1. Begriffsklärung und Abgrenzung von verwandten Konzepten Ein Einkaufscontrolling umfasst die Planung, die Steuerung und die Kontrolle von Einkaufsaktivitäten sowie eine Informationsversorgung des (Einkaufs-) Managements. Systembildend und systemkoppelnd bezieht es sich sowohl auf die Koordination von Einkaufsressourcen als auch auf die Messung von Einkaufserfolgen. Das Einkaufcontrolling stellt ein Subsystem der Führung dar, und es speist sich im Kern aus operativen Aufgaben. Dazu zählen unter anderem nachstehende Inhalte: Berechnung wirtschaftlicher Mengen und vertretbarer Preise, Verfolgung rechtzeitiger Liefertermine oder Überprüfung qualitativer Attribute. Das Einkaufscontrolling ist von verwandten Konzepten, wie
(1) Beschaffungs-,
(2) Logistik- und
(3) Supply Chain Controlling abzugrenzen.
(1) Ein Beschaffungscontrolling ist weiter gefasst als das Einkaufscontrolling, da es auch strategische Aspekte berücksichtigt (zum Beispiel eine Lieferantenbewertung). Es unterstützt die Gewährleistung der langfristigen Versorgungssicherheit des Unternehmens.
(2) Ein Logistikcontrolling grenzt sich vom Einkaufscontrolling durch die primär physische Zeit- und Raumüberbrückungsfunktion logistischer Aktivitäten ab.
(3) Ein Supply Chain Controlling ist weiter gefasst als ein Logistikcontrolling. Es beschäftigt sich mit der Planung, der Steuerung und der Kontrolle integrierter Unternehmensaktivitäten von Versorgung, Entsorgung und Recycling, inklusive begleitender Geld- und Informationsströme. Das Supply Chain Controlling ist ein Subsystem des Supply Chain Managements.
2. Strategisches Einkaufscontrolling a) Allgemeine Charakterisierung Schwerpunkt der Betrachtung im strategischen Einkaufscontrolling ist die Effektivität (verstanden als Erfolgswirksamkeit) von Einkaufsaktivitäten. Es leistet damit einen Beitrag zur Verbesserung des Unternehmensergebnisses und zur dauerhaften Sicherung der Erfolgsposition des Unternehmens auf dein Markt. Zumeist wird das strategische Einkaufscontrolling unter den Begriff „Beschaffungscontrolling” (vgl. oben) subsumiert. b) Inhalte Um eine Versorgungssicherheit im Unternehmen zu gewährleisten und die Lieferantenstruktur effektiv gestalten zu können, kommen im Einkauf verschiedene Beschaffungsstrategien (Sourcingstrategien) zum Einsatz. Die Sourcing-Konzepte untergliedern sich in
(1) Single Sourcing
(2) Multiple Sourcing,
(3) Double Sourcing,
(4) Sole Sourcing,
(5) Modular Sourcing und
(6) Global Sourcing. (I) Single Sourcing beschreibt die Beschaffung einer Materialart von nur einer Quelle. Charakteristisch für den Einquellenbezug ist der Aufbau einer dauerhaften Partnerschaft zwischen Lieferant und Kunde, die Abstimmung der Organisation, die Übertragung von technischem Know-how an den Lieferanten, eine hohe Vorhersagegenauigkeit sowie ein Höchstmass an Kooperationsbereitschaft zwischen den Partnern.
(2) Multiple Sourcing bezeichnet den Mehrquellenbezug bei Produkten, die einen geringen Erklärungsbedarf haben. Die Kooperation zwischen Kunde und Lieferant ist einmalig und lose (Spotmarktbeziehung).
(3) Double Sourcing beschreibt den Zweiquellenbezug einer Materialart und wird zur Streuung von Risiken genutzt.
(4) Sole Sourcing stellt eine unfreiwillige Art des Single Sourcings dar und entsteht aufgrund einer monopolistischen Anbietersituation.
(5) Modular Sourcing wird zur Reduzierung der Lieferantenschnittstellen eingesetzt. Der Anbieter liefert vor- oder fertigmontierte Module, und er wird als Systemlieferant bereits in die Produktentwicklung integriert.
(6) Global Sourcing beschreibt die Erweiterung der Beschaffungspolitik auf internationale Quellen. Im Rahmen von Planung, Steuerung und Kontrolle dieser Beschaffungsaktivitäten („Sourcing Tool-box”) unterstützt der Einkaufscontroller das (Einkaufs-) Management und versorgt jenes kontinuierlich mit Informationen.
