Das aus der Psychologie stammende Konstrukt Motiv bezeichnet eine zeitlich relativ überdauernde, inhaltlich spezifische psychische Disposition, die Ausdruck eines zielgerichteten Mangelempfindens ist und damit einen Beweggrund für das Verhalten von Menschen darstellt. Den Motiven vorgelagert sind Bedürfnisse, die ein generelles Mangelempfinden kennzeichnen. Motive bzw. Bedürfnisse sind — anders als Triebe oder Instinkte — nicht angeboren, sondern entwickeln sich im Laufe der Sozialisation. Unter gegebenen situativen Umständen wird ein Motiv aktiviert und bis zur Erreichung eines Ziels bzw. zur Befriedigung eines Bedürfnisses beibehalten. Es dient dann als Antrieb für eine bestimmte Handlung. Siehe auch Konsumentenverhalten, Managing Motivation, Personalführung und Unternehmensführung, jeweils mit Literaturangaben.
In der Psychologie, der Sozialforschung und der Marktforschung werden die Begriffe Bedürfnis, Trieb, Wunsch, Instinkt, Neigung oder Ziel vielfach als Synonyme benutzt. Als das menschliche Verhalten steuernde und aktivierende Faktoren sind sie der unmittelbaren Beobachtung und Messung nicht zugänglich und als hypothetische Konstrukte (intervenierende Variable) mithin nur indirekt erschließbar. Im weitesten Sinne umfaßt so der Begriff der Motivation die Gesamtheit der nicht unmittelbar aus äußeren Stimuli (Reizen) ableitbaren Variablen, die das menschliche Verhalten in seiner Intensität und in seiner Richtung beeinflussen und kontrollieren. Da in diesem Sinne zu den das Handeln beeinflussenden Faktoren auch Kognitionen zu rechnen wären, wird als Motiv im engeren Sinne ein lediglich affektiver Handlungsantrieb verstanden.
Ausgehend vom Grundbegriff des Bedürfnisses und der dabei angewandten Unterbegriffsbildung wird auch im Zusammenhang der Motivforschung zwischen verschiedenen Arten von Motiven unterschieden. Am stärksten hat sich die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Motiven aurcngesetzt, rnmare motive sina aie phylogenetisch und ontogenetisch zuerst vorhandenen, erbbedingten, physiologischen Motive wie z.B. Hunger, Durst, Sexualtrieb, für die meist der Begriff des Triebs verwendet wird. Sekundäre Motive sind durch - Lernen, Erfahrung, Erziehung, Sozialisation erworbene Handlungsantriebe, die aus den primären Motiven hervorgegangen sind. Sie werden auch abgeleitete oder gelernte Motive genannt, weil sie durch Assoziierung mit primären Motiven zustandekommen und direkt oder indirekt der Befriedigung primärer Motive dienen.
Auf H. F. Harlow geht die Unterscheidung zwischen homöostatischen und nichthomöostatischen Motiven (Bedürfnissen) zurück. Homöostatische Triebe wie Hunger oder Durst leiten Regulationsprozesse ein, die das physiologische Gleichgewicht des Organismus wiederherstellen bzw. aufrechterhalten sollen. Hingegen liegt der Ursprung nichthomöostatischer Motive außerhalb des Organismus in äußeren Objekten (z.B. das Bedürfnis nach Erkundung der Umwelt), so dass bei ihnen eine Motivreduktion mit Entfernung der externen Reizquellen eintritt. Eine andere Unterscheidung, die z.B. von Henry A. Murray und Gordon W. Allport vertreten wird, ist die zwischen viszerogenen und psychischen Motiven. In der Psychologie ebenso wie in der Markt- und Konsumforschung ist eine schier unübersehbare Vielzahl von verschiedenen Motivationskatalogen zusammengestellt worden, zu denen im weitesten Sinne auch die Maslowsche - Bedürfnishierarchie zu rechnen ist und von denen die meisten den Charakter vollkommener Beliebigkeit haben. “Wenn man die Gesamtheit aller Handlungsantriebe als Motivation versteht, dann erweist es sich als wenig sinnvoll, nach Katalogen von wenigen ,Grundmotiven\' zu suchen, auf die das gesamte menschliche Verhalten zurückgeführt werden soll” (Peter Beike/Gerhard Christmann). Eng ist auch der Zusammenhang von Emotion und Motivation, die beide ein Produkt aus physiologischer Erregung und kognitiver Situationsbewertung sind: “Emotion und Motivation lassen sich aus neuropsychologischer Sicht nicht auseinanderhalten. Nach ihren organischen Grundlagen kann keine eindeutige Abgrenzung vorgenommen werden. Beide sind Ausdruck der Aktivität einer einzigen psychologischen Grundaimension aeren Auswirkungen aurcn aen psychologischen Begriff ,Aktivierung\' umschrieben werden können” (G. Guttmann).
Die für das Arbeitsverhalten wesentlichen Motive werden in unterschiedlicher Weise klassifiziert. Eine häufig vorgenommene Einteilung geht von dem Bezug der Motivbefriedigung zum Arbeitsverhalten aus. Danach wird unterschieden in:
· extrinsische Motive: Motive, deren Befriedigung durch Folgen oder Begleitumstände der Arbeit erfolgt.
