Ziel des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger durch Verwertung des Vermögens eines Schuldners. Der Erlös aus der Verwertung wird verteilt oder geht in einen Insolvenzplan zum Erhalt des Unternehmens ein. Rechtsgrundlage ist die Insolvenzordnung (InsO). Das Insolvenzrecht stellt ein Spezialgebiet des Wirtschaftsrechts dar. Die Insolvenz führt aber nicht zwingend zur Auflösung eines Unternehmens (Gesellschaftsrecht). Im Insolvenzfall kann in einem einheitlichen Verfahren zwischen Liquidation oder Sanierung abgewogen werden. Zudem enthält die InsO Regelungen über die Verbraucherinsolvenz und bietet die Möglichkeit der Restschuldbefreiung. Das Insolvenzverfahren wird auf Antrag eines Gläubigers oder im Einzelfall auch des Schuldners eröffnet. Eröffnungsgründe sind die Zahlungsunfähigkeit, die drohende Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung. Das Insolvenzgericht bestellt einen Verwalter und legt dem Schuldner ein Verfügungsverbot auf. Die Aufgaben des Insolvenzverwalters bestehen in der Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse. Ihm obliegen auch die arbeitsrechtlichen Befugnisse im Unternehmen. Es ist ein Verzeichnis der Massegegenstände, ein Gläubigerverzeichnis und eine Vermögensübersicht aufzustellen. Im Berichtstermin beschließt die Gläubigerversammlung darüber, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Zum Zweck der Unternehmenssanierung kann dem Insolvenzverwalter die Aufstellung eines Insolvenzplans aufgegeben werden. Im Prüfungstermin werden die Forderungen festgestellt. Danach wird entweder mit der Befriedigung der Insolvenzgläubiger begonnen oder in einem Erörterungs- und Abstimmungstermin über den Insolvenzplan zur Unternehmenssanierung beschlossen. Für Insolvenzfälle kleiner Unternehmen und Verbraucherinsolvenzen ist die Möglichkeit der Eigenverwaltung gegeben. Ferner ist eine Restschuldbefreiung für redliche Schuldner vorgesehen. Es kann auch mit dem Eröffnungsantrag ein Schuldenbereinigungsplan vorgelegt werden. Dieser hat durch die Annahme der Gläubiger die Wirkung eines Vergleichs.
Inbegriff derjenigen Rechtsnormen, die im Falle der Zahlungsunfähigkeit (oder Überschuldung) von natürlichen oder juristischen Personen oder Personengesellschaften das Verfahren zum Zweck der gleichmässigen und geordneten Befriedigung der Gläubiger regeln. Das Insolvenzrecht umfasst vor allem die Rechtsnormen, die das Konkursverfahren und das Vergleichsverfahren regeln.
I. Charakterisierung Das Insolvenzverfahren dient nach § 1 der deutschen Insolvenzordnung (InsO) der Durchsetzung privater Ansprüche mit Hilfe eines staatlichen Verfahrens. Anders als im Einzelzwangsvollstreckungsverfahren sollen hier aber möglichst sämtliche Ansprüche aller Gläubiger zugleich befriedigt werden. Das Vollstreckungsobjekt ist das gesamte Schuldnervermögen, das in der Regel komplett verwertet werden soll. Der Insolvenzschuldner verliert mit Insolvenzeröffnung nach § 80 InsO die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis hinsichtlich seines gesamten zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens (vgl. §§ 35 ff. InsO). An seine Stelle tritt als „Partei kraft Amtes” ein vom Insolvenzgericht bestimmter Insolvenzverwalter, der die Interessen der Gesamtheit aller Gläubiger im Verfahren wahrzunehmen hat.
2. Ablauf des Insolvenzverfahrens für Insolvenzgläubiger
2. 1 Antrag auf Insolvenzeröffnung Das Verfahren beginnt mit einem Antrag auf Insolvenzeröffnung nach § 13 InsO. Antragsberechtigt sind nach § 13 InsO die Gläubiger oder der Insolvenzschuldner selbst. Bei Gesellschaften (auch Personengesellschaften) sind dies nach § 15 InsO die Organe der Gesellschaft oder deren Gesellschafter. Sie trifft eine Rechtspflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Der Verstoss gegen die Pflicht, einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft zu stellen, kann strafrechtliche Konsequenzen haben. Der Antrag ist an das zuständige Insolvenzgericht zu stellen. Das Insolvenzverfahren wird eröffnet, wenn mindestens einer der Insolvenzeröffnungsgründe der §§ 16 - 19 InsO vorliegt.
2. 2. Entscheidungen und Massnahmen des Insolvenzgerichts Das Insolvenzgericht hat bei der Entscheidung über den Insolvenzantrag drei Möglichkeiten. Welche Entscheidung getroffen werden muss, hängt davon ab, wie die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles liegen. In Betracht kommen folgende Massnahmen: (a) Die Anordnung von Sicherungsmassnahmen § 21 ff. InsO. Dies bedeutet, dass dem Insolvenzschuldner zum Schutz der Gläubiger verboten wird, über sein Vermögen zu verfügen. Es wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners übernimmt. (b) Die Ablehnung mangels Masse nach § 26 InsO findet statt, falls das Vermögen des Insolvenzschuldners nicht ausreicht um mindestens die Verfahrenskosten zu decken. (c) Durch den Eräffilungsbeschluss nach § 27 InsO wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit der Eröffnung werden nach § 27 II i.V.m. § 28 ff. InsO die Gläubiger aufgefordert, ihre Forderungen gegen den Schuldner innerhalb einer bestimmten Frist bei dem zuständigen Insolvenzgericht anzumelden.
