Verarbeitung von Informationen zu subjektiven Wahrscheinlichkeitsverteilungen einer Erwartungsvariablen, z.B. der künftigen Inflationsrate. Der wahrscheinlichste Wert wird auch mathematischer Erwartungswert genannt, die Streubreite der weniger wahrscheinlichen Werte kann durch die Standardabweichung oder die Varianz der Erwartungen ausgedrückt werden. Je weiter die Erwartungen in die Zukunft reichen und je präziser sie sein sollen, desto zeitaufwendiger und kostspieliger ist der Prozess der Erwartungsbildung, der jeder Entscheidungsfindung vorangeht. Der abnehmende Grenznutzen zunehmend präziserer Erwartungen ist dann gegen die zunehmenden Grenzkosten einer aufwendigeren Informationsverarbeitung abzuwägen. Die Erwartungsbildungsverfahren unterscheiden sich nach Art und Umfang der jeweils am kostengünstigsten zu beschaffenden Informationen. Wenn allein (vergangene) Erfahrungswerte der Erwartungsvariablen selbst Berücksichtigung finden, handelt es sich um eine rückwärtsorientierte Erwartungsbildung auf der Grundlage mechanistischer Irrtumslernprozesse (autoregressive bzw. adaptive Erwartungen). Werden dagegen alle zukunftsrelevanten Informationen einschl. theoretischer Vorstellungen über die zentralen Einflussfaktoren der Erwartungsvariablen verarbeitet, so liegt eine vorwärtsorientierte Erwartungsbildung auf der Grundlage struktureller Lernprozesse vor (rationale Erwartungen). Hängt etwa die Inflationsrate in systematischer Weise von der Geldmengenwachstumsrate ab, dann werden zunächst Erwartungen über das Geldmengenwachstum gebildet, bevor daraus in theoriekonsistenter Weise Inflationserwartungen abgeleitet werden. Hierbei sind die Auswirkungen der Inflationsantizipation zu berücksichtigen, weil die von der Mehrheit der Marktteilnehmer erwartete Inflationsrate nur dann auch tatsächlich eintreten wird, wenn die individuell unterschiedlichen Inflationserwartungen im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt eine vollständige Inflationsantizipation bewirken (inflatorisches Gleichgewicht). Literatur: Caspers, R., Grundlagen der Preiserwar- tungstheorie, in: WiSt, 7. Jg. (1978), S. 510ff.
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