Kohortenanalysen oder Kohortenstudien werden in der Literatur sehr unterschiedlich abgegrenzt. »Nach einer ersten, ziemlich einheitlichen Auffassung liegt eine Kohortenstudie dann vor, wenn eine Gruppe von Personen, die eine Kohorte, z.B. eine Geburtskohorte bilden, wiederholten Erhebungen unterzogen wird. In diesem Fall liegt gleichzeitig eine Panelerhebung und damit i.e.S. eine Longitudinalstudie (Längsschnittanalyse) vor« (Kaas, 1983, S. 169).
Ein zweiter Typ der Kohortenstudie ist dadurch gekennzeichnet, dass zu verschiedenen Messzeitpunkten unabhängige Stichproben aus ein und derselben Kohorte gezogen werden. Ein dritter Typ der Kohortenstudie liegt vor, »... wenn verschiedene Kohorten zu verschiedenen Zeitpunkten Gegenstand einer Erhebung sind. Dieses Design wird häufig von demoskopischen Instituten verwendet, um den sozialen Wandel (z.B. von Wertorientierungen) (Wertedynamik) zu verfolgen, soweit er durch den Wechsel der Generationen bedingt ist« (Kaas, 1983, S. 170).
Eine kohortenanalytische Auswertung kann auch in Bezug auf Daten aus Querschnittserhebungen (Querschmttsanaly-se) durchgeführt werden. So können in Untersuchungen, in denen z.B. das Lebensalter der Probanden erhoben wird, durch eine entsprechende Schichtung Kohorten gebildet und auf ihre spezifischen Variablenausprägungen hm untersucht werden.
In der Wirtschaftssoziologie: Untersuchung der Bevölkerung oder von Bevölkerungsteilen im Zeitablauf, bei der die Entwicklungen oder Veränderungen von Gruppen, die durch zeitliche Merkmale (gleicher Geburtsjahrgang, gleiches Schulabschlussjahr) gekennzeichnet sind, analysiert und verglichen werden. Diese Gruppen, deren „Schicksal“ über einen gewissen Zeitraum verfolgt wird, werden Kohorten genannt. Die Analyse von Kohorten gleicher Geburtsjahre („die Achtzehnjährigen“) erfolgt häufig zur Erforschung von Generationsproblemen.
Bei einem kohortenanalytischen Verfahren bzw. Datendesign wird die hinter jedem Markt stehende Nachfragerpopulation in einzelne Altersgruppen zerlegt, die dann zu mindestens zwei Zeitpunkten „beobachtet“ werden. Die Altersgruppen bezeichnet man wegen ihres gleichen Geburtszeitraums auch als (Geburts-) Kohorten. Unter einerKohor- tenanalyse, genauer unter einem kohortenanalytischen Design, ist dementsprechend die im Zeitablauf mindestens zweimalige Messung der einzelnen Kohorten einer Nachfragerpopulation zu verstehen. Abb. 1 verdeutlicht das Prinzip, wobei C 1 bis C 12 Jahrgangskohorten unterschiedlicher Geburts-Dezennien darstellen. Durch das Kohortendesign ist es möglich, die folgenden drei theoretisch denkbaren und für die strategische Marktforschung bedeutsamen Effekte auf Marktentwicklungen zu erfassen und von daher auf die konkreten Ursachen zu schließen (Abb. 2). 1) Alterseffekte Mit dem natürlichen Reifungs- bzw. Alterungsprozess unterliegen Konsumenten regelmäßig auch einem psychosozialen Veränderungsprozeß, der quasi „naturgemäß“ auftritt. Verhaltensänderungen resultieren dabei schon aus physisch-biologischen Veränderungen, die sich beispielsweise in veränderten Ernährungsnotwendigkeiten nieder- schlagen. Konsumrelevanter sind aber i. d. R. (sozial-)psychologische Veränderungen, die sich in altersstufenspezifischen Einstellungen und Verhaltensweisen ausdrücken. Neben solchen „inneren“ Prozessen laufen mit fortschreitendem Alter aber auch typische „äußere“ Veränderungen ab. Gemeint ist das im Konzept des Familienlebenszyklus erfaßte Übertreten in wechselnde Haushaltskonstellationen, das auch typische Einkommenssituationen mit sich bringt. 2) Kohorteneffekte Für das Kaufverhalten von Konsumenten macht es einen Unterschied, ob sie beispielsweise 1950 zwanzig Jahre alt waren oder ob sie es heute sind. So kommt es, dass die Senioren von heute als „neue Alte“ andere Denk- und Konsumverhaltensmuster aufweisen als die Senioren von vor zwanzig Jahren; sie sind in einer anderen Zeit geboren und alt geworden und haben kohortenspezifische Konsumstile entwickelt (Seniorenmarkt, Jugendmarkt). Marktveränderungen können dementsprechend auch durch das Nachwachsen junger Kohorten mit spezifischen Prägungen verursacht werden. 