Erklärungselement des Marxismus für eine ständige Verschlechterung der Lohn- und Lebensstandardentwicklung der Arbeiter im Kapitalismus. Mit der schon bei David Ricardo zu findenden Vorstellung einer zunehmenden Mechanisierung des Produktionsprozesses bei gleichzeitiger Abnahme der Nachfrage nach Arbeit begründet Karl Marx die Entstehung einer wachsenden "industriellen Reservearmee". Diese Arbeitslosigkeit wird als Konsequenz des Akkumulationsprozesses im. Konkurrenzkapitalismus und der damit einhergehenden Rationalisierung durch Kapitalintensivierung gedeutet (Mehrwerttheorie). Die daraus — in Verbindung mit der Annahme einer anomalen Reaktion des Arbeitsangebots — gefolgerte Reallohnsenkung wird als "absolute" Verelendung der Lohnempfänger bezeichnet.
Angesichts ihrer evidenten Widerlegung durch die Wirklichkeit wurde die Marxsche Verelendungsprognose in eine "relative" umgedeutet (Spätkapitalismus), womit vor allem eine rückläufige Entwicklung der Lohnquote gemeint war. Tatsache ist, dass der durch den Kapitalismus in Gang gekommene Prozess der Industrialisierung und des sozialen Wandels gleichermassen ökonomisches Wachstum und Bevölkerungswachstum möglich machte und das Realeinkommen sowie die Arbeitsbedingungen der unselbständig Beschäftigten stärker verbessert hat als je zuvor. Auch zeigt die langfristige Entwicklung der bereinigten Lohnquote in den meisten Industrieländern eine bemerkenswerte Konstanz; in der Bundesrepublik Deutschland z. B. lag sie 1950-1990 um 70%.
Bestandteil der marxistischen Analyse der Gesellschaftsformation des –s Kapitalismus. Danach verstärkt sich zugleich mit der wachsenden Akkumulation und Konzentration des Kapitals der Druck der - Ausbeutung. Es wird unterschieden zwischen relativer und absoluter Verelendung des Proletariats. Die relative Verelendung wird abgelesen an einer sinkenden - Lohnquote (der Anteil des Arbeitslohns am Nationaleinkommen sinkt, während der Anteil des - Mehrwerts wächst). Die absolute Verelendung bezieht sich dagegen auf eine Verschlechterung des –* Lebensstandards, der nicht nur durch die Lohnhöhe definiert ist, sondern darüber hinaus auch durch wachsende Arbeitszeit und -beanspruchung sowie Beschäftigungsrisiko. Beobachtete Verbesserungen des so gefaßten Lebensstandards in einzelnen Ländern werden in Beziehung gesetzt zur generellen Entwicklung in der kapitalistischen Weltwirtschaft einschl. der Lage in den Entwicklungsländern. Karl MARX selbst verstand Verelendung eher als wachsende geistige Degradierung der Arbeiter. Aber auch bei MARX spielen die - Gewerkschaften als lohnstabilisierendes Element keine Rolle. Literatur: Mandel, E. (1975). Kühne, K. (1972)
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