Ausbreitung und Annahme eines neuen Produkts innerhalb einer Zielgruppe. Die Grundlage des Diffusionsprozesses wird durch den Adoptionsprozeß der einzelnen Verbraucher gebildet.
Vorgang der Ausbreitung einer Innovation in einem sozialen System (technischer Fortschritt). Diffusionsprozesse sind Teil des sozialen Wandels. Innovationen wie neue Ideen, neue Verhaltensweisen, neue Produkte oder neue Produktionsverfahren müssen eine gewisse "Trägheit" sozialer Systeme überwinden, ehe sie sich auf breiter Front, wenn überhaupt, durchsetzen. Eine Innovation wird zunächst nur von wenigen Personen (oder Organisationen), den Innovatoren, übernommen; dann folgen die "frühen Übernehmer", schliesslich die grosse Masse und die "Nachzügler". Der Übernahmeverteilung entspricht eine S-förmige Diffusionskurve (vgl. Abb.). Diese beschreibt die Entwicklung des Anteils aller zum jeweiligen Zeitpunkt erreichten Übernehmer an der Zahl der potentiellen Übernehmer. Der diffusionstheoretische Ansatz, ursprünglich in der Anthropologie und Soziologie entwickelt, wird seit den 60er Jahren zur Prognose und Steuerung der Marktentwicklung neuer Produkte verwendet. Gegenüber eher beschreibenden Ansätzen wie dem Konzept des Produktlebenszyklus ermöglicht er eine Erklärung des Diffusionsprozesses. Ein Ansatzpunkt sind die im Zeitablauf wechselnden Übernehmertypen, die sich nicht nur in ihrer Innovationsneigung, sondern auch durch sozioökonomische Merkmale, in ihrer Risikoeinstellung, in ihrem Kommunikationsverhalten u.ä. unterscheiden. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer besseren Anpassung der Marketingpolitik an das jeweils erreichte Stadium des Diffusionsprozesses. Einen zweiten Erklärungsansatz bildet die Interpretation von Diffusionsprozessen als Ergebnis von Prozessen der Marktkommunikation. So lässt sich beweisen, dass eine "Weitergabe" der Innovation nach dem Muster der zweistufigen Kommunikation unter bestimmten Voraussetzungen zu den typischen, auch empirisch nachgewiesenen Diffusionskurven führt.
Auf Adoption und Diffusion wirken eine Vielzahl von Einflußfaktoren (vgl. Abb. 1), deren Wirkungszusammenhänge in der bezeichnet im Käuferverhalten den Prozeß der Ausbreitung einer Innovation in einem sozialen System. Innovationen können dabei neue Ideen, Verhaltensweisen, Produkte oder Produktionsverfahren sein. Die Diffusion ist das aggregierte Ergebnis der individuellen Übernahmeentscheidungen (Adoptionen) der Mitglieder des sozialen Systems (Individuen, Gruppen, Organisationen). Diese Übernahmeentscheidungen sind wiederum Ergebnis eines komplexen individuellen Übernahmeprozesses (Adoptionsprozeß). Ein Diffusionsprozeß liegt vor, wenn die Adoptionen im sozialen System zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten. Der zeitliche Verlauf des Diffusionsprozesses wird in der Diffusionskurve abgebildet. Diese erfaßt entweder die kumulierte Zahl der Adopter (Xt) in der Periode t oder die Zahl der Adopter (St), die in der Periode t die Innovation übernehmen (Diffusionsrate). Die Diffusion ist um so weiter vorangeschrit- ten, je mehr Mitglieder im sozialen System die Innovation übernommen haben. Dies wird durch den Marktverbreitungsgrad der Innovation erfaßt, die den kumulierten Anteil der Übernehmer am gesamten Marktpotential (Größe des sozialen Systems) M darstellt. Eine Innovation ist um so erfolgreicher, je größer der erreichte Marktverbreitungsgrad in einer Periode t ist. Marktverbreitungsgrad = Xt/M Die Diffusionsgeschwindigkeit \'ist um so größer, je stärker das „Reservoir“ an potentiellen Übernehmern (M - Xt) ausgeschöpft wird, d.h. je größer die Diffusionsrate im Verhältnis zum Käuferreservoir der Periode tist. Diffusionsgeschwindigkeit = St/(M-Xt)
