1. Charakterisierung Unter Electronic Procurement (E-Procurement, Electronic Purchasing, E-Purchasing, Online Purchasing) wird die Nutzung elektronischer Medien, insbesondere internetbasierter Informations- und Kommunikationstechnologie, zur Unterstützung der Beschaffung (Beschaffungslogistik, Beschaffungsmanagement) verstanden. Es bildet damit einen Teil des Supply Chain Managements ab, welches insofern über Electronic Procurement hinausgeht, als dass dort die Betrachtung von Geschäftsprozessen über mehrere Wertschöpfungsstufen im Mittelpunkt steht. Die konkrete Ausgestaltung von Electronic Procurement hängt wesentlich von der Art der zu beschaffenden Güter ab. So sind bei der Beschaffung direkter Güter (E-Sourcing) häufig strategische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die beim Einkauf von geringwertigen C-Teilen (Materialmanagement) vernachlässigt werden können. Electronic Procurement ist eng mit dem B2B Electronic Commerce (E-Commerce) verbunden. Grundsätzlich werden dort die gleichen Geschäftstransaktionen betrachtet, allerdings primär aus Sicht der veräussernden Organisation.
2. Zielsetzung Das Leitziel von Electronic Procurement besteht in der Reduktion der mit Beschaffungsprozessen assoziierten Transaktionskosten. Einsparpotentiale ergeben sich insbesondere durch die Automation administrativer Tätigkeiten im Einkauf (Ausfüllen eines Bestellformulars, Auswahl eines geeigneten Lieferanten, etc.) durch entsprechende Anwendungssysteme (Klassifikation von Electronic Procurement Systemen). Der Organisation des Beschaffungsprozesses ist in vielen Unternehmen auf Produktionsgüter (direkte Güter) ausgelegt und differenziert nicht nach Art und Wertigkeit der beschafften Waren. Konkludent wird ein Grossteil des Aufwandes für die Beschaffung durch MRO (Maintenance, Repair, Operations) Güter verursacht, deren Warenwert nur einem geringen Anteil aller beschafften Waren entspricht. Dieses Missverhältnis begründet eine bedeutende Motivation für indirektes Electronic Procurement. Kosteneinsparungen lassen sich ferner durch eine Konsolidierung der internen Beschaffungsaktivitäten und ggf. durch Bündelung der Bestellungen mehrerer Unternehmen (Pooling) erzielen.
3. Funktionale Anforderungen Entsprechend der Unterscheidung in direktes und indirektes Electronic Procurement und der korrespondierenden Wertigkeit der beschafften Waren sind unterschiedliche Anforderungen an elektronische Beschaffungslösungen zu stellen, wobei die Integrationsfähigkeit (Anwendungsintegration) mit anderen Geschäftsanwendungen, insbesondere Enterprise Ressource Planning Systemen (ERP Systemen), grundsätzlich erforderlich ist. Als typische Funktionen können die
(1) Lieferantenauswahl (Passives Sourcing, Multilieferantenkataloge, Online-Ausschreibungen),
(2) dynamische Preisbildungsmechanismen wie die Durchführung von Online-Auktionen oder die Teilnahme an Online-Börsen,
(3) Einkaufsdienstleistungen (insbesondere Pooling),
(4) Katalogmanagement,
(5) Übermittlungsdienste,
(6) Reporting sowie
(7) Bestell- und Bezahlprozessunterstützung identifiziert werden. Mächtigere Lösungen können darüber hinaus Funktionen für eine weitergehende Integration mit Systemen der Geschäftspartner im Sinne des Supply Chain Managements anbieten (siehe auch Business Process Integration).
