Mentaler Prozeß, bei dem ein Individuum sensorische Reize aufnimmt, verarbeitet und in Erfahrungen oder ein bedeutungsvolles und komplexes Bild von einem bestimmten Gegenstand oder einer Handlung integriert. Wahrnehmung umfaßt die Phasen der Informationsverarbeitung: Kontakt, Beachtung und Verständnis.
Siehe: Empfindung
Die Wahrnehmung ist ein kognitiver Pro-zess der menschlichen Informationsverarbeitung (Informationsverarbeitungssystem). Die Wahrnehmung ist zunächst ein Vorgang der Informationsgewinnung, und zwar von Umweltreizen (äußere Wahrnehmung) und von Innen- bzw. Körperreizen (innere Wahrnehmung). Die äußere Wahrnehmung erfolgt primär durch bewusste Informationsaufnahme. Daneben aber werden auch Reize unterhalb einer Wahrnehmungsschwelle aufgenommen; man spricht dann von unterschwelliger Wahrnehmung (Werbung) (vgl. Koeppler, 1972).
Der Wahrnehmungsprozess geht über die reine Informationsaufnahme hinaus, indem die aufgenommenen Reize entschlüsselt und mit anderen Informationen zu einem komplexen inneren Bild zusammengesetzt werden (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1999, S. 265ff.; Behrens, 1991, S. 14ff.).
Die Wahrnehmung ist dabei ein subjektiver, selektiver und aktiver Vorgang (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1999, S. 265ff.). Nicht nur die passive Aufnahme von Reizen, z.B. bei der Oiientierungs-reaktion, sondern auch die aktive Informationsaufnahme und -Weiterverarbeitung von Reizen sind Bestandteil des Wahrnehmungsprozesses. Dabei unterliegt die Wahrnehmung der Subjektivität des Individuums, d.h. nicht die objektive, sondern die subjektiv wahrgenommene Umwelt wird erlebt. Die komplexe Umwelt wird in eine vereinfachte, subjektive Umwelt transformiert. Durch subjektive Interpretation und Bewertung der aufgenommenen Informationen entstehen Abweichungen zwischen Realität und wahrgenommener Umwelt sowie zwischen der subjektiven Wahrnehmung verschiedener Personen.
In engem Zusammenhang mit der Subjektivität steht die Selektivität der Wahrnehmung (vgl. Behrens, 1991, S. 14ff.). Aus der Vielzahl der auf das Individuum einwirkenden Reize wird ein bestimmter Teil herausgefiltert. Dies dient dazu, die nicht relevanten Reize auszuschalten und so einer Informationsüberlastung (Information-Overload) entgegenzuwirken. Dabei werden verschiedene Selektionsformen angewendet. Zum Teil beruhen diese auf der biologischen Entwicklung des Menschen, speziell seiner Sinnesorgane. Dies gilt für die Selektion bzw. Konzentration auf die, für den Einzelnen wichtigen Reizarten und Bandbreiten der verschiedenen Reizarten. Wichtig für das Marketing sind hierbei die begrenzte Fähigkeit, gleichzeitig über verschiedene Smne Informationen aufzunehmen, und die Frage nach der Reizintensität im Zusammenhang mit den Reizschwellen (Wahrnehmung; Imagery-Forschung).
Hinzu tritt eine psychologische Selektion; die bewusst wahrgenommenen Reize haben für das Individuum eine subjektiv unterschiedlich große Bedeutung. Besonders die subjektiv wichtigen Informationen werden kognitiv weiterverarbeitet. Diese Verarbeitung steuert sowohl aktivierende Prozesse (Aktivierung; Antriebskräfte) wie emotionale und motivationale als auch kognitive. Eine kognitive Steuerung erfolgt durch Ziele, Normen oder Schemata der Informationsverarbeitung. So können Reize eventuell wegen ihrer Unverständlichkeit nicht wahrgenommen werden. Die aktivierenden Prozesse wie Emotion und Motivation beeinflussen bewusst und unbe-wusst insbesondere die Intensität und Selektivität der Wahrnehmung. So wird beispielsweise die Aufmerksamkeit auf Grund eines starken Bedürfnisses (ße-dür/ntshierarchie) auf bestimmte Reize gelenkt.
Aus der Aktivität, Subjektivität und Selektivität der Wahrnehmung folgt für das Marketing, dass nicht das objektive, sondern das subjektiv wahrgenommene Angebot eines Unternehmens entscheidend für seinen Erfolg ist (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1999, S. 267).
Zur Erforschung der Wahrnehmungsprozesse der Konsumenten werden vor allem aktualgenetische Verfahren, z.B. apparative Blickaufzeichnungsmethoden (Messtechraten, apparative) eingesetzt.
Teilprozess der Informationsverarbeitung, in dessen Verlauf externe, über die Sinnesorgane aufgenommene Umweltreize entschlüsselt, interpretiert und bewertet werden und so zu internen Informationen werden. Die Wahrnehmung ist subjektiv und selektiv (Informationsaufnahme), d.h. sie produziert ein verzerrtes und bruchstückhaftes Bild der Wirklichkeit. Diese Tatsache ist für die Erforschung des Konsumentenverhaltens und für das Marketing von Bedeutung. Nicht objektive Produkteigenschaften, Preise, Werbeappelle sind für den Erfolg des Marketing massgebend, sondern ihre subjektiven Gegenstücke. Deswegen ist es nur folgerichtig, wenn die moderne Marketingforschung den Begriff der objektiven Qualität völlig aufgegeben und an seine Stelle den der Einstellung gesetzt hat. Mit Hilfe von Einstellungsmessungen lassen sich Produkte in sog. Wahrnehmungsräumen darstellen (Produktpositionierung), die keineswegs mit den Produktbeschreibungen der Techniker übereinstimmen müssen. Der selektive Aspekt der Wahrnehmung wird vor allem durch die Aufmerksamkeit bestimmt. Aufmerksamkeit kann als Bereitschaft des Informationsverarbeitungssystems zur Aufnahme eines Stimulus (z.B. eines Werbeappelles) beschrieben werden. Sie wird durch Aktivierung hervorgerufen. Literatur: Behrens, G., Konsumentenverhalten, 2. Aufl., Heidelberg 1991.
Vorhergehender Fachbegriff: Wahrheitsgemässe Beantwortung | Nächster Fachbegriff: Wahrnehmungsorganisation
Diesen Artikel der Redaktion als fehlerhaft melden & zur Bearbeitung vormerken
|
|