaktive Konjunkturprogramme bereinigt sowie schließlich um die sog. investitionsorientierte Verschuldung vermindert. Mit ihr soll eine wachstumspolitisch begründete Obergrenze zur Verschiebung der Zahllast in die Zukunft festgelegt werden, die in Höhe der öffentlichen Nettobauinvestition definiert wird. Die Ermittlung des konjunkturellen Impulses unterscheidet sich dadurch, dass im öffentlichen Gesamthaushalt das ERP einbezogen, bei der Bereinigung des tatsächlichen Finanzierungssaldos eventuelle Konjunkturprogramme selbstverständlich nicht herausgerechnet und schließlich eine sog. konjunktumeutrale Verschuldung zugelassen wird. Diese dauerhaft akzeptierte Neuverschuldung ist als gleitender fünfjähriger Durchschnitt des Investitionsanteils am BIP definiert worden. Während die Ermittlung des strukturellen Defizits ohne Rückgriff auf die Gewöhnungsthese auskommt, spielt sie im Falle des konjunkturellen Impulses bei der Berechnung der konjunktumeutralen Verschuldung weiterhin eine Rolle. Dass nun das Budgetmass des strukturellen Defizits eindeutig im Vordergrund steht, kommt zusätzlich im neu eingeführten sog. Sekundärkriterium der Tragbarkeit (sustainability) der öffentlichen Kreditaufnahme zum Ausdruck. Nach ihm darf die öffentliche Kreditaufnahme die Staatsverschuldenquote (das Verhältnis von Schuldenbestand zum BIP) nicht erhöhen. Auch dieses Kriterium, das die Bedingungen der haushaltspolitischen Kriterien im Vertrag von Maastricht zur Europäischen Währungsunion berücksichtigen soll, hat insbesondere in der Wissenschaft seine Kritiker gefunden. Literatur: Andel (1995). Härtel, H.-H. (1982); Hesse, H. (1998). Huther (1995). van Suntum, U. (1988). JG 1968, 1970, 1975, SG 1982, JG 1991/92, JG 1994/95

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