Teilbereich der angewandten Ökonomik, der die wirtschaftlichen Aspekte individueller Bildungsentscheidungen und der einzelnen Bildungseinrichtungen (Mikroökonomik bzw. Betriebswirtschaftslehre von Schulen und Hochschulen) sowie die gesamtwirtschaftlichen Beziehungen von Struktur und Entwicklung des Bildungssystems (Bildungsmakroökonomik) zum Gegenstand hat. Bildung wird als wirtschaftliches Gut betrachtet, das Konsumaspekte (Konsumnutzen der Teilnahme am Bildungsprozess und der dauerhaften nicht-ökonomischen Erträge von Bildung) und Investitionsaspekte (Bildung als Investition in das Arbeitsvermögen mit Erträgen im künftigen Einkommen) aufweist. Bildungsentscheidungen müssen in der Theorie des privaten Haushalts im Rahmen von Allokation der Zeit und von Portfolioentscheidun- gen im Hinblick auf die Struktur des Vermögens der Haushalte analysiert werden. Für die Bildungsnachfrage geht die Bildungsökonomik entsprechend von einem Kosten-Er- trags-Modell aus (Humankapitaltheorie). In der Theorie der Unternehmung betreffen bildungsökonomische Fragestellungen das Bildungsangebot von Unternehmen in der beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie, in unscharfer Abgrenzung zur Arbeitsökonomik, die Nachfrage nach Arbeitskräften bestimmter Bildungsqualifikation und deren Nutzung in der Produktion. Eine Betriebswirtschaftslehre von Schulen und Hochschulen hat sich insb. in solchen Ländern entwickelt, deren Bildungssystem überwiegend private Bildungseinrichtungen bzw. weitreichende Entscheidungsspielräume der einzelnen Institutionen kennt (Kostenrechnung, Informations- und Planungssysteme etc.). Die Makroökonomik des Bildungswesens hat von der Analyse von Prozessen wirtschaftlichen Wachstums ihren Ausgangspunkt genommen, in der dem Humankapital ein hoher Anteil des unerklärten Restes der Produktivitätszunahme zugerechnet wurde. Weitere Anwendungsbereiche der Humankapitaltheorie betreffen die Lohntheorie und die Theorie der personellen Einkommensverteilung sowie die Theorie des internationalen Handels. Die Analyse gesamtwirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge der Entwicklung des Bildungswesens wurde unter prognostisch-planerischem Aspekt auf Ansätze der Bildungsplanung übertragen. Ein Grossteil der neueren bildungsökonomischen Forschung gilt der detaillierten Erfassung des Zusammenhangs von Arbeitskräfteeinsatz, Beruf und Ausbildung und seiner Vermittlung durch den Arbeitsmarkt sowie durch arbeitsorganisatorische und personalpolitische Strategien in Unternehmen. Die Beziehung zwischen Ausbildung und Beruf lässt Flexibilitätsspielräume erkennen, denen Substitutions- und Mobilitätsprozesse zugrunde liegen. Eine grössere Substitutionselastizität der Struktur des Arbeitseinsatzes in der Produktion weist auf Einflüsse des Arbeitskräfteangebots hin; gegen einen technologischen Determinismus des Arbeitskräfteeinsatzes sprechen auch arbeitsorganisatorische und personalpolitische Gestaltungsspielräume von Unternehmen. Einige Resultate lassen einen Einfluss der Qualifikation der Arbeitskräfte auf Produktivität, Innova- tionsrate und Wachstum der Unternehmen vermuten. Von besonderem Interesse ist andererseits der Einfluss des technischen Fortschritts auf die Qualifikations- und Berufsstrukturent- wicklung in der Produktion. Einen weiteren bedeutsamen Forschungsbereich der Bildungsökonomik stellen Probleme der Bildungsfinanzierung dar. Literatur: Hegelheimer, A., Texte zur Bildungsökonomie, Frankfurt a. M. 1974. Brinkmann, G.l Krause, D./Pippke, WJRippe, W, Bildungsökonomik und Hochschulplanung, Darmstadt 1976.