3. Operatives Einkaufscontrolling a) Allgemeine Charakterisierung Im Gegensatz zum strategischen Einkaufscontrolling, das die Erfolgswirksamkeit von Einkaufsaktivitäten betrachtet, bezieht sich das operative Einkaufscontrolling auf die Effizienz von strategisch definierten Einkaufsmassnahmen. Im Vordergrund steht die Erzielung günstiger Kosten-Nutzen-Relationen, die Reduzierung der Einkaufskosten sowie die Optimierung von Einkaufsprozessen im „Tagesgeschäft”. b) Inhalte Zu den Aufgaben des operativen Einkaufscontrollings zählen beispielsweise die kontinuierliche Überwachung von Materialpreisen, die während einer Periode diversen Preisschwankungen unterliegen sowie die Leistungsmessung des Einkaufs. Die Materialpreisabweichung, die durch den Einsatz eines Cost Trackings festzustellen ist, dient dabei als Leistungsindikator. Um eine faire Bewertung des Einkäufers zu gewährleisten, ist die Materialpreisabweichung in beeinflussbare (z.B. die Ausnutzung von Volumeneffekten, die Einhaltung von Zahlungsbedingungen) und nicht-beeinflussbare (wie börsennotierte Materialien oder Wechselkurse) Komponenten zu differenzieren. Weiterhin hat das Einkaufscontrolling auf die Einhaltung von Einkaufsrichtlinien und Rahmenverträgen zu achten. Negative Effekte im Einkauf, die aufgrund von Maverick Buying entstehen können, sollen dadurch vermieden werden. Eine weitere Funktion des Einkaufscontrollings ist die Optimierung von Einkaufsprozessen. Ein Instrument dafür ist die Purchasing Card, die eine Sonderform der elektronischen Beschaffung (Electronic Procurement) darstellt. Ein unternehmensweiter Einsatz der Purchasing-Card ermöglicht eine durchgängige Einbindung des Zahlungsverkehrs in Beschaffungsprozesse und eine Effizienzsteigerung und Kostensenkung bei Einkaufs- sowie Zahlungsprozessen. Die Steigerung der Kostentransparenz kann schliesslich durch Anwendung der Prozesskostenrechnung im Einkauf erreicht werden. Mit Hilfe der Prozesskostenrechnung können die anfallenden Kosten verursachungsgerecht den Kostenträgern (Produkten, Lieferanten oder Aufträgen) zugeordnet werden.
4. Einkaufskennzahlen und einkaufsgetriebene Kennzahlensysteme a) Allgemeine Charakterisierung Im Allgemeinen haben Kennzahlen (Ratios) die Funktion, schnell und aussagekräftig über betriebswirtschaftliche Sachverhalte zu informieren. Sie sind somit auch für das Einkaufscontrolling unverzichtbar. Typische Kennzahlen im Einkauf sind Lieferservicegrad, Anzahl von Mitarbeitern im Einkauf, Einkaufsvolumen (pro Commodity), Fixkosten(-anteil) des Einkaufs, Anzahl der Bestellungen pro Periode, Materialpreisabweichung sowie Kennzahlen zur Preisentwicklung. Die Produktivität des Einkaufs ergibt sich primär aus der Anzahl der Bestellvorgänge pro Stunde. Die Einkaufsproduktivität kann verbessert werden, indem bei gleichem Faktoreinsatz die Ausbringung erhöht wird (Erhöhung der Bestellvorgänge pro Stunde) oder bei gleicher Ausbringung der Faktoreinsatz verringert wird (gleich bleibende Anzahl an Bestellvorgängen in weniger als einer Stunde). Die Wirtschaftlichkeit des Einkaufs wird anhand der Kosten für Bestellvorgänge pro Stunde gemessen. Diese kann gesteigert werden, indem bei gleichen Kosten die Leistung steigt oder bei gleicher Leistung die Kosten verringert werden. Aufgrund der begrenzten Aussagekraft einzelner Kennzahlen, ist ihre Darstellung in einem Kennzahlensystem, wie dem Return on Investment (RoI) notwendig. Der einkaufsbezogene Return on Investment misst die Rentabilität von Einkaufsaktivitäten. In modernen Kennzahlensystemen der wertsteigernden Unternehmungsführung werden Kapitalwerte betrachtet. Ein Beispiel dafür ist der Economic Value Added (EVA), der „betriebliche Übergewinn”. Aus EVA lässt sich sowohl eine Beurteilung des Unternehmensportfolios im Allgemeinen als auch der Einkaufsaktivitäten im Speziellen ableiten. b) Einkaufs-Scorecard Während die klassischen Kennzahlensysteme primär monetär ausgerichtet sind, findet in modernen Kennzahlensystemen eine Bewertung von Leistungen statt (wie Kunden- und Lieferantenzufriedenheit oder Kunden- und Lieferantentreue). Der Wettbewerbsfaktor „Kosten” steht nicht länger allein im Fokus, es werden auch die Schlüsselgrössen „Zeit”, „Qualität” und „Flexibilität” gleichbedeutsam berücksichtigt. Neue Ansätze, wie die Balanced Scorecard, zielen auf eine Ausgewogenheit zwischen monetären und nicht monetären Kennzahlen, operativen und strategischen Grössen, kurzfristigen und langfristigen Positionen sowie internen und externen Prozesse. Im Mittelpunkt der Balanced Scorecard steht die Unternehmungsvision, die von vier Perspektiven: (I) Finanz-,