2. 3 Berichtstermin und Prüfungstermin Nach dem Eröffnungsbeschluss folgt ein Berichtstermin im Sinne des § 156 Ins°, in dem entschieden wird, ob das Unternehmens nach §§ 217 ff. InsO fortgeführt wird (so genannter Insolvenzplan) oder das Vermögen des Schuldners gemäss §§ 174 ff. InsO verwertet (das heisst veräussert) wird, um die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Schliesslich müssen die Insolvenzgläubiger, die an dem Erlös aus der Verwertung des Schuldnervermögens beteiligt werden wollen, im nächsten Schritt in einem Prüfungstermin nach §§ 178, 179 InsO ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Nur die Gläubiger, die in der Tabelle aufgeführt sind, können später im Verteilungsverfahren ihren Anteil (Insolvenzquote) am Erlös aus der Verwertung des Schuldnervermögens verlangen. In diesem Prüfungstermin können andere Gläubiger, der Insolvenzschuldner und / oder der Insolvenzverwalter Widerspruch gegen eine geltend gemachte Forderung erheben. Die von einem Widerspruch betroffenen Gläubiger und der Widersprechende müssen ihre Meinungsverschiedenheit ausserhalb des Insolvenzverfahrens in einem gerichtlichen Verfahren klären lassen. Bis zum Ende dieser Verfahren werden die bestrittenen Beträge vom Insolvenzverwalter zurückgehalten.
3. Bevorrechtigte Gläubiger Neben den Insolvenzgläubigern, die in den letzten Jahren mit einer durchschnittlichen Insolvenzquote von 2 bis 4 % rechnen mussten, die also mehr als 90% ihrer Forderungen gegen den Insolvenzschuldner nicht realisieren konnten, gibt es die Gruppe der bevorrechtigten Gläubiger. Diese Gläubiger können ihre Ansprüche ausserhalb des regulären Insolvenzverfahrens direkt gegen den Insolvenzverwalter geltend machen und mit einer weitergehenden Befriedigung ihrer Forderungen rechnen. Es gibt vier solcher bevorrechtigter Gruppen von Gläubigern. Dies sind die Aussonderungsberechtigten (§ 47 InsO), die Absonderungsberechtigten (§ 49 ff. InsO), die Aufrechnungsberechtigten (§ 94 ff. InsO) sowie die Massegläubiger (§ 53 ff. InsO).
4. Internationale Insolvenzverfahren Die internationalen Verflechtungen der Wirtschaft rücken zunehmend den internationalen Aspekt von Insolvenzverfahren in den Vordergrund der Betrachtungen. Die Probleme betreffen das gesamte Insolvenzverfahren beginnend bei der Frage, vor welchem (nationalen) Gericht oder welcher Behörde das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines international agierenden Unternehmens zu eröffnen ist. Unmittelbar daraus ergeben sich zwangsläufig die folgenden Fragen und Problemkreise, wie und wo die Gläubiger ihre Forderungen geltend machen können, welche Rechtsverluste sie gegebenenfalls hinnehmen müssen und was mit Vermögenswerten geschieht, die sich in anderen Ländern befinden. Für den Raum der Europäischen Union gilt mit der Verordnung Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren eine länderübergreifende Regelung, die in sämtlichen Mitgliedsstaaten der EU gilt. Die EU stellt für solche europäischen Insolvenzfälle Formulare zur Verfügung, mit denen die Beteiligten in einem Insolvenzverfahren ihre Rechte verfolgen können. Für den Bereich ausserhalb der EU gibt es keine verbindlichen einheitlichen Regelungen. Es existieren lediglich einzelne bilaterale Abkommen, die in Einzelfällen anwendbar sind. Insgesamt bleibt dieser Bereich aber unübersichtlich und von vielen Unsicherheiten geprägt. Hinweise · Zu den angrenzenden Wissensgebieten siehe Arbeitsrecht, Handelsrecht, Kaufrecht, Kreditsicherheiten (Bürgschaft, Eigentumsvorbehalt, Garantie, Grundschuld, Hypothek, Pfandrecht, Schuldbeitritt, Sicherungsübereignung), Sonderbilanzen, Produkthaftung, Sanierungsmanagement, Unternehmensbewertung, Zwangsvollstreckung (deutsches Recht). · Zum Gesellschaftsrecht sowie zu den verschiedenen Gesellschafts- bzw. Rechtsformen siehe u.a. Aktiengesellschaft, deutsche, Aktiengesellschaft, kleine, Europäisches Gesellschaftsrecht (Europa AG, Europäische Genossenschaft usw.), Genossenschaft, deutsche, Gesellschaftsformen, österreichische (Aktiengesellschaft, österreichische, GmbH, österreichische usw.), GmbH, deutsche sowie viele weitere Gesellschafts- bzw. Rechtsformen.
Literatur: Foerste, Ulrich; Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2006; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 6. Aufl. 2002; Keller, Ulrich; Insolvenzrecht, 2006 Internetadressen: (Entscheidungen deutscher Gerichte): http://www.caselaw.de/; (Übersichten): http://www.insolvenzrecht.de/; http://www.insolvenzrecht.info/; (Europäisches Justizielles Netz für Zivil- und Handelssachen): http://europa.eu.int/comm/justice_home/ejn/index_de.htm
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