4. Electronic Procurement Systeme Den Ausgangspunkt zur automatisierten Abwicklung von Geschäftsprozessen bilden so genannte Enterprise Ressource Planning (ERP) Systeme, die seit den 60er und 70er Jahren immer stärkere Verbreitung in der betrieblichen Praxis gefunden haben und erstmalig Teile des Beschaffungsmanagements elektronisch abbildeten. Mit der Anwendung von Just-in-Time Versorgungskonzepten in der Produktion stieg der Bedarf an Anwendungssystemen, die über eine rein interne Geschäftsprozessautomation hinausgehen und einen elektronischen Austausch strukturierter Geschäftsdaten mit ausgewählten Lieferanten ermöglichen. In Folge dessen wurden Electronic Data Interchange Lösungen implementiert, die, zumeist als Punkt-zu-Punkt Architektur über EDI-VANs realisiert, als Vorläufer heutiger Electronic Procurement Systeme angesehen werden können. Moderne Electronic Procurement Lösungen arbeiten in der Regel internetbasiert, um die hohen Kosten für den Aufbau und Betrieb solcher Netze zu vermeiden. Eine Kategorisierung heutiger Electronic Procurement Systeme erfolgt zumeist anhand des Automati onspotentials und der strategischen Bedeutung der Beschaffungsobjekte, wie es in der Abbildung 1 Klassifizierung von elektronischen Beschaffungslösungen dargestellt ist. Weiterhin möglich sind Untergliederungen nach Katalogverantwortlichkeit (elektronischer Produktkatalog) in lieferantenzentriert; einkaufszentrierte und vermittlerzentrierte Lösungen (Systeme) sowie nach Grad der Technologieunterstützung und Integration in Sharing (einfachste Grundfunktionen des Internets wie Suchmaschinen werden genutzt), Application (Verwendung elektronischer Kataloge bzw. Teilnahme an elektronischen Marktplätzen) und Collaboration (weit reichende Integration mit den Systemen des Geschäftspartner, z.B. Funktionen zur Ermittlung von Markttrends und der gemeinsamen Versorgungsplanung; siehe auch Business Process Integration).
5. Problemfelder und Bewertung Die positiven Wirkungen einer elektronischen Beschaffung auf Transaktionskosten, Prozessgeschwindigkeit und Lagerbestände (Beschaffungsmanagement) sind generell unbestritten, werden aber zum Teil durch technische, organisatorische und marktbedingte Ineffizienzen kompensiert. So besteht ein wesentliches Problem in der internen Integration von Electronic Procurement Systemen und Enterprise Ressource Planning (ERP) Systemen (Anwendungsintegration) sowie der unternehmensübergreifenden Anbindung von Lieferanten (Business Process Integration). Weiterhin existieren zahlreiche konkurrierende Standards für das Katalogmanagement und die Klassifizierung von Produkten zur Verwendung in Multilieferantenkatalogen, wie z.B. BMECat (insbesondere in Deutschland verbreitet), ebXML bzw. US/SPSC und eCl@ss sowie herstellerspezifische Formate wie xCBL (CommerceOne) und cXML (Ariba). Ein Wechsel des verwendeten Standards bzw. die Unterstützung verschiedener Standards ist mit hohen Kosten verbunden, wodurch Einsparpotentiale reduziert werden. Erst die nächste Generation von Electronic Procurement Systemen wird den Aufbau flexibel konfigurierbarer, dynamischer Logistiknetzwerke ermöglichen und der Forderung nach erhöhter Produktdifferenzierung und Variantenvielfalt Rechnung tragen. Grosse Hoffungen werden hier in die Integrationstechnologie (Anwendungsintegration) XML-Webservices gesetzt, die als allgemeiner Standard das Potential bietet, bestehende Inkompatibilitäten zwischen Hard- oder Softwaresystemen und übertragungsprotokollen zu überbrücken. Hinweis Zu den angrenzenden Wissensgebieten siehe Beschaffungslogistik, Beschaffungsmanagement, Category Management, Customer Relationship Management, E-Commerce, Efficient Consumer Response, Einkaufscontrolling, ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning-Systeme), Industriemanagement, Logistik, Materiallogistik, Materialwirtschaft, Outsourcing, Produktionsmanagement, Prozessmanagement, Qualitätscontrolling, Qualitätsmanagement, Supply Chain Management.
