i. w. S. Summe der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten innerhalb eines Zeitabschnitts und eines Raumes, die als Teil eines (grundsätzlich auf legale Einkunftserzielung gerichteten) Betriebsprozesses begangen werden und in spezifischem Sinn gesamtwirtschaftlich relevant sein können. Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass es sich bei dem Wirtschaftskriminellen um eine Person mit hohem sozialen Ansehen handele, der die Tat im Rahmen seines Berufes ausgeführt habe (white collar crime). Dieses Konzept wird heute auch in der kriminologischen Literatur nicht mehr vertreten. Für die Rechtswissenschaft war es nie tauglich, da das (deutsche) Strafrecht Tat-, nicht Täterstrafrecht ist. Nicht selten wird die Ansicht vertreten, dass der Begriff "Wirtschaftskriminalität" lediglich kriminaltaktische Bedeutung habe. Mit ihm würden bestimmte Strafverfolgungen aus den übrigen herausgenommen, da sie wegen ihres Umfangs und der besonderen Schwierigkeiten der Aufklärung auffielen. Nicht hierher gehören somit der Ladendiebstahl, die —Schwarzarbeit, die Betriebskriminalität, der "private" Versicherungsbetrug oder die nichtbetriebliche Steuerhinterziehung sowie die Taten von Verbrechervereinigungen, soweit sie sich im Wirtschaftsleben betätigen (z. B. Rauschgifthandel, —Geldwäsche). Die Übergange können fliessend sein (z. B. beim Stossbetrug). Strafrechtlich relevante Handlungen können in allen Stadien des Betriebslebens und des Betriebsprozesses begangen werden. Beispielhaft seien erwähnt (1)im Stadium der Gründung: Verstösse gegen Anmelde- und Erlaubnispflichten, —Gründungsschwindel, Kapitalanlagebetrug; (2)im laufenden Betriebsprozess: · Beschaffung: Warenkreditbetrug an Lieferanten, —Zolldelikte und Verstösse gegen sonstige Verbringungsverbote; · Fertigung: —Umweltdelikte, —illegale Beschäftigung, Verletzung von Arbeitsschutzvorschriften, Lebensmitteldelikte; · Absatz: —Kartellordnungswidrigkeiten, —Wettbewerbsdelikte, Aussenwirtschaftsdelikte; · Finanzierung: —Subventionsbetrug, Versicherungsbetrug, Scheckbetrug, —Wechselbetrug, Kreditbetrug; · Forschung und Entwicklung: Computerkriminalität; · Rechnungslegung: Bilanzdelikte, Steuerordnungswidrigkeiten, Steuerstraftaten; (3) im Stadium der Beendigung: Konkursantragspflichtverletzung, —Konkursdelikte, —Sanierungsbetrug. Die einschlägigen Straf- (und Ordnungswidrigkeiten-)tatbestände finden sich im StGB und rd. 80 selbständigen Gesetzen. Im Nebenstrafrecht von Bedeutung sind vor allem die AO, das GWB, das UWG und die handelsrechtlichen Sondergesetze (z. B. das GmbHG). Eine amtliche Statistik über die Zahl der bekannt gewordenen bzw. abgeurteilten Wirtschaftsstraftaten und -ordnungswidrigkeiten sowie über die Höhe der Schäden gibt es nicht. Auch über den Umfang des Dunkelfeldes (unentdeckte Kriminalität) bestehen nur Vermutungen. Strafbare Handlungen werden in der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes (jährlich) und in der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes (Rechtspflege, Reihe 3) dokumentiert. Zur Beurteilung der Wirtschaftskriminalität sind beide nur beschränkt geeignet, da nicht alle Wirtschaftsdelikte als solche erfasst und zur Höhe des Schadens nur beschränkte Aussagen gemacht werden. Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst die in § 74c Abs. 1 Nr. 1-6 GVG aufgeführten Straftaten sowie Delikte, die im Rahmen tatsächlicher oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigung begangen werden und über eine Schädigung von einzelnen hinaus das Wirtschaftsleben beeinträchtigen oder die Allgemeinheit schädigen können und/oder deren Aufklärung besondere kaufmännische Kenntnisse erfordert. Nicht erfasst werden Straftaten, die von Schwerpunktstaatsanwaltschaften unmittelbar ohne Beteiligung der Polizei oder von den Steuerbehörden verfolgt werden (vgl. Tab.). Literatur: Damm, G., Zur Problematik von Statistiken über Wirtschaftsdelikte, in: wistra, 5. Jg. (1986), S. 43 ff. Eisenberg, U., Kriminologie, 3. Aufl., Köln u. a. 1990. Müller-Gugenberger, Chr. (Hrsg.), Wirtschaftsrecht, München 1987. Müller, R./Wabnitz, H.-B., Wirtschaftskriminalität, 2. Aufl., München 1986.
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