Einzelhandelskategorie, bei der der Kunde im Distanzkauf Produkte bestellt und zustellen lässt. Deutschland ist das Land des Versandhandels. Etwa 22,16 Millionen Deutsche gelten als Versandhandelskunden. Der Versandhandelsumsatz ist innerhalb eines Jahrzehnts von 24,4 Mrd. Mark auf 40,2 Mrd. Mark gestiegen. Die typischen Besteller sind
- 30 bis 50 Jahre alt,
- leben in Haushaltungen mit drei und mehr Personen,
- haben ein Nettoeinkommen von über 3000 Mark und
- wohnen in Städten bis 20.000 Einwohner.
Hohe Wachstumsraten haben die vielen kleinen Sortiments-und Spezialversender, die einen Einzelhandelsmarktanteil von etwa sechs Prozent auf sich vereinigen und bereits 40 Prozent des Versandhandelsumsatzes erwirtschaften. Der Versandhandel ist eine erfolgversprechende Alternative zum stationären Einzelhandel, wenn er sich auf eine relativ wettbewerbsfreie Nische konzentriert – allerdings deutschlandweit. Die künftige Erfolgsregel des Versandhandels ist somit
- ein ganz bestimmtes Spezialsortiment
- für eine ganz bestimmte Kundengruppe
- in einem möglichst großen Verkaufsgebiet.
Das Ziel ist, sich auf ein Kundensegment zu spezialieren, das auf Grund des geringen Volumens innerhalb des Einzugsgebiets eines Fachhandelsgeschäfts oder eines Outlets nicht berücksichtigt werden kann. Beispiele sind hier ausgefallene Marken für Whiskykenner, CDs für die Liebhaber historischer Opernaufnahmen und Buchübersetzungen für Freunde afrikanischer Literatur. Bisher scheiterten Versandhandels-Inititativen an den relativ hohen Vorlaufkosten für Werbung und Katalogherstellung. Heute nutzt der Versandhandel jedoch kostengünstig das Internet als Marketinginstrument, als elektronischer Katalog und als Vertriebskanal. Der erste Schritt für den Start eines Projektes ist, über den Spezialmarkt, seine Kundenstruktur und deren spezifischen Bedürfnisse hohe Kompetenz zu erlangen. Diese vermittelt Sicherheit bei der Zusammenstellung des Kern- und des Nebensortiments sowie der zielgruppenspezifischen Ansprache. Nachdem der spezialisierte Versandhandel von der Mundwerbung lebt, bezieht dies auch Strategien des Empfehlungsmanagements mit ein.
Form des Einzelhandels, bei der Waren vorrangig mittels Katalog, Prospekt, Anzeige oder durch Vertreter oder Sammelbesteller angeboten und dem Käufer nach Bestellung durch die Post oder auf andere Weise zugestellt werden. Versandhandlungen unterhalten zum Teil auch offene Verkaufsstellen (z. B. Waren- und Kaufhäuser, Supermärkte, Fachgeschäfte und Bestellkontore) oder — Katalogschauräume bzw. Bestellshops. Andererseits betätigt sich der stationäre Einzelhandel (z.B. Waren- und Kaufhäuser, Fachgeschäfte) mitunter gleichfalls im Versandhandel (Versandabteilungen).
Betriebsform des Einzelhandels, in der nicht nur gelegentlich, sondern gezielt und fortwährend Waren und Dienstleistungen dem Konsumenten im Wege des Direktvertriebs angeboten werden. Die Bestellungen werden schriftlich, fernmündlich, elektronisch oder durch die Einschaltung von Kontaktstellen, z.B. Sammelbesteller, Vertreter im Nebenberuf, Katalogschauräume, Verkaufsagenturen oder Verkaufsausstellungen, entgegengenommen. Bestellte Waren werden mit zeitlicher Verzögerung unter Einschaltung öffentlicher oder privater Transportunternehmen, durch eigene Transportmittel oder mit Hilfe der Kontaktstellen ausgeliefert. Begrifflich wird zwischen dem funktionalen und dem institutionalen Versandhandel unterschieden. - Nach der funktionalen Betrachtung ist das Versandprinzip ein Marktbearbeitungssystem neben anderen. Unternehmen, die das Versandprinzip als ein Marktbearbeitungsprinzip neben anderen einsetzen, werden „Auch-Versender“ genannt. Bei der institutionalen Betrachtung ist das Versandprinzip das dominierende Marktbearbeitungssystem eines einzelnen Unternehmens bzw. einer Branche. Eine de- finitorische Beschränkung auf Betriebe, die schriftliche Bestellungen annehmen und den Warenversand auf dem Postwege vornehmen, gilt heute angesichts der Vielfalt der Bestell- und Versandwege nicht mehr als zweckmäßig. Bei einer eindeutigen Zuordnung des Versandhandels in den Wirtschaftsstatistiken ergeben sich Probleme: Die sehr unterschiedlichen Umsatzzahlen, die