Im Marketing wird das der Theorie zum Käuferverhalten zurechenbare Konzept des Familienlebenszyklus als Instrument zur Marktsegmentierung und Zielgruppen- formulierung verwendet. Nach ihm wird das Leben eines Konsumenten in verschiedene Abschnitte eingeteilt, denen bestimmte Konsummuster zugeordnet werden (Kohortenanalyse). Ursprünglich schlugen Lansing und Morgan (1955) vor, die wichtigen Abschnitte des Lebens einer normalen Familie in sechs Phasen zu unterteilen (vgl. Tab. 1). Sie kommen zu dieser Einteilung, da sie meinen, gewisse Ereignisse im Leben, wie msb. - die Aufnahme des Studiums (bzw. einer Berufstätigkeit) und der damit verbundene Auszug aus dem Elternhaus, - die Heirat oder - das Ableben eines Ehepartners stellten Wendepunkte in der Lebensgestaltung dar.
Für die einzelnen Phasen zeigen sie zunächst, wie sich die Höhe des verfügbaren Einkommens ändert (wechselnde Zahl von Erwerbstätigen bzw. Einkommensbeziehern in einem Haushalt,unterschiedliche Einkommen nach Art und Höhe, z.B. Transferzahlungen, Zinsen, Kapitalerträge). Desgleichen wurde nachgewiesen, wie sich die Verwendung des Einkommens in den Lebenszyklusphasen unterscheidet. Besonders wichtig war die Beobachtung, dass mit dem Lebenszykluskonzept Unterschiede im Konsumverhalten besser deutlich gemacht werden konnten, als wenn nur einzelne soziodemographische Angaben (wie z.B. das Alter) verwendet worden wären. Das Lebenszykluskonzept verbindet einzelne soziodemographische Angaben zu einem vorstellbaren und interpretierbaren Ganzen. In der Zwischenzeit liegt das Familienle- benszykluskonzept in zahlreichen Varianten vor (vgl. den Überblick bei Müller-Hagedorn, 1984). Die Varianten unterscheiden sich - in der Art der verwendeten Variablen (verschiedene soziodemographische Variablen oder auch andere Merkmale, wie z. B. die Zahl der Bekannten oder die Zahl der sozialen Kontakte), - in der Zahl der bei jeder Variablen unterschiedenen Kategorien, - in der Anzahl der berücksichtigten Merkmalskombinationen.
Die verschiedenen Varianten des Familienle- benszyklusmodells können in formaler und inhaltlicher Hinsicht beurteilt werden. In formaler Hinsicht wird gewünscht, dass möglichst viele Verbraucher einer der im Konzept vorgesehenen Lebenszyklusphase zugewiesen werden können (Reichweitenkriterium), dass die Verbraucher innerhalb einer Lebenszyklusphase möglichst homogen sind, sich aber deutlich von Verbrauchern in einer anderen Lebenszyklusphase unterscheiden (Reinheitskriterium) und dass die Zahl der Phasen der betrieblichen Planungssituation angemessen ist (Verwertungskriterium). In inhaltlicher Hinsicht geht es darum, Hinweise zu liefern, warum die ausgewählten Variablen und die zugrundegelegten Merkmalsausprägungen geeignet sein sollten, Kaufverhalten zu erklären. Für das Le- benszyklusphasenkonzept spricht: 1) Das Konsumverhalten ist von der Fähigkeit, Konsumausgaben zu tätigen, abhängig. Dieser finanzielle Spielraum richtet sich nicht nur nach dem Alter, sondern insb. auch nach dem Familienstand und der Anzahl der Kinder.
2) Das Konsumverhalten ist teilweise durch die Lebensumstände unabänderlich fixiert; so benötigen z. B. Familien mit kleinen Kindern Produkte zur Ernährung und Pflege der Kleinkinder. 3) Das Konsumverhalten ist teilweise durch die sich in einzelnen Lebensabschnitten individuell bildenden Präferenzen bestimmt. Das ist das bislang am schlechtesten belegte Argument. Insgesamt läßt sich sagen, dass die Gründe (Entwicklung des finanziellen Spielraumes, durch die Lebensumstände erzwungene Bedürfnisse und im Zeitablauf eintretender Bedürfniswandel) dafür sprechen, Lebenszyklusphasen als erklärende Größen für das Konsumverhalten zu verwenden. Nach Beachtung dieser Kriterien und aufgrund der Erfahrungen aus mehreren empirischen Studien empfiehlt Müller-Hage dorn ein neunphasiges Konzept (vgl. Tab. 2). In der Aliensbacher Werbeträgeranalyse werden sechs Phasen unterschieden:
1. Junge Unverheiratete,
2. Junge Verheiratete/Paare ohne Kinder,
3. Junge Familien,
4. Familien mit nur älteren Kindern,
5. Erwachsenen-Haushalte,
6. ÄltereUnverheiratete. Eine Anfang 1990 durchgeführte Spezialauswertung des G&I-Verbraucherpanels erbrachte die in Abb. 1 a dargestellten Haushaltsgruppen Die Zugehörigkeit zu einer Lebenszyklusphase hat Einfluß auf die Höhe der Ausgaben für einzelne Produktgruppen (wie Möbel, Autos, Haushaltsgeräte; Ausgabenstruktur). Das Konzept ist nicht herangezogen worden, um die Markenwahl zu erklären. Müller-Hage dorn (1978) hat gezeigt, dass Konsumenten in verschiedenen Lebenszyklusphasen unterschiedliche Einzelhan- delsbetriebsformen bevorzugen, womit eine unterschiedliche Wertschätzung der absatzpolitischen Instrumente der Einzelhandelsbetriebe einhergeht. Es zeigte sich bei vielen Warengruppen, dass die Warenhäuser bei Käufern aus den ersten Lebenszyklusphasen besonders beliebt sind, dass der Verbraucher- markt besonders stark die Verbraucher aus den mittleren Lebenszyklusphasenanspricht und dass das Fachgeschäft Überdurchschnitt- lieh viele Käufer unter den Verbrauchern aus den hohen Lebenszyklusphasen anzieht. Es zeigte sich, dass bei vielen Warengruppen (vgl. für die Warengruppe Lebensmittel die Abb. lb) das Lebenszyklusphasenkonzept herangezogen werden konnte, um Einkaufsverhalten i.S.v. bevorzugter Betriebsform zu diskriminieren. Für das Konsumgütermarketing hat Welzel gezeigt, wie das Lebenszykluskonzept zur Prognose der allgemeinen Produktverwendung und der Bevorzugung eines Geschäftstyps herangezogen werden kann (1980, S. 207-212). Er zeigt auch beispielhaft auf, wie sich Hinweise für den Einsatz des absatzpolitischen Instrumentariums gewinnen lassen. Müller-Hagedorn (1977) hat gezeigt, welche Erkenntnisse Handelsbetriebe aus Untersuchungen nach dem Lebenszykluskonzept ziehen können.
