Ein von E. E. Lawler entwickeltes Modell, das auf den Diskrepanzansatz zurückgreift und ihn mit der Equity-Theorie verknüpft, um “Lohnzufriedenheit\' zu spezifizieren. Die Equity-Theorie postuliert, dass Individuen ihr eigenes Verhalten und das Mass ihrer Zufriedenheit an der perzipierten Relation von Aufwand und Ertrag bei einer Bezugsperson orientieren. Positive oder negative Abweichungen von diesem Gleichgewicht führen zu Spannungen. Der Diskrepanzansatz erklärt Zufriedenheit auf der Grundlage der Theorie des Anspruchsniveaus aus der Differenz zwischen dem, was eine Person berechtigterweise glaubt, fordern zu können, und dem, was sie tatsächlich erhält. Diesem Muster entsprechen die zwei Basiselemente des Lohnzufriedenheitsmodells:
(1) Soll-Verdienst: Der Verdienst, den eine Person nach Abwägung der Umstände für sich berechtigterweise glaubt, fordern zu können.
(2) Ist-Verdienst: Der tatsächlich empfangene Verdienst, wie ihn das Individuum perzipiert. Je nach Ausprägung dieser Beziehung zwischen den Basiselementen sind daher prinzipiell drei Zufriedenheitszustände als Folge möglich:
· Der Soll-Verdienst entspricht dem Ist-Verdienst. Ergebnis: Lohnzufriedenheit.
· Der Ist-Verdienst liegt unter dem Soll-Verdienst; Ergebnis: Lohnunzufriedenheit.
· Der Ist-Verdienst liegt über dem Soll-Verdienst. Ergebnis: Unbehaglichkeit, Schuldgefühle.
Die folgenden Faktoren bestimmen den Soll-Verdienst bzw. den Ist-Verdienst:
(1) Perzipierter Ist-Verdienst: Der faktische Verdienst einer Person ist der wesentliche, wenn auch nicht der allein entscheidende Bestimmungsfaktor für den “perzipierten Ist-Verdienst”. Weitere Determinanten sind die “Lohngeschichte” (die Zahlungsreihen der in der Vergangenheit empfangenen Löhne) und das perzipierte Einkommen von Bezugspersonen. Dabei gelten folgende Zusammenhänge:
· Je höher der in der Vergangenheit bezogene Verdienst war, um so geringer erscheint der gegenwärtige Verdienst.
Je höher das Einkommen der Bezugspersonen liegt, desto geringer erscheint die eigene Lohnhöhe. Dieselbe Menge Geld kann daher von verschiedenen Personen als unterschiedlich hoch empfunden werden.
(2) Perzipierter Soll-Verdienst: Zu den Faktoren, die den perzipierten Soll-Verdienst bestimmen, zählen:
· Der personale Arbeits-Input: Der wichtigste Einflußfaktor ist der Arbeits-Input, wie er sich aus der Sicht des Individuums darstellt. Neben den eingebrachten Fähigkeiten und Fertigkeiten zählen dazu arbeitsrelevante Verhaltensweisen wie in Gegenwart und Vergangenheit erbrachte Leistung, Loyalität, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Geschlecht, in der Vergangenheit erworbene Verdienste, Besuch von Weiterbildungsveranstaltungen, Ausbildung, Schulabschluss usw. Die Faktoren überlappen einander zum Teil, haben aber dennoch alle ihre eigenständige Bedeutung. Insgesamt gilt: Je höher eine Person ihren Arbeits-Input veranschlagt, um so höher liegt auch der erwartete Lohn.
· Die perzipierten Arbeitsanforderungen:
Geläufige Anforderungsarten sind Schwierigkeit, körperliche und geistige Belastung, Verantwortung, Umgebungseinflüsse. Arbeitswerte, wie sie sich nach der analytischen Arbeitsbewertung ergeben, oder Lohnstufen, wie sie sich in der summarischen Arbeitsbewertung finden, müssen sich keineswegs mit den von dem Individuum wahrgenommenen Arbeitsanforderungen decken. Als weitere Anforderungskriterien kommen z.B. in Frage: hierarchische Ebene oder Zeitspanne der Rückkoppelung der Arbeitsergebnisse: Je höher eine Person ihre Arbeitsanforderung veranschlagt, um so höher liegen ihre Lohnerwartungen. Berücksichtigt das Lohnsystem die Arbeitsanforderungen nicht oder nur geringfügig, dann werden diejenigen, die sich mit hohen Anforderungen konfrontiert sehen, unzufriedener sein als jene, die ihre Arbeitsanforderungen gering veranschlagen.