· intrinsische Motive: Motive, deren Befriedigung durch das Arbeitsverhalten selbst erfolgt.
Motive, die bei einzelnen als Gründe beruflicher Arbeit wesentlich sein können, sind:
(1) Bedürfnis nach Geld: Es unterscheidet sich von den anderen Motiven dadurch, dass Geld als –3 Anreiz vieldeutig ist. Es kann der Besitz von Geld selbst befriedigen; es kann seine Bedeutung aber auch vom jeweils angestrebten Ziel erhalten, wie z.B. Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse, Eigenheimerwerb oder Erlangung von sozialer Geltung.
(2) Menschliche Grundbedürfnisse: Dazu werden stets Hunger und Durst gezählt. Aber auch die Bedürfnisse nach Wärme und Wohnung gehören hierher. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse kann einer der Gründe für das Streben nach Geld sein.
(3) Sicherheitsbedürfnis: Es äußert sich vor allem darin, dass nicht nur das momentan gebotene Entgelt als Arbeitsanreiz wirkt, sondern auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes sowie die finanzielle Absicherung für Alter und Invalidität.
(4) Geltungsbedürfnis: Das Bestreben, im Urteil anderer Menschen einen möglichst hohen Rang einzunehmen. Allgemeine Geltungswerte sind Beachtung, Ehre, Anerkennung, Beifall, Ruhm, Bewunderung, Respekt, Zeichen für die Befriedigung des Geltungsbedürfnisses im Unternehmen können die Höhe des Gehalts, Titel, - Statussymbole und bestimmte Privilegien sein. Anerkennung kann der einzelne zum einen im jeweiligen Unternehmen finden, wobei diese so eng mit der eigentlichen Tätigkeit verbunden sein kann, dass man sie zu den intrinsischen Anreizen zählen kann. Zum anderen kann der berufliche Erfolg die Achtung beeinflussen, die er im Privatleben erfährt.
(5) Kontaktbedürfnis: Das Streben nach zwischenmenschlichen Beziehungen und nach Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Viele Berufe bedingen einen intensiven Kontakt mit anderen Menschen. Hier wirkt das Kontaktbedürfnis als intrinsisches Arbeitsmotiv. Beispiel für das Kontaktbedürfnis als extrinsisches Arbeitsmotiv ist dagegen der Fall, dass eine Frau, deren erwachsene Kinder das Haus verlassen haben, wieder eine berufliche Tätigkeit aufnimmt, die selbst zwar keine sozialen Kontakte beinhaltet, in den Pausen und nach Dienstschluss aber Gelegenheit zu Gesprächen mit Kollegen gibt.
(6) Bedürfnis nach Tätigkeit: Der Mensch ist auch deshalb tätig, weil der Wunsch nach Energieabfuhr besteht. Der Mensch wird auch tätig, weil Tätigkeit selbst befriedigt. Tätig sein hilft, unlustbetonte emotionale Zustände zu überwinden, bzw. zu vermeiden.
(7) Bedürfnis nach Leistung: Das Bedürfnis, ein Ziel zu erreichen, das man sich selbst gesetzt hat oder zumindest als eigenes Ziel akzeptiert. Befriedigung kann das Leistungsmotiv also nur durch solche berufliche Aufgaben finden, die der Betreffende akzeptiert und in denen er etwas sieht, mit dem er sich leistungsmäßig auseinandersetzen kann.
(8) Machtbedürfnis: Das Streben, andere Menschen im eigenen Sinne zu beeinflussen und sich die Kontrolle über die dazu notwendigen Mittel zu verschaffen. Man kann zwei Formen des Machtmotivs unterscheiden: eine primitive Form, die sich z.B. in körperlicher Aggressivität zeigt und auf Unterdrückung aus ist; und eine Form, bei der andere dazu gebracht werden sollen, das zu wollen, was man möchte, dass sie es wollen. Stärker als bei den anderen Motiven sind die Möglichkeiten zur Befriedigung von Machtbedürfnissen je nach Arbeitsplatz sehr verschieden. Für einzelne Machtmotivierte kann es ein ganz entscheidendes Motiv sein, eine bestimmte Funktion auszuüben; bei vielen anderen kommt es mangels Gelegenheit nicht zur Auswirkung.
(9) Bedürfnis nach Sinngebung und Selbstverwirklichung: Im Unterschied zu den anderen Motiven ist das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung oder Selbstentfaltung inhaltlich nicht, bzw. nur aufgrund individueller Lernprozesse, bestimmt. Denn die Selbstverwirklichung zeigt sich ja gerade in der Erweiterung bisheriger Erlebnis- und Verhaltensmöglichkeiten, die nicht vorbestimmt sein sollten. Von seiten der situativen Gegebenheiten im Unternehmen bedeutet dies, dass dem einzelnen ein entsprechender Freiheitsspielraum zur Erweiterung seiner eigenen Möglichkeiten gewährt werden sollte.
(1) bis (4) treten vorwiegend als extrinsische Motive, (6) bis (9) vorwiegend als intrinsische Motive auf. Das Kontaktbedürfnis (5) tritt häufig sowohl intrinsisch wie extrinsisch auf.
Erwartungs-Valenz-Modell, Valenz
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