(Hierarchie, Verwaltung) gesellschaftliches Entscheidungsverfahren, das sich einerseits auf die Unternehmensorganisation (Unternehmenshierarchie), andererseits in demokratisch verfaßten Staaten auf die öffentliche Verwaltung bezieht, d.h. auf die Organisation, welche die von Regierung bzw. Parlament beschlossenen Maßnahmen vorbereitet und ausführt. Sie ist gekennzeichnet durch Daueraufgaben - manchmal überdauert die Organisation auch die Aufgabe Parkinson- Gesetz), durch genau festgelegte Zuständigkeiten und durch eine hierarchische Gliederung.
Das sowohl durch ihre Stellung zwischen Regierung, Parlament und Interessengruppen als auch durch die genannten Organisationsprinzipien geprägte Verhalten der Bürokratie ist Gegenstand der Bürokratietheorie, die als Teil der Neuen Politischen Ökonomik von der Grundprämisse ausgeht, daß die Handlungen der Bürokraten von deren Eigeninteressen mitbestimmt werden und daher keineswegs immer dem Gemeinwohl dienen. Bürokraten orientieren sich danach an pekuniären Bezügen, Macht und Ansehen, Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen, Muße u. ä.
Während in der Realität diese Motive i. d. R. in der Nutzenfunktion des Bürokraten gleichzeitig Berücksichtigung finden werden, beschränkt man sich in der Modelltheorie auf die Analyse einzelner Motive bzw. Motivkomplexe. In der Pionierarbeit von William A. Niskanen dominieren pekuniäre Bezüge sowie Macht und Ansehen, woraus aufgrund der internen Organisationsprinzipien auf den Expansionsdrang der Bürokratien geschlossen wird: Je größer die Behörde, um so tiefer die hierarchische Gliederung, um so größer daher die Aufstiegsmöglichkeiten und die pekuniären Bezüge.
Oliver E. Williamson sein Ansatz bezieht sich zwar nicht direkt auf staatliche Organisationen, läßt sich jedoch ohne weiteres auf diese übertragen - betont hingegen die Motive Arbeitsbedingungen und Muße, die überhöhten Faktoreinsatz (insb. Arbeitskräfte) und überhöhte Faktorentlohnung nach sich ziehen. Diese Art der Nutzung des bürokratischen Spielraums bedeutet freilich Verzicht auf die Maximierung des Budgets wie im Niskanen- Modell, was eine überoptimale Budgetgröße jedoch keineswegs ausschließt. Während somit Niskanen lediglich auf die Allokations- ineffizienz hinweist, kommt bei Williamson wegen der Abwesenheit der Minimal-kostenkombination zusätzlich Produktionsreifizienz ins Spiel.
Beide Varianten erklären sich aus den überlegenen Informationen, über welche die Bürokratie gegenüber Regierung und Parlament verfügt. Während die Verwaltung sich aufgrund der öffentlichen Verlautbarungen von Regierung und Parlament ein gutes Bild von deren Nutzenvorstellungen machen kann, tappen letztere bezüglich der Kostenfunktionen des Verwaltungsapparates weitgehend im dunkeln, d. h. sie sind auf dessen Angaben angewiesen.
Zu diesem "internen" Informationsmonopol mag noch eine "externe" Informationsüberlegenheit infolge der engen Kooperation zwischen Bürokratie und Interessengruppen hinzukommen.
Aus dieser Situation resultiert für die Verwaltung die Möglichkeit, sich als Optionsfixierer zu verhalten, d.h., mit dem Leistungspaket (Output) zugleich eine Budgetforderung zu verknüpfen. Da Regierung und Parlament über die Grenzkosten nicht informiert sind, können sie den Nutzen eines zusätzlichen
Outputs nicht mit dessen Kosten vergleichen und das optimale Budget (Punkt Q0) nicht realisieren (vgl. Abb.). Vielmehr gelingt es der Behörde, im Falle der Niskanenschen Budgetmaximierung das fiskalische Residuum (Konsumentenrente) abzuschöpfen und voll in zusätzlichen Output zu verwandeln (Punkt Qn) oder sich dieses über Kostensteigerungen (Williamson) unmittelbar wenigstens teilweise anzueignen (Punkt Qw).
