Die betriebliche Entgeltpolitik orientiert sich traditionell an zwei Postulaten: der Anforderungs- und der Leistungsgerechtigkeit des Lohnes. Anforderungsorientierte Lohnmodelle werden z. T. den Anforderungen sowohl der Unternehmen als auch ihrer Mitarbeiter nicht mehr voll gerecht. In der betrieblichen Praxis sind daher neue Lohnmodelle entwickelt worden, in denen die Anforderungsorientierung des Lohnes — zumindest partiell — durch eine Qualifikationsorientierung substituiert wird. In diesen neuen Lohnmodellen ist die Höhe des Lohnes nicht mehr (bzw. nicht mehr ausschliesslich) von den Anforderungen abhängig, die eine Arbeitsaufgabe an den sie ausführenden Arbeitnehmer stellt, sondern von der Qualifikation des Lohnempfängers. Dabei wirken sich Qualifikationselemente auch dann auf die Lohnhöhe aus, wenn sie nicht abgefordert, sondern lediglich angeboten werden. In der Praxis ist ein breites Spektrum qualifikationsorientierter Lohnmodelle anzutreffen, das von Modellen mit anforderungsorientierter Grundlohndifferenzierung und Qualifikationszulagen bis zu Modellen reicht, in denen sich die Höhe des Grundlohnes ausschliesslich nach den Qualifikationen des Lohnempfängers richtet. Welches Modell unter ökonomischen und/oder sozialen Aspekten das beste ist, hängt von der Konstellation der Umfeldfaktoren ab. Für qualifikationsorientierte Lohnmodelle gilt in besonderem Masse, dass sie ihre Effizienz nur im personalstrategischen Zusammenhang entfalten: Die übrigen personalpolitischen Instrumente müssen mit dem gewählten Lohnmodell zusammen ein konsistentes, auf die Ziele der Entscheidungsträger und die relevanten Umfeldfaktoren abgestimmtes Instrumentenmix ergeben. Eine Bewertung des Qualifikationslohns im Vergleich zum Anforderungslohn aus Unternehmensperspektive kann an Flexibilitätsund Kostenwirkungen ansetzen. Der Qualifikationslohn bewirkt monetäre Anreize zur Akkumulation von Qualifikationen. Dadurch werden Potentiale überschüssiger, im normalen Produktionsprozess nicht benötigter Qualifikationen geschaffen, die bei Abweichungen von der Normalsituation zur Anpassung genutzt werden können. Die Parameter des Lohnmodells erlauben — in unterschiedlichem. Masse — eine Gestaltung dieser Flexibilitätspotentiale, die so beschaffen sein sollten, dass sie mit grosser Wahrscheinlichkeit auch genutzt werden können. Dem Flexibilitätseffekt stehen Qualifikationsleerkosten gegenüber. Darunter sind die Lohnanteile zu verstehen, die — bezogen auf eine spezifische Arbeitssituation — auf momentan nicht genutzte Qualifikationselemente entfallen. Aus Arbeitnehmersicht ist die in qualifikationsorientierten Lohnmodellen zumindest partiell zu konstatierende Entkopplung von. Lohnhöhe und Anforderungen der ausgeführten Arbeit positiv zu werten: In anforderungsorientierten Lohnmodellen bergen technische bzw. arbeitsorganisatorische Entwicklungen die Gefahr der Anforderungsreduzierung und damit der Abgruppierung. Darüber hinaus haben Arbeitnehmer in qualifikationsorientierten Lohnmodellen die Möglichkeit, durch Zuerwerb von Qualifikationen ihr Einkommen zu steigern. Weitere für die Bewertung aus Arbeitnehmersicht relevante Effekte ergeben sich aus dem personalstrategischen Umfeld des Qualifikationslohns. So ist davon auszugehen, dass im Zusammenhang mit der Einführung von Modellen qualifikationsorientierter Entlohnung die Möglichkeiten zum Qualifikationserwerb verbessert werden. Aus Arbeitnehmersicht nachteilig kann sich die vielfach im Zusammenhang mit Qualifikationslohn auftretende Flexibilität von Arbeitsorganisation und -einsatz auswirken: Der häufige Wechsel von Aufgabe und Umfeld kann als Belastung empfunden werden. Literatur: v. Eckardstein, D., Von der anforderungsabhängigen zur qualifikationsorientierten Entlohnung? in: Schanz, G., Handbuch Anreizsysteme, Stuttgart 1991. v. Eckardstein, D./Greife, W u. a., Die Qualifikation der Arbeitnehmer in neuen Entlohnungsmodellen, Frankfurt a. M. 1988. Greife, W, Der Beitrag des Qualifikationslohns zur Flexibilität industrieller Arbeit, Frankfurt a. M. 1990.
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