Der Jurist und Sozialpolitiker Franz Hermann Schulze-Delitzsch wurde am 29. August 1808 in Delitzsch geboren und starb am 29. April 1883 in Potsdam. Schulze-Delitzsch war Richter und Abgeordneter der Preußischen Nationalversammlung. So wie Raiffeisen im ländlich-argrarischen Bereich, gründete Hermann Schulze-Delitzsch im gewerblichen Sektor Genossenschaften, wobei er sich von der Einsicht leiten ließ, daß die Industrialisierung in Deutschland erhebliche Gefahren für die kleineren Gewerbetreibenden heraufbeschwor. Den Handwerkern und gewerblichen Klein- bis Mittelbetrieben fehlten die finanziellen Mittel, um im Konkurrenzkampf mit der aufkommenden Großindustrie mithalten zu können. Die Bildung von Genossenschaften erschien hier als Ausweg aus der bedrohlichen Situation.
1849 begann Schulze-Delitzsch mit der Gründung der Schuhmachergenossenschaft in Delitzsch, 1850 folgte daselbst der Eilenburger Vorschußverein, Vorläufer der späteren Volksbanken. Die Idee der Vorschuß- und Kreditvereine bestand darin, daß alle Mitglieder, die reichen und die armen, gemeinsam in die Genossenschaft einzahlen und damit einen Kapitalgrundstock schaffen. Für Kredite haften alle Mitglieder. Von der strukturellen Seite beruhen die Vorschuß- und Kreditvereine und späteren Volksbanken auf dem Prinzip der Selbstverwaltung: Alle Mitglieder gemeinsam bestimmen die Genossenschaftspolitik. Für die genossenschaftlichen Vorschuß- und Kreditvereine führt Schulze-Delitzsch 1855 in seiner Schrift »Vorschuß- und Kreditvereine als Volksbanken« den Begriff der Volksbanken ein. Durch seine Gründungen und Tätigkeiten gilt Hermann Schulze-Delitzsch als Vater der Volksbanken.
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