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Neue Makroökonomik

Ungleichgewichtstheorie

untersucht in statischen und dynamischen Ansätzen gesamtwirtschaftliche Situationen, bei denen Ungleichgewichte nicht spontan über den Preismechanismus abgebaut werden bzw. Quasi-Gleichgewichte in Form unterschiedlicher Entwicklungen von nominalen und realen Größen eintreten. a) Die Modelle sind Fortentwicklungen der Neuen klassischen Makroökonomik und der Neuen postkeynesianischen Makroökonomik. Erstere ist mikroökonomisch ausgerichtet, arbeitet mit der Hypothese rationaler Erwartungen und nimmt Ideen des Monetarismus auf. Sie liefert Argumente für eine angebotsorientierte neue Wirtschaftspolitik, die auf Funktionsfähigkeit aller Märkte abstellt. Im Gegensatz hierzu entstand die Neue postkeynesianische Makroökonomik aus der Diskussion des sog. Keynesianismus oder allgemeiner der Ursachen, Wirkungen und wirtschaftspolitischen Steuerung von Ungleichgewichtszuständen, gekennzeichnet etwa von Arbeitslosigkeit oder Überangebot. Deshalb findet sich für diese Ausformung einer Neuen Makroökonomik auch die Bezeichnung Ungleichgewichtstheorie bzw. Theorie der temporären Gleichgewichte. Um die Hypothesen, die auch in einer mikroökonomisch fundierten Version vorliegen, deutlicher von dem keynesianischen Gedankengut abzuheben, wird gelegentlich von Neooder Post-Post-Keynesianismus gesprochen. Diese Neue Makroökonomie ist in ihren wesentlichen Grundlagen von Robert W. CLOWER (1963), Axel LEIJONHUFVUD (1967, 1973), Robert J. BARRO, Herschel I. GROSSMAN (1971, 1974), Edmond MALINVAUD (1977) und Volker BÖHM (1980) erarbeitet worden. Die Neue Makroökonomik basiert auf einer Reihe von Bausteinen:
1. Als Hindernis für die Erreichung eines Marktgleichgewichts nach seiner Störung stellt sich sehr häufig die (zeitweilige) Inflexibilität des Preises (des Lohnes, des Zinses) heraus. Bereits John M. KEYNES hatte die Rigidität des (Nominal-)Lohnes als Ursache eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bei Unterbeschäftigung herausgestellt (KEYNES-Fälle). Unabhängig von der empirischen Relevanz der Rigiditäten bzw. Inflexibilitäten (die durch Privatverträge, Verbandsverhandlung oder staatlichen Einflußnahmen bedingt sein können) werden diese in der Ungleichgewichtstheorie als allgemeine Hypothese angewendet. Je nach Annahme spricht man dann von einem Fix-Preis-Modell oder Fix-Lohn-Modell etc. Ungleichgewichtstheoretisch wird diese Rigidität dann relevant, wenn die jeweilige langsame Variable (Verhaltensdeterminante) nicht auf Gleichgewichtsniveau fixiert ist.
2. Falls eine verhaltenssteuernde Variable, etwa der Preis, über (oder unter) Gleichgewichtsniveau verharrt, die Marktteilnehmer aber nicht gehindert werden (können), schon vor »Ausrufung« des Gleichgeichtspreises Transaktionen zu tätigen, können Angebotsmengenüberschusse (bzw. Nachfragemengenäberschüsse) auftreten. Es entstehen bei Annahme der Tauschfreiheit Käufermärkte (bzw. Verkäufermärkte), wobei die kürzere Marktseite die andere dominiert oder, anders ausgedrückt, die längere Marktseite rationiert wird. Diese Minimum-Regel steht im Gegensatz zu der WALRAS-Tätonnementegel, die Umsätze an einem Markt erst nach Ermittlung des Gleichgewichtspreises zuläßt. Insofern können die im Ungleichgewicht tatsächlich zustande gekommenen Umsätze als false trading bezeichnet werden. Stehen sich Haushalte und Untemehmen an einem derartigen Markt in einer Ungleichgewichtssituation gegenüber, gibt es entweder ein Regime der Haushalte oder der Firmen.
3. Die nächste grundlegende Annahme der Neuen Makroökonomik über die Verhaltensweise der beteiligten Wirtschaftssubjekte ist die duale Entscheidungshypothese. Einerseits gilt als Grundlage der wirtschaftlichen Entscheidung die Planung bestimmter Transaktionsmengen in Abhängigkeit von erwarteten Determinanten (p, w); Resultat sind notional functions. Andererseits wird, falls nicht entsprechend der notional functions entschieden werden kann, weil auf dieser Basis keine geplanten Transaktionen zustande kommen, auf eine Alternative zurückgegriffen: die effective functions, in die als neue zusätzliche Information die Inflexibilität des Preises oder/und Lohnes und. das Regime der kurzen Marktseite als zusätzliche Determinante eingehen.
