Verwendung des knappen Gutes Zeit, durch welche die Art, Dauer und Verteilung der ökonomischen Aktivitäten eines Wirtschaftssubjektes maßgeblich mitbestimmt wird. Bis zur bahnbrechenden Studie von Gary S. BECKER (1965) wurde die Zeit überwiegend nur als Dimension betrachtet, in der das ökonomische Geschehen abläuft. BECKER trat dafür ein, Zeit konsequent als wirtschaftliches Gut aufzufassen, das als Input in die verschiedensten ökonomischen Aktivitäten der Wirtschaftssubjekte eingeht. Diese Zusammenhänge sind Gegenstand der Zeitallokationstheorie. Sie ist ein Teilgebiet der einzelwirtschaftlichen Entscheidungstheorie, das v.a. die Theorie des (privaten) Haushalts wesentlich beeinflußt hat. Während in der traditionellen Theorie des Haushalts die Faktorangebotsaktivitäten (Einkommenserwerb) und die Güternachfrageaktivitäten (Einkommensverausgabung) unabhängig voneinander erklärt wurden, ermöglicht die Zeitallokationstheorie die simultane Bestimmung aller Angebots- und Nachfrageaktivitäten. Sie erreicht dies, indem sie die partialanalytische Betrachtung der traditionellen Haushaltstheorie durch eine Totalanalyse des Haushalts ersetzt. Der Grundgedanke der Zeitallokationstheorie ist zumindest implizit bereits in der traditionellen Theorie des Arbeitsangebots enthalten, die die Entscheidung des Haushalts über die Länge seiner Arbeitszeit Ta erklärt. Danach ist die Arbeitszeit des Haushalts optimal (d.h. nutzenmaximierend), wenn seine Grenzrate der Substitution von Einkommen durch Nichtarbeitszeit (= Konsumzeit Td gleich dem Lohnsatz ist. Berücksichtigt man, dass der Haushalt bei gegebener Gesamtzeit T, die der Länge des jeweiligen Betrachtungszeitraums entspricht (z.B. Tag, Woche oder Monat), mit der Entscheidung über die Länge seiner Arbeitszeit zugleich auch seine Konsumzeit (Freizeit, Muße) festlegt, was sich durch die Beziehung T - Ta = Te bzw. T = Ta + T, beschreiben läßt, dann wird deutlich, dass die traditionelle Arbeitsangebotstheorie zugleich eine Theorie der Allokation der Gesamtzeit auf Einkommenserwerb (Ta) und Einkommensverausgabung (Tc) ist. Die erläuterte implizite Analyse der Gesamtzeitallokation ist in der von BECKER initiierten modernen Theorie der Zeitallokation in mehrfacher Hinsicht weiterentwickelt worden. a) Von BECKER selbst ist die Allokation der Konsumzeit auf die verschiedenen Konsumaktivitäten (z.B. Hausarbeit, Muße) in die Betrachtung einbezogen worden. Während der Hausarbeitszeit stellt der Haushalt aus den am Markt erworbenen Konsumgütern (z.B. Kartoffeln und Fleisch oder Waschpulver und Waschmaschine) jene »produzierten« Konsumgüter her, von denen sein Nutzen abhängt (z.B. Mahlzeiten bzw. saubere Kleidung). Analog verwendet er die Mußezeit alternativ zur Erholung (z.B. Schlafen) und zum Vergnügen (z.B. Konzertbesuch). Offensichtlich kombiniert der Haushalt sowohl während seiner Hausarbeit als auch während seiner Muße am Markt erworbene Konsumgüter und Teile seiner Konsumzeit. Damit wird deutlich, dass die Konsumaktivitäten des Haushalts nicht nur einer monetären Restriktion (Bilanzgleichung), sondern auch einer zeitlichen Restriktion unterliegen: Konsumgüter können nur dann den Nutzen des betrachteten Haushalts steigern, wenn zum einen sein Einkommen zur Zahlung des Güterpreises ausreicht und zum anderen die nach dem Einkommenserwerb verbleibende Konsumzeit gross genug ist, um das erworbene Konsumgut zu nutzen. Es liegt auf der Hand, dass zur Erfüllung dieser Bedingungen Gesamt- und