Hypothese über die im Verlauf des Lebenszyklus eines Produktes sich wandelnden Aussenhandelsursachen. Es werden damit Aussenhandelsströme erklärt, die mit dem Ricardo-Theorem oder der Faktorproportionentheorie nicht zufriedenstellend erfasst werden können. Zugleich macht sie Aussagen zum dynamischen Strukturwandel im Welthandel. Der Erklärungsansatz der Produktzyklustheorie bezieht sich vor allem auf den Handel mit neu entwickelten Industrieprodukten. Charakteristisch für diese Produkte ist, dass sie einen sog. Lebenszyklus durchlaufen, der z. B. in Innovationsphase, Ausreifungsphase und Standardisierungsphase unterteilt werden kann. In den einzelnen Entwicklungsphasen sind diese "Produktzyklusgüter" durch unterschiedliche Produktionsverfahren. (von hoher Qualifikations- und Arbeitsintensität hin zu hoher Kapitalintensität) und unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen (von. Monopol zu wachsender in- und ausländischer Konkurrenz; von Qualitäts- zu Preiswettbewerb) gekennzeichnet. In Abhängigkeit von ihrem Entwicklungsniveau unterscheiden sich auch die am Welthandel beteiligten Länder hinsichtlich ihrer Ausstattung mit Produktionsfaktoren (hoch-qualifizierte, gelernte und ungelernte Arbeitskräfte; natürliche Ressourcen; Kapital), des Ausmasses der Technologisierung und der Nachfragestruktur. Im Rahmen der Produktzyklustheorie wird daher vermutet, dass jede Ländergruppe Verfügbarkeitsmonopole (technologische Lücke) oder komparative Vorteile in der Produktion von Gütern jeweils einer bestimmten Produktzyklusphase besitzt: Hochentwickelte Industrieländer werden Ursprungsländer und Exporteure neuer Produkte sein. Mit Beginn der Ausreifungsphase setzen der Standardisierungsprozess und die Imitation in anderen Ländern ein, so dass diese ihre Importe nach und nach durch Eigenproduktion ersetzen. In der Standardisierungsphase ist Entwicklungstechnologie nicht mehr erforderlich, und die Produktionstechnik stellt bei hohem Kapitaleinsatz pro Arbeitsplatz geringe Qualifikationsanforderungen an die Arbeitskräfte. Bei entsprechendem Kapitalzufluss (z. B. durch Standortverlagerung der Produktion aus den Industrieländern) kann nun die reiche Ausstattung mit gering qualifizierten und schlecht bezahlten Arbeitskräften komparative Kostenvorteile für sich industrialisierende Entwicklungsländer induzieren, so dass die Produkte nun vorwiegend von diesen Ländern produziert und exportiert werden können. Die Grafik auf S.1729 zeigt den Wandel in der Aussenhandelsstruktur der USA bezüglich eines Produktes, das von den USA neu entwickelt wurde, im Laufe des Produktzyklus, (Imitation) auch in Europa hergestellt wird und schliesslich in der Standardisierungsphase aufgrund komparativer Kostenvorteile hauptsächlich von Entwicklungsländern produziert und exportiert wird. Eine Bestätigung der Produktzyklustheorie findet sich z. B. bei Erzeugnissen der Elektronikindustrie oder der petrochemischen Industrie. Literatur: Bender, D., Aussenhandel, in: Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik, Bd. 1, 5. Aufl., München 1992, S. 417 ff. Dollar, D., Technological Innovation, Capital Mobility and the Product Cycle in NorthSouth-Trade, in: American Economic Review, Vol. 76 (1986), S. 177 ff. Tichy, G., The Product-Cycle Revisited: Some Extensions and Clarifications, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, 111. Jg. (1991), S. 27ff.
von Raymond VERNON (1966) entwikkelte Theorie, nach der ein neues Produkt zunächst in einem Land mit günstiger Ausstattung mit Humankapital entwickelt und nach Einführung in den heimischen Markt schließlich exportiert wird. Im Lebenszyklus des Produktes spielen später mehr und mehr Produktionsfaktoren (Sachkapital und unqualifizierte Arbeit) eine Rolle, mit denen das Ausland vergleichsweise günstig ausgestattet ist, so dass sich die Herstellung dorthin verlagert und das Inland vom Exporteur zum Importeur wird. Wichtig sind v.a. zwei Momente: a) Güter werden erst exportiert, wenn nach Einführung in den heimischen Markt durch Marktforschung auch die Nachfragebedingungen auf dem Auslandsmarkt erkundet wurden. b) Die komparativen Vorteile bei einem Gut verlagern sich aufgrund des technischen Fortschritts im Zeitablauf von hoch entwickelten zu weniger entwickelten Ländern, was auf die Notwendigkeit einer Dynamisierung traditioneller Theoreme verweist (HECKSCHER-OHLINTheorem, komparative Kosten). Bisweilen wird die Produktzyklustheorie auch mit Entstehung und Wachstum von multinationalen Unternehmen in Verbindung gebracht: Aufgrund hierarchischer statt marktmäßiger Allokation des technischen Wissens ziehen es Unternehmen vor, ein Produkt in Tochtergesellschaften selbst zu produzieren, statt den veränderten Kostenvorteilen dadurch Rechnung zu tragen, dass sie ausländischen Unternehmen die Herstellung erlauben. Literatur: Vernon, R. (1966)
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