Adoptions- und Diffusionsforschung untersucht werden. Zentrale Komponenten sind diffusionsexogene und diffusionsendogene Einflußfaktoren: Die diffusionsexogenen Einflußfaktoren lassen sich einteilen in die Gruppe der - Marketing-Instrumente der Anbieter: Dazu zählen im Rahmen der Produktpolitik insb. die adoptionsrelevanten Innovationseigenschaften (Adoptionsprozeß), - ökonomischen, politischen und technischen Rahmenbedingungen des sozialen Systems, - soziodemographischen Merkmale der Mitglieder. Diffusionsexogene Einflußfaktoren steuern den Diffusionsprozeß „von außen“; sie sind im Verlauf des Diffusionsprozesses jedoch nicht konstant: Ökonomische Rahmenbedingungen (z.B. Konjunktur) wandeln sich. Ebenso kann die Innovation durch technischen Fortschritt verbessert oder auf Basis der Erfahrungen von Übernehmern weiterentwickelt werden. Diffusionsendogene Einflußfaktoren gehen unmittelbar aus dem Diffusionsprozeß hervor und treiben ihn unabhängig von den diffusionsexogenen Einflußfaktoren voran. Durch die Ausbreitung der Innovation werden neue Adoptionen induziert; der Diffusionsprozeß erhält so eine innere Dynamik. Diffusionsendogene Faktoren basieren auf dem sozialen Einfluß, der zwischen den Mitgliedern des sozialen Systems herrscht. Als wesentliche Komponenten lassen sich anführen: Erfahrungsfundus: Zu Beginn des Diffusionsprozesses erscheint vielen risikoscheuen Mitgliedern die Innovation als zu riskant. Die Innovation wird erst übernommen, wenn „gesicherte Informationen“ vorliegen. Mit wachsender Verbreitung der Innovation entsteht ein Fundus an Erfahrungen und Kenntnissen über die Innovation, der die Informationsbasis verbessert. Daher „trauen“ sich - positive Erfahrungen vorausgesetzt - zunehmend risikoscheue Mitglieder, die Innovation zu übernehmen. Übernahmedruck:Umchdie Diffusion wird die Innovation zum „Standard“ im sozialen System. Mitglieder, die noch nicht die Neuerung übernommen haben, geraten in eine Außenseiterposition. Es entsteht ein Übernahmedruck (sozialer Druck) auf die NichtUbernehmer, der um so größer ist, je weiter die Diffusion vorangeschritten ist. Durch diesen Übernahmedruck werden bislang unentschlossene oder ablehnende Mitglieder dazu bewogen, die Innovation ebenfalls zu übernehmen. Die diffusionsexogenen und diffusionsendogenen Einflußfaktoren werden durch Kommunikationsprozesse den Mitgliedern im sozialen System „vermittelt“: Die Kommunikation kann sowohl positive als auch negative Wirkungen auf Adoption und Diffusion besitzen: Diffusionsfördernd wirken die Werbung der Anbieter, der Erfahrungstransfer zufriedener Übernehmer und positive Informationen in neutralen Massenmedien (z. B. Testurteile). Diffusionshemmend sind dagegen die Kommunikationsaktivitäten der Konkurrenzanbieter, der Erfahrungstransfer unzufriedener Übernehmer oder negative Informationen von neutralen Massenmedien.
In der Realität resultieren aus dem gemeinsamen Wirken diffusionsexogener und diffusionsendogener Einflußfaktoren schiefe Lebenszyklen, wie sie sich bspw. in Diffusionsmodellen des Bass-Typs ergeben (vgl. Abb. 2). Mit Hilfe solcher Diffusionsmo- delle lassen sich der Diffusionsverlauf einer Innovation prognostizieren und optimale Marketingstrategien im Diffusionsprozeß ermitteln. Durch Veränderungen in den Rahmenbedingungen oder Weiterentwicklungen der Innovation werden allerdings „Strukturbrüche“ ausgelöst, die zu mehr- gipfligen Diffusionskurven führen. Charakteristisch für einen Diffusionsprozeß ist, dass sich in seinem Verlauf die soziodemographischen Strukturen und das Entscheidungsverhalten der jeweiligen Übernehmer (Adoptertypologie) wandeln. Zu Beginn wird die Innovation zwar nur von wenigen, dafür aber „aufgeschlossenen“ Käufern erworben. Mit fortschreitender Diffusion müssen immer resistentere Käuferschichten überzeugt werden. Dies erfordert eine laufende Anpassung des Marketing-Mix an die veränderten Diffusionsbedingungen (Diffusionsmodelle).
Literatur:ifose, H. W., Kommunikation und Diffusion von Produktinnnovationen im Konsumgüterbereich, Berlin 1987. Mahajan, V.; Wind, Y., Innovation Diffusion Models of New Product Acceptance, Cambridge 1986. Rogers, E. M., Diffusion of Innovations, 3. Aufl., London 1983. Schmalen, H., Marketing-Mix für neuartige Gebrauchsgüter, Wiesbaden 1979, S. 40 ff.
Literatur: Kaas, K. P., Diffusion und Marketing, Stuttgart 1973. Rogers, E. M., Diffusion of Innovations, 3. Aufl., New York 1983. Gierl, H., Die Erklärung der Diffusion technischer Produkte, Berlin, München 1987. Hesse, H.-W., Kommunikation und Diffusion von Produktinnovationen im Konsumgüterbereich, Berlin, München 1987.
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