(2) Kunden-,
(3) interne Prozess- und
(4) Lern- und Entwicklungsperspektive umgarnt wird. Die Perspektiven zeigen Strategien und konkrete Umsetzungsmöglichkeiten anhand von Kennzahlen auf. Sie stehen miteinander in Kausalzusammenhang. Die generische Scorecard, die sich auf das ganze Unternehmen bezieht, kann zur Einkaufs-Scorecard modifiziert werden. Bei den Perspektiven ist eine Anpassung an bereichsspezifisehe Erfordernisse erlaubt. Eine Einkaufs-Scorecard kann um eine fünfte Perspektive, die Lieferantendimension, geweitet werden. Die bisher vor allem extern gerichtete Kundenperspektive bezieht sich jetzt auf primär interne Kundenaspekte. Eine andere Möglichkeit zur Abdeckung von Einkaufsinteressen ist die Umbenennung der Kundendimension zur Marktperspektive, welche neben Kundenmerkmalen auch Lieferantenattribute abdeckt. Pro Perspektive der Einkaufs-Scorecard werden strategische Ziele, Messgrössen, operative Ziele und Aktivitäten vorgegeben. Key Performance Indicators (KPIs) der einzelnen Dimensionen sind beispielsweise:
(1) Finanzperspektive: Einkaufskosten in Relation zu den Gesamtkosten der Unternehmung,
(2) Lieferantenperspektive: Lieferservicegrad, Lieferantentreue, Rücklieferungsquote, Beanstandungsquote,
(3) Interne Prozessperspektive: Zeitaufwand pro Bestellung, Kosten einer Bestellung,
(4) Mitarbeiter- und Lernperspektive: Anzahl Bestellungen je Einkäufer, Beschaffungsvolumen pro Einkäufer. Durch die Modifizierung der Scorecard hinsichtlich einkaufspezifischer Belange, stellt die Einkaufs-Scorecard ein modernes Konzept für das Controlling von Einkaufsaktivitäten dar. Hinweise · Zu den angrenzenden Wissensgebieten des Controlling siehe Balanced Scorecard, Beteiligungscontrolling, Controlling, Grundlagen Controlling, Informationssysteme, Controlling, Internationales, Dienstleistungscontrolling, Erfolgscontrolling, Finanzcontrolling, Investitionscontrolling, Marketingcontrolling, Ökologiecontrolling, Qualitätscontrolling, Risikocontrolling. · Zu den weiteren angrenzenden Wissensgebieten siehe Beschaffungslogistik, Beschaffungsmanagement, Category Management, Customer Relationship Management, E-Commerce, Efficient Consumer Response, Electronic Procurement, Enterprise Resource Planning(ERP-) Systeme, Industriemanagement, Logistik, Materiallogistik, Materialwirtschaft, Operations Research, Optimierung, Outsourcing, Produktionsmanagement, Prozessmanagement, Qualitätsmanagement, Supply Chain Management.
Literatur: Bogaschewsky, R./Götze, U. (Hrsg.): Management und Controlling von Einkauf und Logistik, Gernsbach 2003; Boutellier, R./Wagner, S. M./Wehrli, H.P.: Handbuch Beschaffung, München 2003; Hahn, D./Kaufmann, L. (Hrsg.): Handbuch industrielles Beschaffungsmanagement, 2. Aufl., Wiesbaden 2002; Horväth, P.: Controlling, 9. Aufl., München 2003; Jahns, C.: Controlling im Einkauf und Supply Management. In: Controlling, 4-5/2004, S. 273-281, München 2004; Kerkhoff, G.: Milliardengrab Einkauf, 2. Aufl., Weinheim 2004; Kümpel, T./Deux, T.: Kennzahlen im strategischen Einkaufscontrolling. In: Controller Magazin, 3/2003, S. 243-251, Offenburg 2003; Kümpel, T./Deux, T.: Kennzahlensysteme und Portfoliotechniken für das strategische Einkaufscontrolling. In: Controller Magazin, 4/2003, S. 364-369, Offenburg 2003; Schmidt, A./Wagner, S./011esky, K.: Einkaufscontrolling - Blindflug vermeiden. In: Controlling, 12/2000, S. 595-600, München 2000; Orths, H.: Einkaufscontrolling als Führungsinstrument, Gernsbach 2003; Werner, H.: Supply Chain Management, 2. Aufl., Wiesbaden 2002. Internetadressen: http://www.beschaffung-aktuell.de, http://www.controllermagazin.de, http://www. bme.de, http://www.bmoe.at, http://www.svme.ch, http://www.competence-site.de/beschaffung.nsf http://www.einkaufsnews.de, http://www.bwl.fh-wiesbaden.de/werner/homepage/
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