Literatur: Lansing,]. B.; Morgan,]. N., Consumer Finances over the Life Cycle, in: Clark, (Hrsg.), Consumer Behavior, Vol. II, New York 1955, S.36-51. Müller-Hagedorn, L., Bevorzugte Betriebsformen des Einzelhandels und das Lebenszykluskonzept, in: ZfbF, 30. Jg. (1978), S. 106-124. Müller-Hagedorn, L., Die Erklärung von Käuferverhalten mit Hilfe des Lebenszykluskonzeptes, in: Wirtschaft und Studium, November 1984, S. 561-569. Wells, ; Gubar, G., Life Cycle Concept in Marketing Research, in: Journal of Marketing Research, Vol. 3 (Nov. 1966), S. 355 - 363; deutsche Übersetzung „Marketing und das Konzept des Lebenszyklus“, in: Specht, K. G.; Wiswede, G. (Hrsg.), Marketing-Soziologie, Berlin 1976, S. 153-172. Welzel, H., Die Verwendbarkeit von Konsumententypologien für Marketingentscheidungen, Weinheim 1980. Verlagsgruppe Bauer, Media-Marketing (Hrsg.), AWA ’87, Märkte und Medien.
(Familienzyklus): Familien sind “multipersonale soziale Systeme, in denen Familienmitglieder aufgrund vielfältiger Interaktionen den Ausgang von Kaufentscheidungen bestimmen. Die Familie ist die primäre Gruppe, in der Kinder im Rahmen von Sozialisationsprozessen konsumrelevante Einstellungen und Verhaltensweisen lernen. Entscheidungsrelevante lnteraktionsmuster sind familiale Rollen-, Kommunikations- und Machtbeziehungen. Die Rollenerwartungen regeln die Aufgabenverteilung bei Kaufentscheidungen der Familie. Häufig existiert keine klare Kompetenzverteilung; komplexe Kaufprobleme werden gemeinsam gelöst. Von der Komplexität des Kaufentscheidungsprozesses hängt auch die Intensität der Kommunikation der Familienmitglieder ab. Ferner beeinflussen die Eindeutigkeit der Aufgabenverteilung, das Ausmass gemeinsam verfolgter Ziele und die sozioemotionalen Bindungen der Familienmitglieder das Kommunikationsverhalten. Für die Machtstrukturen ist der relative Beitrag ausschlaggebend, den jedes Mitglied jeweils im Vergleich zu anderen für die Familie leistet. Berufstätigkeit, Einkommen, soziale Stellung sind Indikatoren für die Autorität in der Familie. Hinzu kommen interne Interaktionsstrukturen sowie Ausprägungen des individuellen Potentials und der Grad der Zuneigung gegenüber anderen Familienmitgliedern, welche ebenfalls auf die Machtstruktur einwirken.”(Heribert Meffert)
Im Verlauf des Lebenszyklus einer Familie wechselt der relative Einfluss, den einzelne Familienmitglieder auf die Familieneinkaufsentscheidungen ausüben. Jeder Phase im Ablauf des Familienzyklus entspricht eine spezifische Konstellation von Rollen und Status, denen spezifische Interaktionsmuster und Einflußkonstellationen bei familialen Einkaufsentscheidungen entsprechen. Die Kenntnis des Familienzyklus ermöglicht die Marktsegmentierung von Konsumenten nach ihrem Konsumentenverhalten.
Entwicklungsphasen, die eine Familie während ihres Bestehens durchlebt. Es können folgende Phasen unterschieden werden:
(1) jung, unverheiratet, nicht mehr bei den Eltern lebend;
(2) jung verheiratet/ Lebensgemeinschaft, keine Kinder;
(3) verheiratet/ Lebensgemeinschaft mit kleinen Kindern, wobei das jüngste unter 6 Jahre alt ist;
(4) verheiratet/ Lebensgemeinschaft mit Kindern über 6 Jahre;
(5) verheiratet/ Lebensgemeinschaft mit Kinder, die gerade unabhängig werden;
(6) Leeres Nest Typ I: die Kinder sind aus dem Haus, der Haushaltsvorstand ist jedoch noch berufstätig;
(7) Leeres Nest Typ II: die Kinder sind aus dem Haus und der Haushaltsvorstand ist in Rente;
(8) der alleinstehende überlebende Partner ist berufstätig;
(9) der alleinstehende überlebende Partner ist nicht berufstätig.
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