Literatur: Bartezzaghi, E., Ronchi, S.: A portfolio approach in the e-purchasing of materials, Journal of Purchasing and Supply Management, 10
(3), S. 117-126; Fink, A., Schneidereit, G., Voss, S.: Grundlagen der Wirtschaftsinformatik, 2. Aufl., Heidelberg, 2005; Hildebrand, K. (Hrsg.): Supplier Relationship Management, Heidelberg 2002; Hokey, M., William, P.G.: Electronic commerce usage in business-to-business purchasing, International Journal of Operations & Production Management, 19
(2), S. 909-921; Neef, D.: E-procurement: From Strategy to Implementation, New York, 2001; Nekolar, A.P.: e-Procurement, Berlin u.a., 2003; Puschmann, T., Alt, R.: Successful use of e-Procurement in supply chains, Supply Chain Management 10
(2), S. 122-133; Schubert, P., Wölfle, R., Dettling, W.: Procurement im E-Business, München 2002; Tanner, C., Wölfle, R.: E-Procurement, Fachhochschule beider Basel, Arbeitsbericht E-Business Nr. 8, 2002; Winterling, M.: E-Procurement : zum Einsatz der Internet-Technologie im Beschaffungsmarketing, Köln 2004; Internetadressen: (Foren, Informationsportale) http://www.purchasing.com/, http://www.bitpipe. com/tlist/eProcurement.html, http://www.glscs.corn/, (Verbände) www.napm.org, http://www.oasisopen.org/,; (Katalogstandards) www.ebxml.org, http://www.eclass.de/, http://www.bmecat.org, http://www.xcbl.org/, http://www.cxml.org); (B2B Markplätze) http://www.covisint.com/, https:// www.aeroxchange.com, http://www.newtron.net/mp/nmarkets/, http://www.cc-chemplorer.com; (Hersteller) http://www.sap.com/solutions/business-suite/srm/index.epx, http://www.cornmerceone.com/ solutions/, http://www.ariba.com/solutions/solutions_overview.cfm
Auch als Online-Beschaffung oder E-Purchasing bezeichnete Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung von elektronischen Beschaffungsprozessen im Unternehmen. Hierzu zählen z.B. die elektronische Rechnungsstellung durch Lieferanten, die elektronische Auftragsübermittlung zum Lieferanten, die Auftragsverfolgung und der Status im Intranet oder Internet sowie Ausschreibungen über das Internet. E-Procurement zielt auf die Bildung eines Internet Business to Business Netzwerkes mit den Lieferanten ab. Prozesszeiten und -Kosten sollen so um einen bedeutenden Prozentsatz gesenkt, Fehlerquellen und teure Spontankäufe minimiert werden. Der Einkauf konzentriert sich auf das Lieferantenmanagement und will so Preissenkungen erzielen. E-Procurement-Systeme bedienen sich Handelsplattformen für Käufer („Internet-Marktplätze“).
In der Gesundheitswirtschaft:
Abkürzung für Electronic Procurement, deutsch elektronische Beschaffung.
Teilbereich von E-Commerce. E-Procurement bedeutet die Abwicklung von Beschaffungsprozessen mit Hilfe von elektronischen Kommunikationstechniken, insbesondere über das Internet bzw. Intranet-Lösungen.
E-Procurement oder elektronische Beschaffung ist der Bereich des E-Commerce, der im Gesundheitswesen am weitesten fortgeschritten ist. E-Procurement wird vor allem im Bereich des operativen Einkaufs von Krankenhäusern bzw. Krankenhausgruppen oder Einkaufsgemeinschaften genutzt. Ziel ist hierbei neben der auch in nicht-elektronisch arbeitenden Einkaufsverbünden möglichen Bündelung von Nachfrage die einfache und schnelle Abwicklung aller Geschäftsprozesse im Rahmen der Beschaffung und damit die Senkung der Transaktionskosten in der Beschaffung. Ein weiterer Vorteil wird in der zeitlichen Dimension gesehen, denn E-Procurement macht bei entsprechend hinterlegter Logistik Just-in-Time-Beschaffungsprozesse möglich.
Abk. für Electronic Procurement. Siehe Electronic Procurement (mit Literaturangaben).
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