3) Periodeneffekte Von Periodeneffekten spricht man, wenn bestimmte Ereignisse alle Personen einer Population unabhängig von ihrem Alter und ihrer Generationszugehörigkeit in gleicher Weise betreffen. Periodeneffekte, wie z. B. einzelne Anbietermaßnahmen, technische Neuerungen oder unterschiedliche ökonomische Rahmenbedingungen, wirken also auf die gesamte Population der potentiellen und aktuellen Nachfrager in derselben Weise ein. Da bei einer Kohortenanalyse Veränderungen von Personengruppen (Kohorten) mit dem Älterwerden gemessen werden, muss man dafür die globale Ebene der Markt- bzw. Absatzvolumina verlassen und an personenbezogenen Kaufverhaltensmaßen ansetzen. Zu denken ist an Maßgrößen des Kaufverhal- tens selbst, d.h. insb. an Käuferreichweite, Kaufintensität und Wiederkaufsraten, Ein- kaufsstättenwahl oder z.B. auch an Preisorientierungen etc.; zu denken ist aber auch an „Hintergrundgrößen“ wie z.B. konsumrelevante Motive, Einstellungen oder Werthaltungen. Die Interpretation eines kohortenanalytischen Designs erfolgt, indem man versucht, im Datenmuster die drei prinzipiell möglichen Veränderungseffekte in ihrer Bedeutung zu erkennen. Dazu werden verAbb. 2: Mögliche Ursachen für Veränderungen bei Populationen im Zeitablauf
1) Alterseffekte (bzw.Altersstruktureffekte) Mit dem Älterwerden der Individuen systematisch verbundene Verhaltensänderungen (bzw. mit dem Alter systematisch verbundene Verhaltensunterschiede): • „Innere“ Komponente (Biologische Entwicklungs-/ Alterungsprozesse. Psychologische/ sozialpsychologische Entwick- lungs-/Reifungsprozesse • „Äußere“ Komponente (Familienlebenszyklus mit wechselnden Haushaltskonstellationen, Berufs- und Einkommenssituationen) 1) Kohorteneffekte Verhaltensunterschiede und -Veränderungen zwischen bestehenden und nachrückenden Kohorten (Generationen): • Statistische Komponente (Kohortenunterschiede zu einem gegebenen Zeitpunkt) • Dynamische Komponente (Unterschiedliche Entwicklung von Kohorten im Zeitablauf) 1) Periodeneffekte Mit wechselnden Umweltbedingungen bei allen Individuen in gleicher Weise verbundene Verhaltensänderungen. Quelle: Wimmer; Weßner{1990), S. 171. schiedene sog. Separierungsverfahren auf statistischer Basis vorgeschlagen; pragmatischer ist aber ein Vorgehen mittels „visueller Inspektion“ graphisch dargestellter Datenmuster, wie sie in Abb. 3 an einem Beispiel wiedergegeben sind. Aus den dabei ersichtlichen bzw. interpretierten Effekten kann dann ein Rückschluß auf die dahinterstehenden konkreten Ursachen erfolgen. Kohortenanalysen liefern dem Marktforscher Antworten auf folgende strategisch relevante Fragestellungen: - Sind Marktveränderungen dadurch bedingt, dass junge Nachfrager mit neuen Konsummustern in die jeweils betrachtete Nachfragerpopulation „hineinwachsen“ (Kohorteneffekt), oder ändert sich die gesamte Nachfragerpopulation in ihrem Konsumverhalten (Periodeneffekt) ? - Verändern Nachfrager ihr Konsumverhalten mit dem Älterwerden in immer gleicher Weise (Alterseffekt), oder hängt dies von den jeweiligen Zeitumständen ab, in denen sie groß geworden sind (Kohorteneffekt)? - Inwieweit wirken sich Altersstrukturveränderungen auf künftige Markt- und Absatzpotentiale aus? Schlagen veränderte Besetzungen der einzelnen Altersgruppen auf Märkte in der Weise durch, dass nachrückende Altersgruppen immer wieder gleiches altersgruppenspezifisches Konsumverhalten aufweisen (Alterseffekt), oder ist bei nachrückenden Altersgruppen mit kohortenspezifischem Konsumverhalten zu rechnen (Kohorteneffekt) ? - Zeichnen sich neue, von jungen Kohorten aufgegriffene Konsummuster ab (Kohorteneffekt) und wie tragfähig sind solche Trends?
Literatur: Weßner, KStrategische Marktforschung mittels kohortenanalytischer Designs, Wiesbaden 1989. Wimmer, F.; Weßner, K., Strategische Prognose von Markt- und Absatzentwicklungen mit Kohortendesigns, in: Marketing-ZFP, 12 .Jg.(1990), S. 169-180.
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