(charismatische Führung): Der charismatische Führer gründet seinen Herrschaftsanspruch auf seine außergewöhnliche Persönlichkeitseigenschaften. Charismatische Führung impliziert einen uneingeschränkten Herrschaftsanspruch. Im Gegensatz zum patriarchalischen Führer sieht sich der charismatische Führer jedoch nicht zur Fürsorge verpflichtet; er verlangt ja von den Geführten auch Opferbereitschalt. Sein Beitrag besteht darin, dass er den Geführten in Aussicht stellt, sie aus einer Notlage herauszuführen bzw. sie einem künftigen “Heils-zustand” näher zu bringen.
In ausgeprägter Form ist der charismatische Führer in erster Linie als Staatsführer sowie in religiösen Gruppen anzutreffen. Schon angesichts der gesetzlichen Regelungen sind einer charismatischen Führung in Wirtschaftsunternehmen von vornherein Grenzen gesetzt. Besonders in Krisensituationen sind aber auch hier Führer mit charismatischen Züge anzutreffen. Heute wird im allgemeinen die Auffassung akzeptiert, dass Charisma im wesentlichen durch die Attribution der Geführten generiert wird. Die Geführten bzw. die Einflußadressaten beobachten das Verhalten des Führers und weisen unter bestimmten Voraussetzungen Charisma zu. Diese Zuweisung wird besonders häufig dann vorgenommen, wenn Führer
1. prägnante Visionen entwickeln, die vom Status quo stark abweichen, ohne allerdings die Vorstellungswelt der Geführten zu verlassen,
2. ein selbstaufopferndes Engagement zeigen,
3. ihre Ideen mit hohem persönlichem Risiko verfolgen,
4. ihre Ideen erfolgreich realisieren und
5. ihre Führungsmotivation klar zum Ausdruck bringen.
Die Merkmale und Wahrnehmungsprozesse, aufgrund derer Charisma attribuiert wird, sind historisch und kulturell beeinflußt, so dass diese Erklärung letztlich auf die gesellschaftlichen Bedingungen verweist, die bestimmte Merkmale für den Attributionsprozess hervortreten lassen.
Die Theorie der charismatischen Herrschaft geht auf die Untersuchungen des deutschen Soziologen Max Weber (1864-1920) zur - “bürokratischen Herrschaft” zurück. Ausgangspunkt für Webers Arbeiten war das rasche Anwachsen großer Organisationen und die Erklärungsbedürftigkeit ihres Funktionszuwachses. Der Typus der legalen Herrschaft, der Herrschaft kraft Satzung, hat in Kleingruppen noch keine Bedeutung; man kennt die wechselseitigen Handlungsgewohnheiten und kann über zukünftiges Handeln miteinander sprechen. Erst wenn diese Überschaubarkeit der Handlungssituation im Zuge des Wachstums der Unternehmung verloren geht, müssen andere Mechanismen für die Ordnung, die Regelmäßigkeit und Zielgerichtetheit im Handeln aller Organisationsmitglieder herangezogen werden.
Diese Mechanismen basieren auf Herrschaft (Autorität). Herrschaft bezeichnet nach Weber “die Chance..., für spezifische (oder: für alle) Befehle bei einer angebbaren Gruppe von Menschen Gehorsam zu finden.” Wenn und soweit diese Chance langfristig besteht, wäre in der “Herrschaft” eine Erklärung für die dauerhafte - Koordination individueller Handlungen durch den Befehl (als Merkmal hierarchischer Organisationen) gegeben. Unternehmungen können dann auch als Herrschaftsverbände verstanden werden. Stabilität entsteht erst dort, wo nicht äußerliche Situationsmerkmale, sondern die Anerkennung des herrschaftlichen Anspruchs, der Legitimationsglaube, den Befehlen Geltung verschafft.
Die Frage, worauf dieser Legitimitätsglaube basieren kann, führt zur Unterscheidung verschiedener Herrschaftsformen als Kern der Weberschen Analyse. Neben der traditionellen Herrschaft und der charismatischen Herrschaft ist die legale Herrschaft für die Neuzeit die wichtigste Herrschaftsform.
Bei ihr ist die - Legitimation rational, weil ihre Bindung auf gesatzter Ordnung und nicht auf geltender Tradition oder der “außeralltägliche(n) Hingabe an die Heldenkraft einer Person” beruht. Gehorsam gilt nicht der Person, sondern den Regeln. Die abstrakte Regelbindung und der Glaube an die Legitimität dieser Regeln ist das besondere der legalen Herrschaft, und die bürokratische Herrschaft ist ihr reinster Typus.
Vorhergehender Fachbegriff: Charges | Nächster Fachbegriff: Charismatische Führung
Diesen Artikel der Redaktion als fehlerhaft melden & zur Bearbeitung vormerken
|
|