Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine neue Forschungsrichtung, die über die Verhaltensanalyse von Anlegern das Zustandekommen von Börsenkursen erklärt und angesichts dieser Tatsache in der Literatur auch als einzelwirtschaftlich orientierte Kapital- bzw. Finanzmarktforschung interpretiert wird. Ausgehend davon, dass das menschliche Entscheidungsverhalten nicht den Axiomen der Erwartungsnutzentheorie entspricht und damit als nicht rational im Sinne der „klassischen“ Finanzierungstheorie anzusehen ist, werden verhaltenswissenschaftliche Elemente explizit in die Kapitalmarktforschung einbezogen. Die systematische Erfassung möglicher Verhaltensanomalien und Heuristiken, die Analyse ihrer Auswirkungen auf das Börsengeschehen sowie die Entwicklung von Erklärungsansätzen (im Idealfall: Entscheidungsmodellen), die durch verhaltenswissenschaftliche Elemente geprägt sind, sind Teilforschungsziele des Behavioral Finance. Im Vordergrund zahlreicher Forschungsarbeiten stand bislang das Verhalten von Privatanlegern, da dieses vermutlich in einem weit stärkeren Umfang durch emotionale Faktoren als das institutioneller Anlegerkreise geprägt ist.
Die Behavioral Finance wählt einen verhaltens- und marktpsychologischen Zugang zum Börsengeschehen. Die neoklassisch geprägte Vorstellung vom streng rational handelnden “homo oeconomicus” wird aufgegeben. An seine Stelle tritt ein Menschentyp, der für Irrationalitäten, Emotionen sowie sozi-alpsychologische Ansteckungsprozesse empfänglich ist. Bisher ist es zwar nicht gelungen, mit Hilfe der Behavioral Finance das Börsengeschehen umfassend zu erklären. Gleichwohl konnten in Teilbereichen wichtige Erkenntnisse, z.B. in Bezug auf typische Verhaltensanomalien der Börsenteilnehmer, gewonnen werden. Es ist zu erwarten, dass der erklärungssuchende Ansatz der Behavioral Finance in Verbindung mit dem pragmatisch-konstatierenden Ansatz der Technischen Analyse das Potenzial besitzt, ein fruchtbares, verhaltenstheoretisch fundiertes Modell der Börse zu entwickeln. Siehe auch Technische Analyse.
Literatur: Goldberg, J., von Nitsch, R.: Behavioral Finance: Gewinnen mit Kompetenz, 4. Aufl., München 2004; Kahnemann, D., Tversky, A.: Prospect Theory: An analysis of decision under risk, Econometrica (Vol.47), 1979, 263-291. Internetadressen: http://www.behavioral-finance.de, http://www.finanznachrichten. de
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