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Industrialisierung

Sammelbegriff für die seit Ende des 18. Jh. anhaltende technisch-wirtschaftliche Entwicklung des Produktionsprozesses von der Hand- zur Maschinenarbeit unter Herausbildung neuer Organisationsformen (Fabriksystem), verbunden mit erheblichen sozialen Auswirkungen ( soziale Frage). Als Vorphase und Übergangszeit wird vielfach die "Frühindustrialisierung" unterschieden, in der neben industrieller Produktionsweise noch tradierte handwerkliche Erzeugung überwiegt. Als "industrielle Revolution" ist die in England nahezu gleichzeitige Entwicklung einer von Mensch, Tier und Naturkräften unabhängigen Kraftmaschine (Dampfmaschine) und von Arbeitsmaschinen (Spinnmaschine, mechanischer Webstuhl) anzusehen (Begriff von Arnold Toynbee 1884 für die englische Entwicklung ab 1769 geprägt; die spätere Entwicklung auf dem Kontinent ist eher Evolution). Innerhalb weniger Jahre wurden überkommene Produktionsweisen völlig verändert; die Produktion nahm Dimensionen an, die bisher unerfüllbar waren. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung weder in Bildungsstand noch Lebensweise auf die neuen Gegebenheiten vorbereitet war. Die Konzentration im kapitalintensiven Fabriksystem bewirkte eine zunehmende soziale Differenzierung: Die Möglichkeit, ein Produktionsmittel selbst zu bauen (Webstuhl), entfiel beim Einsatz teurer Maschinen. So bildet sich die Schicht der Kapitalbesitzer heraus, die über die Produktionsmittel verfügen kann, andererseits eine Schicht von Arbeitern (engl, "hands"), die nur mehr über die Kraft ihrer Hände verfügt. Kapitalbesitz wird zum wichtigsten Faktor der weiteren Entwicklung; der Ausbau des Bankwesens ist dabei ebenso notwendige Begleiterscheinung wie der des Transportwesens, um den Absatz grosser Gütermengen oder die Rohstoffbeschaffung sicherzustellen. Hand in Hand mit der technisch-ökonomischen Entwicklung geht der Ausbau der Arbeitsteilung. Es entsteht räumlich ein immer dichteres Geflecht von Produktions- und Handelsbetrieben (industrielle Ballungszentren, Urbanisierung). Bei den Vorbedingungen der Industrialisierung wird zwischen politischen, ökonomischen und kulturellen Voraussetzungen unterschieden ( Industriesoziologie). Als Ursachen der Industrialisierung werden u.a. genannt: die calvinistische Ethik mit ihrer Aufwertung von Beruf, Arbeit und Leistung, die Aufklärung, die rationale Staatsverwaltung, kumulative Innovationen im technischen Bereich (insb. die Erfindung der Dampfmaschine und des mechanischen Webstuhls) sowie die dadurch ermöglichte Fabrik als angemessene Organisationsform. Walt W. Rostow unterschied im Ausmass des Vorliegens bestimmter Vorbedingungen und Konsequenzen vier Stadien des Industrialisierungsprozesses: (1)  Die Schaffung von Vorbedingungen, (2)  der  take-off als Beginn eines sich selbst tragenden wirtschaftlichen Wachstums, (3)  der Weg zur wirtschaftlichen Reife und Konsolidierung, (4)  das Zeitalter des Massenkonsums mit beginnender Marktsättigung (Industrialisierungsstadien).             Literatur: Landes, D. S., Der entfesselte Prometheus, Köln 1974. Braun, R./Fischer, W u.a. (Hrsg.), Industrielle Revolution - Wirtschaftliche Aspekte, Köln, Berlin 1972. Lutz, BJSchmidt, G., Industriesoziologie, in: Handbuch der empirischen Sozialforschung, Bd. 8, 2. Aufl., Stuttgart 1977, S. 101 ff.

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