· Die Lohngeschichte: Dieser Einflußgröße liegt die Annahme zugrunde, dass Personen im Laufe ihrer Entwicklung, als Teil ihres Selbstbilds Vorstellungen darüber entwickeln, was sie “wert” sind. Personen, die auf eine Geschichte hoher Löhne zurückblicken, veranschlagen ihren “Wert` hoch und erwarten einen relativ hohen Verdienst.
· Nichtmonetäre Erträge: Das sind z.B. die Möglichkeit zur Entfaltung und zu personalem Wachstum oder Aspekte wie Sicherheit, Status und - Sozialprestige. Nichtmonetäre Erträge können partiell als Substitute für monetäre Erträge angesehen werden. Je mehr nichtmonetäre Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung eine Arbeit bietet, desto geringer wird die Höhe des Soll-Verdienstes veranschlagt. So kann erklärt werden, warum manche Personen trotz relativ geringer Bezahlung und hoher Arbeitsbelastung dennoch mit ihrem Verdienst zufrieden sind.
· Der soziale Vergleich: Zur Bestimmung des Soll-Verdienstes ziehen die Individuen auch das Aufwands- und Ertragsverhältnis von Bezugspersonen heran. Je höher die Erträge der Bezugspersonen in Relation zu ihren Inputs stehen, um so höher veranschlagt das Individuum seinen Soll-Verdienst. Bleibt die eigene Relation hinter der einer Bezugsperson zurück, so entsteht Lohnunzufriedenheit.
· soziale Faktoren: Dazu zählen etwa Familienstand, Zahl der Kinder, Alter etc. Frauen sind in der Regel mit ihrer Entlohnung zufriedener als Männer. Die höchste Zufriedenheitsrate bei Frauen zeigt sich dort, wo Frauen und Männer gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten. Eine Reihe von Untersuchungen stützt die Annahme, dass mit steigender hierarchischer Stufe die Unzufriedenheit mit der Entlohnung steigt. Personen, die eine Reihe positiver nichtmonetärer Outcomes,
Nutzen, empfangen, sind mit ihrer Bezahlung zufriedener als Personen mit nur geringen nichtmonetären Outcomes. Je mehr Autonomie im Arbeitsvollzug möglich ist, desto besser sind die Beziehungen zu den Vorgesetzten und je großzügiger die Förderungsmaßnahmen, desto größer ist die Zufriedenheit mit der Entlohnung. Vergleiche führen dann zur Unzufriedenheit, wenn die “Input-Outcome”-Relation bei Bezugsperson(en) günstiger zu sein scheint. Dieser Aspekt ist auch im Hinblick auf die Praxis der Lohngeheimhaltung von Bedeutung. Bei geheimgehaltenen Löhnen fehlen genaue Informationen für den Vergleich. Lawler darauf hin, dass die Vergleichspersonen nach einem bestimmten Muster falsch eingeschätzt werden. Zum einen wird den (externen und internen) Vergleichspersonen meist ein zu hoher Verdienst zugesprochen, was die Unzufriedenheit mit dem eigenen Verdienst fördert. Zum anderen wird die Leistung anderer Personen gerne unterschätzt, so dass die Individuen ihre eigenen Leistungen vergleichsweise höher einstufen und somit eine höhere Bezahlung erwarten.
Zu den Folgen hoher Lohnunzufriedenheit zählen vor allem hohe Arbeitsplatzfluktuation, hohe Fehlzeiten, geringe Arbeitsleistung, Arbeitsunzufriedenheit, hohe Streikneigung und hohe Beschwerderaten.
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