4. Schließlich sind die spill-over-Effekte eines Ungleichgewichts an einem (gesamt-, einzelwirtschaftlichen) Markt auf andere Märkte in Betracht zu ziehen. Unternehmen, die auf ihren Absatzmärkten rationiert worden sind, werden beispielsweise Konsequenzen auch hinsichtlich ihrer Beschaffungsmärkte ziehen. Auch hier gehen die (rationierten) Absatzmengen als Determinante in entsprechende Verhaltensfunktionen bzw. technische Relationen ein (und bewirken ggf. auf diesem Markt eine Ungleichgewichtssituation). Konzentriert man sich bei der Analyse der Ungleichgewichtssituationen auf die Betrachtung des (gesamt- oder einzelwirtschaftlichen) Gütermarktes und des Arbeitsmarktes, sind neun unterschiedliche Konstellationen denkbar, von denen nur eine den klassischen Gleichgewichtsvorstellungen ä la Leon WALRAS entspricht (vgl. Abb.). Nur in diesem Fall passen die geplanten Mengenplanungen und Preisvorstellungen der Marktparteien zueinander und erfolgt eine Markträumung.
Neue Makroökonomik In allen übrigen Fällen gibt es Rationierungen R, darunter den seit KEYNES (1936) bekannten Fall eines Ungleichgewichts am Arbeitsmarkt bei Gleichgewicht am Güter- (und Geld-)markt (die Entsprechung ist keine vollständige, da in der vorliegenden Systematik der Geldmarkt ausgeklammert wurde). Die einzelnen Fälle unterscheiden sich hinsichtlich der rationierten Marktpartei (z.B. RF für rationierte Firmen bzw. RH für rationierte Haushalte) und den Ort der Rationierung (jeweils in der Klammer angeführt), z.B. (C) für Konsumgütermarkt, (A) für Arbeitsmarkt. E, meint das WALRAS-Equilibrium. Die vier Eck-Fälle der Abb. stellen wirtschaftspolitisch interessante Konstellationen dar. Sie haben in der Literatur die Bezeichnungen der - keynesianischen Arbeitslosigkeit, –s klassischen Arbeitslosigkeit, zurückgestauten Inflation bzw. Unterkonsumtion erhalten. Neben den makroökonomischen Analysen der oben genannten Standardsituationen sind entsprechende mikroökonomische Fundierungen (mit Hilfe des sog. –s Doppelkeil-Diagramms) zur näheren entscheidungslogischen Begründung des Erklärungszusammenhangs entwickelt worden. Zu kritisieren ist insbes., dass der Geldmarkt in die Ungleichgewichtsmodelle kaum integriert wird (was auf typisch keynesianische Unterbewertung des monetären Sektors zurückgeführt werden kann), auch Regime-Sprünge infolge von exogenen Schocks oder endogene Mechanismen können die unterstellten Verhaltensweisen und damit die Modellösung außer Kraft setzen. Der hohe Aggregationsgrad der neuen statischen makroökonomischen Modelle bleibt ein Standardeinwand. b) dynamische Ansätze: Da mit den in den statischen Modellen präsenten Angebots-und Nachfragelücken auch stets Faktoren vorliegen, die zu einer endogenen Veränderung von Parametern (v.a. Preisen) führen, war es nur folgerichtig, die Determinanten der zeitlichen Abfolge temporärer Gleichgewichte zu untersuchen. Allerdings wird in den Untersuchungen der Neuen Makroökonomik nicht unterstellt, dass die Preise und Löhne, wie beim Tätonnement-Prozeß, unendlich schnell reagieren, sondern sie vermögen im allg. nur einen Teil der Ungleichgewichte aufgrund ihrer Veränderung zwischen zeitlich benachbarten temporären Gleichgewichten abzubauen. Neben dieser neuen Form der Preis-/Lohndynamik enthalten die meisten Beiträge auch zeitliche Veränderungen von Bestandsgrößen (Geldmenge,                Kapitalstock, Lagerbestand). Die Ergebnisse der dynamischen Modelle zeigen, dass das Walrasianische Gleichgewicht nur unter recht speziellen Voraussetzungen ein stabiler Ruhepunkt einer derart formulierten makroökonomischen Dynamik ist. Häufig tendiert die Dynamik zu sog. Quasi-Gleichgewichten, in denen die realen Größen (z.B. Reallohn, reale Geldmenge) unverändert bleiben, die nominalen (Preisniveau, Nominallohn) sich aber gleichgerichtet verändern. Der Anpassungsprozess endet also in Zuständen »ausgeglichener« Deflation oder Inflation, innerhalb des Regimes keynesianischer Unterbeschäftigung oder zurückgestauter Inflation. Literatur: Böhm, V. (1989). Malinvaud, E. (1980)

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