hat das gleiche Erkenntnisobjekt wie die Volkswirtschaftslehre, betrachtet dies aber unter der Perspektive des Erlebens und Verhaltens der Wirtschaftssubjekte. Dabei ist die Volkswirtschaftslehre bemüht, von psychologischen Determinanten abzusehen, indem sie, unter Verzicht auf explizite psychologische Forschung, psychologische Grundannahmen innerhalb des Homo-oeconomicus-Modells zusammengefasst hat, das impliziert, dass der Mensch völlig zweckrational handle, Gewinnbzw. Nutzenmaximierung anstrebe, mit Markttransparenz und vollkommener Voraussicht in wirtschaftlichen Dingen begabt sei, sowie sofort völlig und normal auf Datenänderungen reagiere. Derartige Vorannahmen berechtigen sodann z. B. zu Aussagen, wie: "Die Preise regulieren den Gang der Wirtschaft.” Die Unzulänglichkeit des Homo-oeconomicus-Modells zeigt sich besonders klar bei der Analyse individuellen wirtschaftlichen Verhaltens, aber auch bei Betrachtungen auf aggregiertem Niveau. Hier setzt die Psychologie gesamtwirtschaftlicher Prozesse ein, indem sie zu zeigen sucht, in welcher Weise psychologische Determinanten (z. B. Leistungsmotivation, Arbeitsmoral, Erwartungshaltungen, Anspruchsniveau) das Arbeitsverhalten im. Zuge der Erstellung von Gütern und Dienstleistungen sowie das Konsumverhalten im Zuge des Verbrauchs prägen. So zeigte David C. McClelland (1961), dass die vom Erziehungsstil abhängige Ausprägung der Leistungsmotivation in einer Bevölkerung die nachfolgende wirtschaftliche Entwicklung in starkem Masse beeinflusst. George Katona (1951) konnte nachweisen, dass sich aus der Analyse des bestehenden wirtschaftlichen Optimismus bzw. Pessimismus die Konjunkturentwicklung, insb. die Nachfrage nach langlebigen Wirtschaftsgütern, kurzfristig prognostizieren lässt; ähnliche Analysen wurden für die Investitionsneigung der Unternehmen vorgenommen. Als ein weiteres wichtiges Gebiet der Psychologie gesamtwirtschaftlicher Prozesse hat sich die Wohlfahrtsforschung entwickelt, innerhalb derer in Ausweitung traditioneller Wohlfahrtskriterien die Auswirkungen wirtschaftlicher Tätigkeit mit Hilfe subjektiver Sozialindikatoren erfasst werden (vgl. Camp-bell/ Converse, 1972), wobei dann z. B. die Frage interessieren kann, ob und unter welchen Bedingungen mit einem Ansteigen des Bruttosozialproduktes auch eine Steigerung der Lebenszufriedenheit einhergeht. Zunehmend lassen sich in jüngerer Zeit weitere Differenzierungen und Aktualisierungen innerhalb der Psychologie gesamtwirtschaftlicher Prozesse beobachten (Wiswede, 1991), etwa Psychologie der Industrialisierung, des Unternehmertums, der Entwicklung, der entwikkelnden Gesellschaften, des Geldes oder der Börse (Maas/Weibler, 1990). Literatur: Campbell, A./Converse, P. E., Human Meaning of Social Change, New York, 1972. Katona, G., Psychological Analysis of Economic Behavior, New York 1951. Maas, P./Weibler, J., Psychologie der Börse, Köln 1990. McClelland, C., The Achieving Society, Princeton, N.J. 1961. Strümpel, B./Katona, G., Psychologie gesamtwirtschaftlicher Prozesse, in: Irle, M. (Hrsg.), Marktpsychologie als Sozialwissenschaft, Enzyklopädie der Psychologie, Göttingen 1983, S. 225 ff. Wiswede, G., Einführung in die Wirtschaftspsychologie, München 1991.
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