Konsumzeit simultan determiniert werden müssen. Diese Aufgabe konnte BECKER via Modifikation der in der Konsumtheorie bislang üblichen Zielfunktion (Nutzenfunktion) und Nebenbedingung (Bilanzgleichung) erstmalig lösen. Damit war zugleich die bisherige Konsumtheorie durch eine im Unterschied zur traditionellen Arbeitsangebotstheorie konsistente Endogenisierung des Einkommens erweitert worden. b) Seither haben die auf BECKER fußenden Autoren das einkommensendogenisierende Konsummodell weiterentwickelt und verfeinert. Dabei sind zwei Gruppen von Modellen entstanden: Die erste Gruppe widmet sich wie das BECKER-Modell der Endogenisierung des Arbeitseinkommens, wobei der bisherige Zeithorizont der Analyse ausreicht, der nur eine Periode umfaßt. Diese Einperiodenbetrachtung wurde zunächst durch die Auflösung der den bisherigen Untersuchungen implizit zugrundeliegenden Annahme nur einer Arbeitsart erweitert und die Allokation der Arbeitszeit auf die verschiedenen Arbeitsaktivitäten (z.B. einfache und qualifizierte Arbeit, offizielle und Schwarzarbeit, unselbständige und selbständige Arbeit) untersucht. In der Folgezeit haben andere Autoren v.a. auch die intrafamiliäre Zeitallokation, externe Effekte des Konsums und zusätzliche Zeitkomponenten, z.B. die Suchzeit (Suchtheorie), in die Betrachtung einbezogen. Die zweite Gruppe versucht, neben dem Arbeits- auch das Kapitaleinkommen zu endogenisieren, wozu eine Erweiterung des Zeithorizontes der Analyse um mindestens eine zusätzliche Periode erforderlich ist. Diese Mehrperiodenbetrachtung unterscheidet sich von der Einperiodenbetrachtung v.a. in zweifacher Hinsicht. Zum einen muss man berücksichtigen, dass inter-temporale Einkommenstransfers möglich sind. Während diese jedoch in der traditionellen Theorie des Haushalts nur durch Sparen bzw. Entsparen bewerkstelligt werden können, lassen sie sich in der Zeitallokationstheorie auch durch intertemporale Reallokation der Arbeitszeit herbeiführen. Zum anderen ist zu bedenken, dass im Mehrperiodenfall die Nichtarbeitszeit nicht notwendig Konsumzeit sein muß, sondern auch eine nichtkonsumtive Verwendung der Nichtarbeitszeit möglich ist, wie sie sich z.B. in der Teilnahme von Wirtschaftssubjekten an Ausbildungsaktivitäten (Bildung von Humankapital) zeigt. Die Ergänzung der traditionellen partial-analytischen Haushaltstheorie durch die neuere Zeitallokationstheorie verdeutlicht, dass das totale Haushaltsoptimum und mithin das individuelle Nutzenmaximum nur dann erreicht werden kann, wenn der Haushalt nicht nur in quantitativer und qualitativer, sondern auch in zeitlicher Hinsicht über sein Faktorangebot und seine Güternachfrage frei entscheiden kann. Allerdings ist in der Realität die individuelle Entscheidungsfreiheit über die Allokation der eigenen Zeit (insbes. der Gesamt- und Arbeitszeit) stark beschnitten. Dies zeigt sich für unselbständig Arbeitende z.B. in Form institutionell geregelter Tages-, Wochen- und Lebensarbeitszeiten und für Selbständige z.B. in Form von Regelungen über Ladenschlußzeiten. Dies beeinträchtigt jedoch nicht den Erkenntniswert der Zeitallokationstheorie: Sie hat die Bedingungen des individuellen Nutzenmaximums komplettiert und ist mithin unentbehrliche Richtschnur einer am individuellen Wohlstandsmaximum auszurichtetenden Wirtschaftspolitik (insbes. Arbeitsmarktpolitik). Literatur: Becker, G.S. (1993). Juster, F.T., Stafford, F.P. (1991). Luckenbach, H. (1978)
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