Ob staatliche Bürokratien eher der Budgetmaximierung oder der "Kostenproduktion" zuneigen, mag im Einzelfall von der Persönlichkeit des Behördenleiters, dem Alter des Behördenzweiges (Expansionschancen) oder von politischen Nebenbedingungen abhängen (Vermeidung von Konflikten mit Regierung, Parlament und Interessengruppen). Empirisch kann die These der "Kostenproduktion" als besser überprüft gelten. Gegen die Annahme der Budgetmaximierung - ohnehin schwer überprüfbar - wird eingewandt, daß sie der Regierung und dem Parlament eine zu passive Rolle zuweise. Alternative Theorien gehen von Koalitionsbildungen zwischen Regierung und Bürokratie aus.
Ludwig von Mises hat bereits 1944 die Ineffizienz der staatlichen Bürokratie auf das Fehlen einer Gewinn- und Verlust-Rechnung und entsprechender Sanktionen zurückgeführt. Interessanterweise gehen neuere Vorschläge dahin, Bürokratien dem Wettbewerb mit anderen Bürokratien oder mit privaten Anbietern auszusetzen. Andere Autoren fordern eine Verschärfung der Budgetrestriktion, direkte Bürgerkontrolle (Ombudsman, Budgetinitiativen etc.) oder Privatisierung.
Literatur: Frey, B. S., Theorie demokratischer Wirtschaftspolitik, München 1981.
Die Bürokratie ist nach Max Weber\'s Herrschaftssoziologie die leistungsfähigste Herrschaftsform für den Staat und die Privatwirtschaft (!), die
1. durch feste Verteilung amtlicher Pflichten,
2. durch fest verteilte Befehlsgewalt und Zwangsmittel,
3. durch Anstellung von Personen mit einer generell geregelten Qualifikation gekennzeichnet und in der Moderne voll zur Entfaltung gekommen ist.
Umgangssprachlich oft als negative Kennzeichnung (nur) der öffentlichen Verwaltung als starre, unwirtschaftliche und kundenunfreundliche Organisation verwendet. Max Webers Einsichten sind differenzierter, auch als die üblichen Zitate in der Reformliteratur erkennen lassen, und deshalb lesenswert.
Im übrigen sollte nicht vergessen werden, dass manche Errungenschaften der Bürokratie, z.Bürokratie Gewährung von Leistungen nach festen Regeln in angemessener Zeit unabhängig von persönlichen Beziehungen oder Vorteilen für den "Beamten", politischer Einstellung usw., in vielen Ländern dieser Welt erst noch erreicht werden müssen.
Die Public Choice-Theorie untersucht mithilfe des Instrumentariums der Mikroökonomie das Verhalten von Akteuren, die wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen. Es hat sich herausgestellt, dass die Akteure nicht nur am gesellschaftlichen Gemeinwohl orientiert sind, sondern auch Eigeninteressen verfolgen. So wird etwa die eigene Karriere betrieben, oder es wird der eigene Machteinfluss verteidigt. Dies zeigt sich häufig bei Budgeterhöhungen, die auch dem eigenen Einfluss dienen. Ein Problem, das auch die Bürger betrifft, etwa wenn immer wieder neue Vorschriften erlassen oder vorhandene „bürokratisch“ angewandt werden.
Der autokratisch-willkürlichen Herrschaft, die in Europa sowohl auf staatlicher als auch auf betrieblicher Seite bis in das vorige Jahrhundert üblich war, stellte Max Weber zu Anfang des 20. Jahrhunderts eine neue Form der Herrschaft gegenüber: Seine Bürokratische Herrschaft ist eine satzungsmäßige Herrschaft, die Willkür verbietet und aufgrund von Gesetzen ausgeübt wird. Der Willkür, Korruption und Vetternwirtschaft setzt Weber eine Herrschaftsform mit klar abgegrenzten Pflichten und Zuständigkeiten, klarer Über- und Unterordnung der Bediensteten, strenger Festlegung von Dienstablaufund -verfahren sowie Aktenmäßigkeit der Vorgänge entgegen. Da Bürokratie auf Dauer angelegt ist, wird sie berechenbar. Was damals ideal erschien, wandelte sich durch Übertreibung der Grundsätze zu Undurchschaubarkeit und Schwerfälligkeit, wodurch Bürokratie heute als negativ empfunden wird. Trotzdem sind die wesentlichen Prinzipien auch heute und in modernsten Unternehmen vorhanden.
In der sozialistischen Wirtschaftslehre: Gesellschaftliches, umständliches und ineffizientes Entscheidungsverfahren, mit genau festgelegten Zuständigkeiten und hierarchischer Gliederung.
Bürokratien entwickeln eigene Strukturen, die weiter existieren, auch wenn sie keine gesellschaftlich und ökonomisch effektiven notwendigen Funktionen mehr haben.
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