sozialethisches Prinzip, das im Bereich der sozialen Sicherung vor allem in der Sozialversicherung besonderes Gewicht hat. Ausgangspunkt der Versicherung ist der Gedanke der solidarischen Selbsthilfe. Nach dem Grundsatz "Einer für alle und alle für einen" (Oswald von Nell-Breuning) werden hier die Schadensfolgen atomisiert und auf die Schultern der Mitglieder der Versicherung verteilt. Die Mitglieder erbringen durch Beitragszahlung die Mittel für die Finanzierung der Versicherungsleistungen. In der Sozialversicherung wird der Solidargedanke stärker belastet als in der Individualversicherung; denn die Sozialversicherung hat nicht nur den Schadensausgleich im Sinne des Versicherungsprinzips zu leisten, sondern darüber hinaus auch in einem kleineren oder grösseren Umfang eine soziale Umverteilung zu bewirken. Diese zusätzliche Aufgabe, die in den einzelnen Bereichen der Sozialversicherung unterschiedlich tief ausgestaltet ist, setzt ein Solidaritätsbewusstsein der in der Versicherung Zusammengeschlossenen voraus. Sein Vorhandensein ist erst die Grundlage für einen solchen Ausgleich. Fehlt die Solidarität, dann besteht die Gefahr, dass Mitglieder wenn das möglich ist — die Versicherungsgemeinschaft verlassen oder durch unsolidarisches Verhalten (moral hazard) den Versicherungsgedanken pervertieren. Das Solidaritätsprinzip geht also von der Handlungsfreiheit des einzelnen aus, verlangt aber von ihm bei seinen Handlungen die Berücksichtigung der Interessen anderer oder der Gemeinschaft. Insofern sind seiner Interessenverfolgung Schranken gesetzt, die sich aus dem Wohle anderer oder der Gemeinschaft bestimmen lassen. Daraus abzuleiten ist, dass der einzelne im Interesse anderer oder der Gemeinschaft Opfer auf sich zu nehmen hat. Bei Versorgungsleistungen ist der Solidargedanke ausgeweitet. In der Solidargemeinschaft ist jetzt gleichsam die Gesamtheit der Bürger eines Landes zusammengeschlossen, die die Mittel für die Finanzierung der Versorgungsleistungen erbringen. Hier wird also an das Solidargefühl aller Staatsbürger appelliert, während die Sozialversicherung sich nur an die Solidarität der Mitglieder der Versicherungsgemeinschaft zu wenden hat. Literatur: Winterstein, H., Prinzipien der sozialen Sicherung, in: WiSt, 5. Jg. (1976), S. 433 ff.
Christliche Soziallehre
Die Sozialversicherung ist in starkem Masse vom Solidaritätsprinzip geprägt: Die Beiträge der Arbeitnehmer richten sich nach der Einkommenshöhe. Wer wenig verdient, zahlt auch weniger. Dies wirkt sich zwar auf die Höhe von Rente und Arbeitslosengeld aus, doch eine Leistungsäquivalenz ist nur bedingt vorhanden. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind die Leistungen sogar für alle Mitglieder praktisch gleich.
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