Bei einer einheitlichen Geldpolitik und dem Fortfall von Wechselkursen innerhalb der Währungsunion können realwirtschaftliche Divergenzen, vor allem Produktivitätsunterschiede, nicht mehr durch Wechselkurs- und Zinsänderungen abgepuffert werden. Vereinbaren die Tarifparteien eines Mitgliedslandes der EWU etwa über den zu erwartenden realen Produktivitätszuwachs hinausgehende Lohnanhebungen, steigen die Lohnstückkosten. Die negativen Produktions- und Beschäftigungsfolgen können nicht (mehr) im nationalen geldpolitischen (expansive Geldpolitik) und wechselkurspolitischen (Abwertung der eigenen Währung) Alleingang gedämpft werden; die Kontraktion schlägt mithin auf den nationalen Güter- und Arbeitsmärkten durch.
In einer optimistischen Einschätzung wird davon ausgegangen, daß die Tarifparteien diese neuen Ausgangsbedingungen respektieren und eine in Bezug auf die realwirtschaftlichen Bedingungen flexible Lohnpolitik betreiben werden. Die pessimistische Einschätzung geht davon aus, daß die Tarifparteien, speziell die Gewerkschaften, unter Mithilfe der Politik die Beschäftigungsverantwortung auf das Eurosystem zu verlagern versuchen werden. Unter diesem Druck könnte das Eurosystem auf Dauer keine stabilitätsorientierte Geldpolitik durchhalten. Begründet wird diese Befürchtung mit dem Hinweis auf den Vertrag von Amsterdam, der die Beschäftigungsförderung zur Angelegenheit von gemeinsamem Interesse der EU-Mitgliedsländer erklärte.
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