dem Versandhandel in der Bundesrepublik Deutschland zugeschrieben werden, sind auf das Schwerpunktprinzip und die Ungleichbehandlung des Direktvertriebs in einschlägigen Statistiken zurückzuführen (vgl. BVH). Das Statistische Bundesamt zählt im Rahmen der Handels- und Gaststättenzählungen diejenigen Unternehmen zum Versandhandel, die den überwiegenden Teil ihres Umsatzes (über 50%) nicht im offenen Ladengeschäft erzielen. Des weiteren wird der Direktvertrieb nicht dem Versandhandel zugerechnet, sondern unter der Rubrik „Handelsmittlung“ erfaßt. In der Statistik des Bundesverbandes des Versandhandels e. V. (BVH) dagegen, dessen Mitglieder 90% des Versandhandelsmarktes repräsentieren, wird der Direktvertrieb dem Versandhandel zugerechnet. Nach dem BVH zählen auch Unternehmen zum Versandhandel, die sich des Versandprinzips bedienen (z. B. Warenhäuser), ihren Umsatz jedoch zum überwiegenden Teil im stationären Handel erzielen. Brancheninterne Schätzungen ergaben für 1990 einen Gesamtumsatz des deutschen Versandhandels in Höhe von ca. 30 Mrd. DM, was c.a. 5% Marktanteil am Einzelhandelsmarkt entspricht. Zwei Drittel der Umsätze vereinten die Großversender Quelle, Otto und Neckermann auf sich. Die Wiedervereinigung bescherte dem Versandhandel neue Umsatzzuwächse im Mrd. EUR-Bereich. Gewisse Merkmale, die eine Beschreibung der unterschiedlichen Erscheinungsformen des Versandhandels ermöglichen, lassen sich aus der Sortiments- und Kommunikationspolitik des Versandhandels gewinnen. Nach der Sortimentsstruktur läßt sich der Sortimentsversandhandel von dem Spezial- oder Fachversandhandel unterscheiden. Am Umsatz des Versandhandels ist der Sortimentsversandhandel mit ca. 65%, der Fach- und Spezialversandhandel mit ca. 24% und der Direktvertrieb mit ca. 8% beteiligt (vgl. BVH). Die Unterscheidung nach der Art der Kaufanbahnung in Katalog- oder Vertreterversand stellt kein ausreichendes Differenzierungskriterium dar, weil zum einen damit nicht alle Akquisitionsverfahren, wie z.B. Teleshopping oder das Angebot und die Bestellung per Bildschirmtext (Btx), erfaßt werden und zum anderen die suggerierte Trennung in Vertreter- oder Katalogversand der Realität nicht gerecht wird, da auch Absatzhelfer, im besonderen die Sammelbesteller und Außendienstmitarbeiter, den Katalog als Präsentationsmittel für die angebotenen Waren und Dienstleistungen einsetzen. Eine weitergehende Unterteilung der Sortimentsversandhäuser unterscheidet zwischen klassischen fiwze/- bzw. Nachnahm eversen- dern, die den größten Teil der Umsätze mit Einzelkunden tätigen, und Sammelbesteller- Versandhäusern, die über Sammelbesteller oder Vertreter im Nebenberuf Waren und Dienstleistungen anbietenund absetzen. Beim Bestellvorgang hat in jüngerer Zeit das Telefon eine größere Bedeutung erlangt, während der Anteil der schriftlichen Bestellungen rückläufig ist. Bei Einzelversendern liegt die Bestellquote per Telefon bei ca. 40%, bei Sammelbesteller-Versandhäusern bei ca. 80 %. Der Auftragswert bei einer telefonischen Bestellung liegt durchschnittlich zwischen 4-8% über dem einer schriftlichen, da bei Lieferengpässen dem Kunden umgehend Ausweichangebote vorgeschlagen werden können. Entsprechend der Kundenstruktur des Versandhandels ist die Damenoberbekleidung einer der wichtigsten Umsatzträger des Versandhandels. In anderen Warengruppen hält der Versandhandel beachtliche Marktanteile (z.B. Staubsauger, Kühlschränke etc.). Gegenwärtig ist im Versandhandel eine sortimentspolitische Umorientierung i.S. eines konsequenten Trading-up festzustellen. Eine zunehmende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Verpackung zu. Eine angemessene Verpackung und ein staubfreier, hängender Versand sind z.B. Voraussetzungen für den Absatz von hochwertiger T extil ware. Im Versandhandel ersetzt i. d. R. das schriftliche Angebot in Form eines Katalogs oder eines Prospekts das Verkaufsgespräch. Durch die Datenverarbeitungstechnologie ist es gerade im Versandhandel möglich geworden, genaue Informationen über die Kundenstruktur zu gewinnen (Database- Marketing) und auf deren Basis z.B. mikrogeographische Segmentierungen durchzuführen. Die Informations-, Selektionsund