Oberbegriff für theoretische und empirische Forschungsrichtungen, die sich mit den wirtschaftlichen und finanziellen Aspekten der Ausbildung befassen, wobei versucht wird, Methoden, Instrumente und Erkenntnisse der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften nutzbar zu machen. Die Bildungsökonomik ist eine der jüngsten wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Obwohl sich schon die klassische Nationalökonomie vielfach mit der Bedeutung von Bildung und Ausbildung für Gesellschaft und Wirtschaft befaßt hatte, setzte eine breite und systematische Erforschung ökonomischer Aspekte der Ausbildung erst gegen Ende der 50er Jahre ein (v.a. in den USA). Begünstigt wurde die rapide Intensivierung und Verbreiterung des Interesses an dieser Forschungsdisziplin dadurch, dass ihr zunächst zentraler Untersuchungsgegenstand, der Beitrag verbesserter Ausbildung der Arbeitskräfte zum Wachstum, auf dem Hintergrund der wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik der Industrienationen sowie der im Anschluss an die Entkolonialisierung der Dritten Welt einsetzenden Entwicklungspolitik von hoher gesellschaftspolitischer Relevanz war. Den Ausgangspunkt für die bildungsökonomische Forschung bildeten zunächst empirische Untersuchungsergebnisse der neoklassischen Wachstumstheorie, die zeigten, dass das Wachstum des Sozialprodukts über die Zeit nur zu geringen Teilen durch die mengenmäßige Zunahme der Produktionsfaktoren -3 Arbeit und Kapital erklärt werden kann. Der dadurch nicht erklärbare Teil des Wirtschaftswachstums wurde i.d.R. dem technischen Fortschritt zugeschrieben. Dieser wiederum ist in bedeutendem Ausmass auf Forschung und Ausbildung zurückzuführen. Von dieser (bislang inhaltlich noch wenig präzisierten) Einsicht ausgehend, strebt die Bildungsökonomik an, theoretische und praktische Grundlagen für eine rationale Bildungspolitik und Bildungsplanung zu schaffen. Dabei hat sie sich methodisch wie inhaltlich in äußerst vielfältiger Weise fortentwickelt, so dass eine genau umrissene Definition des Gegenstandsbereichs der Bildungsökonomik kaum gegeben werden kann. Vier Forschungsschwerpunkte der Bildungsökonomik lassen sich jedoch benennen: a) Fortführung der theoretischen und empirischen Untersuchungen zwischen Wirtschaftswachstum, Einkommen und Ausbildung. Hierzu gehören v.a. Arbeiten, die den Beitrag der Bildungsinvestitionen zum Wirtschaftswachstum zu ermitteln versuchen, und Untersuchungen, in denen private und soziale Renditen von Bildungsausgaben berechnet werden. Die Forschungsarbeiten basieren auf dem Konzept des Arbeitsvermögens (Humankapitaltheorie). b) Der zweite Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet der Bildungsplanung. Die bisher entwickelten Planungsmodelle stützen sich nur z.T. direkt auf die unter a) genannten Untersuchungen; häufiger ist bislang der Typ der reinen Mengenplanungsmodelle ohne Optimierungscharakter. c) In neuerer Zeit verstärken sich die Forschungsbemühungen auf dem Gebiet der inneren Ökonomie der Bildungseinrichtungen. Hierzu gehören z.B. Untersuchungen über optimale Schulgrößen, Rationalisierungsmöglichkeiten der Ausbildung und pädagogisch-ökonomische Effizienzanalysen moderner Bildungstechnologien. Derartige Untersuchungen stehen freilich vor dem Problem, dass eine Produktionstheorie der Schule (oder anderer Ausbildungseinrichtungen) nur in allerersten Ansätzen vorliegt. Bisher ist selbst das Problem einer für produktionstheoretische Fragestellungen adäquaten Outputmessung des Bildungssystems noch nicht gelöst. d) Forschungsarbeiten zu den Steuerungsmechanismen des Bildungssektors, d.h. zu der Frage, welches die Anreizstrukturen sind, die das Verhalten der Akteure im Bildungssektor (Lehrer, Lernende, Bildungsverwaltung und -politik) steuern, und wie diese Anreizstrukturen bildungspolitisch gestaltet werden können. Aufgrund verschiedener Formen von Marktversagen (externe Effekte, Verteilungsziele, Informationsprobleme) greift der Staat stark in den Prozess der Produktion von Bildung ein, so dass der Bildungsbereich weitgehend verwaltungswirtschaftliche Züge angenommen hat. Die neuere Diskussion bemüht sich daher um Lösungen, wie durch eine stärkere Betonung von Wettbewerbselementen die Leistungsanreize auf der Seite der Bildungsanbieter und der -nachfrager verstärkt werden können. Dies ist durch finanzielle Anreize, aber auch durch Prestigewettbewerb (v.a. in der Forschung, aber auch in der Lehre) möglich. Die Organisierung von Quasi-märkten und Techniken der ergebnisabhängigen Finanzierung sind hierbei die Hauptstrategien. Literatur: Behringer, F., Jeschek, W. (1993). Helberger, Ch. (1989). Brinkman, G. (1985). Combe, A., Petzold, H.-J. (1977). Sheehan, J. (1973)
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