ursprünglich die Lehre von der Textinterpretation. Als solche stand sie zunächst als Hilfswissenschaft im Dienst von Philosophie und Jurisprudenz. Später erlangte sie als philosophische Disziplin für das geisteswissenschaftliche Denken insb. in Deutschland grössere Bedeutung. Im Mittelpunkt steht das Verstehen bzw. die verstehende Methode. Hermeneu- tiker gehen davon aus, dass innerhalb der Geistes- bzw. Kulturwissenschaften methodische Besonderheiten vorliegen, die eine andere als die naturwissenschaftliche Vorgehensweise der Erklärung mit Hilfe theoretischer Gesetzmässigkeiten notwendig machen. Begründet wird dies üblicherweise mit Hinweisen auf eine gänzlich andere Art von Erfahrung, die in diesen beiden Wissenschaftsbereichen zur Anwendung kommen: Der äusseren, durch Wahrnehmung vermittelten Erfahrung der Naturwissenschaften wird die innere Erfahrung (von Sirinzusammenhän- gen) des Geistes- bzw. Kulturwissenschaftlers gegenübergestellt. Gegen die hermeneutische Interpretation lässt sich einwenden, dass das Verstehen selbst ein erklärungsbedürftiges Phänomen ist, das mithin durchaus mit den Mitteln einer am Erklärungsziel festhaltenden Wissenschaft behandelt werden kann. Darüber hinaus sind Zweifel angebracht, ob in den Naturwissenschaften tatsächlich so vorgegangen wird, wie dies von Hermeneutikern unterstellt wird. Hermeneutische Denkweisen spielen in verschiedenen philosophischen Richtungen eine Rolle. Neben den Begründern der deutschen geisteswissenschaftlichen Tradition (Friedrich Schleiermacher; Wilhelm Dilthey) ist hier z. B. auch der Existentialismus eines Martin Heidegger einzuordnen. Ferner kann von einem Neomarxismus mit hermeneutischen Zügen - etwa bei Jürgen Habermas oder Karl-Otto Apel - gesprochen werden. Darüber hinaus verweisen die Vertreter des Konstruktivismus auf die Methode des Verstehens (bzw. der Deutung) als kulturwissenschaftliches Äquivalent zur Erklärung in den Naturwissenschaften. G. S.
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