Segmentierungsmöglichkeiten der Kundendatenbanken haben erheblichen Einfluß auf weitere Funktionsbereiche des Versandhandels, z.B. die Kataloggestaltung und alle Gewährung von Zahlungs- und Lieferkonditionen (Absatzfinanzierung). Ein zunehmendes Dienstleistungsangebot bei Raten- und Teilzahlungsgeschäften und bei Lieferung auf Rechnung erfordert dabei eine umgehende Bonitätsprüfung des Kunden, die bereits bei der Bestellung des Kunden vorliegen sollte. WichtigerErfolgsfaktor ist ferner die Lieferbereitschaft (Lieferservice): Präsenzfehler wirken sich im Versandhandel ungünstiger aus als im stationären Handel, da z. B. die Nackfrage nicht sofort umgeleitet werden kann. Die schnelle Auswertung eingehender Bestellungen nach dem Erscheinen des Hauptkataloges - einem Indikator für Trends - erhöht die Lieferbereitschaft eines Versenders; die Reaktionszeiten der Einkäufer für Dispositionen werden auf diese Weise verkürzt (Nachfrageschätzung). Im Falle einer Fehldisposition aufgrund zu niedrig eingeschätzter Nachfrage können Nachdispositionen schneller als früher veranlaßt werden. Die Lieferbereitschaft ist durch die Database nicht mehr wie früher in erster Linie eine Frage innerbetrieblicher Informationsgewinnung, sondern ein Problem der Produktionsflexibilität seitens der Lieferanten. Die Preispolitik des Versandhandels war ursprünglich an der Zielsetzung ausgerichtet, flächendeckend Ge- und Verbrauchsgüter zu einem niedrigeren Preisniveau als der stationäre Handel anzubieten. In Werbeslogans wie „Neckermann macht’s möglich!“ manifestierte sieh diese Zielsetzung, die heute anderen Betriebsformen, z.B. dem Verbrauchermarkt, zugeschrieben wird. Die relative Preisstabilität, die z.B. in der halbjährigen Gültigkeit von Katalogen und der schnellen Vergleichsmöglichkeit zwischen den Preisen mehrerer Kataloge begründet liegt, trägt heute zum Image eines günstigen Anbieters bei, was sich auch in dem enormen Umsatzzuwachs der großen Versender nach der deutschen Wiedervereinigung zeigte. Günstige Preise waren 1982 mit 57% vor der bequemen, ungestörten Auswahl noch das wichtigste Argument für einen Kauf im Versandhandel, während 1987 55% günstige Preise, dagegen 75% die bequeme Auswahl als Vorzug dieser Vertriebsform empfanden (vgl. BVH). Die günstigen Zahlungsbedingungen, wie der Ratenkauf, der Kauf auf Rechnung usw., verlieren als Kaufargument zunehmend an Bedeutung. Bei der Organisation des Warenversandes lassen sich in der Hauptsache zwei Varianten unterscheiden: Der klassische Versandhandel bedient sich vorwiegend der Zustelldien- ste der Deutschen Bundespost, da er überwiegend mit dem Katalog Einzelkunden anspricht. Die Einschaltung von Sammelbestellern und Vertretern imNebenberuf zur Kontaktanbahnung erlaubt die Zustellung der Ware mit eigenen Transportmitteln, da der Sammelbesteller die Verteilung der bestellten Ware an den Kunden übernimmt. Die Verteilung der Ware erfolgt aus sog. Wa- renverteilzentren. Dabei handelt es sich um überregionale Lager, die nach sortimentsspezifischen Anforderungen eingerichtet sind, so z. B. für eine spezielle Lagerung von Elektronik, Haushaltsgeräten, Möbeln oder für eine hängende Lagerung hochwertiger Textilien. Die Dezentralisation der Lager nach sortimentsspezifischen Anforderungen bedingt einen erhöhten Koordinationsaufwand bei der Auftragsbearbeitung. Die Kommissionierung der Ware erfolgt bei den Sortimentsversendern nach wie vor manuell in Kommissionierlagern, während bei der Bestückung der Kommissionierlager aus Außenlagern (Hochregallagern etc.) inzwischen ein hoher Automatisierungsgrad erreicht wurde (Depot, Lieferbereitschaft).
Literatur: BVH, Bundesverband des deutschen Versandhandels e. V. (Hrsg.), Der deutsche Versandhandel, Frankfurt 1988. Eli, M.; Laumer, H., Der Versandhandel, Berlin, München 1970. Ge- rardi, A., Das Direct-Marketing des Sortiment-, Spezial- und Soloversandhandels, in: Dallmer, H.; Thedens, G, (Hrsg.), Handbuch des Direct-Mar- keting, 5. Aufl., Wiesbaden 1981, S. 823-846. Meyer, , Die wirtschaftliche Bedeutung des Versandhandels in der Bundesrepublik Deutschland, Freiburg i. Br. 1979.
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