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Prüfungstheorie

In der wissenschaftlich-orientierten Literatur zum betriebswirtschaftlichen Prüfungswesen besteht weder Konsens darüber, welche Merkmale eine »Prüfungstheorie« charakterisieren (sollen) bzw. darüber, welche Sachverhalte alle zum Erkenntnisgegenstand einer Prüfungstheorie gezählt werden (sollen). Dennoch läßt sich feststellen, daß sich in der m odernen Prüfungslehre die Erkenntnisperspektive, die Interessenschwerpunkte sowie die Forschungsmethodik gegenüber früher verlagert haben: Früher betrieb man Prüfungstheorie als eine handwerkliche Kunstlehre einschließlich BerufsKunde, in der man sich auf prüfungstechnische Probleme vor allem bei Buchprüfungen im weitesten Sinne und auf Entwürfe von Empfehlungskatalogen konzentrierte, welche Buchprüfungstechniken wann, wo, und wie angewandt werden »müßten«. Diese Art von »Prüfungstheorie« charakterisiert heute überwiegend die Praktikerliteratur. Im wissenschaftlichen Bereich dominiert das Forschungsprogramm heute die Beschäftigung mit Entscheidungsproblemen verschiedenster Art (wie z. B. der Urteilsfindung/Pla-nung) bei Prüfungen auf einem allgemeinen Niveau und Versliche, theoretische Lösungen für die aufgegriffenen Entscheidungs bzw. Gestaltungsprobleme zu finden. Aufgrund des uneinheitlichen Theoriebegriffs unterscheiden sich in der betriebswirtschaftlichen Prüfungslehre trotz des gemeinsamen Erkenntnisziels, Erklärungen zu liefern und / oder der Prüfungspraxis Hilfestellung zu leisten, die einzelnen Beiträge zu einer Theorie der Prüfung in ihrer methodologischen Grund struktur und damit in ihrem Realitätsbezug. In materieller Hinsicht geben die weitestgreifen-den Versliche die traditionell enge Bindung des Problembezugs an die Externe und / oder Interne Revision auf und beziehen auch Probleme des behavioral auditing bzw. sogar das social control in das Forschungsprogramm ein.
Von einem hermeneutisch-normati-ven Wirklichkeitsverständis getragen sind die prüfungstheoretischen Versliche, die sich um eine Darstellung der Zusammenhänge bemühen, die das Wesen einer Prüfung ausmachen (sollen). Dieses begriffsrealistische Wissenschaftsprogramm datiert den Beginn der theoretischen Phase in der Prüfungslehre und ist von dem Grund irrtum gekennzeichnet, daß kategoriale Analysen, in denen das Wesen der Prüfung mittels sogenannter Realdefinitionen der Prüfung fixiert werden, mehr erbringen könnten als die Klärung des vom Autor beabsichtigten bzw. vorgeschlagenen Sprachgebrauchs. Kategoriale Analysen lassen keine wahrheitsfähigen Aussagen über faktische Zusammenhänge bei Prüfungen, im Prüfungswesen usw. zu.
Der in chronologischer Abfolge gesehene zweite originäre Versuch, das Phänomen Urteilsbildung aufzuhellen und einen Beitrag zu einer allgemeinen Prüfungstheorie zu hefern, war der Versuch, Erkenntnisse der formalen Meßtheorie auf das betriebswirtschaftliche Prüfungswesen anzuwenden und mit Verslichen zur Abbildung von Beurteilungsprozessen mittels der mathematisch-statistischen Stichprobentheorie zu kombinieren. Auch dieser Versuch einer »Übersetzung« der formalen Meßtheorie in eine brauchbare Prüfungstheorie kann als gescheitert angesehen werden, da es sich dabei um analytisch-konditionale Modelluntersuchungen handelt, die keinen Ersatz für eine theoretisch haltbare Interpretation des Urteilbildungsphänomens nach m oderner wissenschaftstheoretischer Auffassung darstellen können. Die verschiedenen Versliche, zur Analyse der Urteilsbildung zunehmend Erkenntnisse der mathematischen Statistik auf das betriebswirtschaftliche Prüfungswesen anzuwenden, um so zu einer Prüfungstheorie vorzustoßen, sind ebenfalls als gescheitert anzusehen. Denn das Problem der Verwendbarkeit der mathematischen Statistik berührt eine prüfungstechnologische und keine prüfungstheoretische Fragestellung. Es werden hier keine quantitativen Methoden der Urteilsbildung, sondern Probleme des Einsatzes quantitativer Methoden der mathematischen Statistik zur Vorbereitung eines Gesamturteils usw. diskutiert, ohne diese Diskussion auf die realen Bedingungen im Prüfungswesen zu beziehen. Unergiebig blieben und mußten bleiben Versliche, in Anlehnung an Problemlösungsmuster in der Betriebswirtschaftslehre, Elemente der Informationstheorie, der Kybernetik bzw. der Systemtheorie zu einem Erklärungsmodell des Prüfungsprozesses umzuformulieren. Man bleibt im Bereich der wahrheitsunverbindlichen Modellanalyse ebenso wie bei dem Versuch, durch den Rückgriff auf die Erkenntnislogik bzw. eine veraltete logische Elementarlehre eine »syllogistische Prüfungstheorie« zu konzipieren. Als gescheitert anzusehen sind auch die Versliche einer Um-formulierung der mathematischen Spieltheorie in eine Prüfungstheorie. Es wurde hier im Gefolge der m odernen entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre die Analyse entscheidungslogischer Problemstellungen mit der von theoretischen, d. h. Modellanalyse mit dem Versuch der Theoriebildung verwechselt. Zeitlich versetzt zur Entwicklung in der m odernen entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre finden sich auch in der betriebswirtschaftlichen Prüfungslehre analoge Versliche, unter der irreführenden Etikette »Theorie« Probleme rationalen Entscheiden modellanalytisch abzuhandeln, Entscheidungsmodelle zu entwerfen und hierbei verschiedenste quantitative Verfahren der betriebswirtschaftlichen Planungslogik auf ihre angebliche Brauchbarkeit hin zu diskutieren, ohne sich darüber klar zu sein, daß die Frage der Brauchbarkeit entscheidungslogischer Modellanalysen für die Lösung praktischer Probleme sich nur auf dem Hintergrund einer haltbaren Prüfungstheorie lösen läßt. Auf die theoretische Insuffizienz der zitierten Forschungsrichtungen macht jene prüfungstheoretische Richtung aufmerksam, die eine erfahrungswissenschaftliche, d. h. den Prinzipien der kritisch rationalistischen Wissenschaftstheorie verpflichtete Prüfungstheorie propagiert. Ein Charak-teristikum dieser Forschungsrichtung ist die verhaltenswissenschaftliche Orientierung, d. h. der Versuch, die Verhaltenswissenschaften auf empirisch getestete allgemeine Hypothesen über menschliches Verhalten ab-zuprüfen, die zur Ableitung prü-fungstheoretiscber Hypothesen herangezogen werden können, d. h. das Reservoir der empirischen Verhaltenswissenschaften zur Ableitung einer erfahrungswissenschaftlichen Prüfungstheorie zu nutzen. Im Bereich der Forschung zum behavioral audi-ting sind dazu einige Versliche vorgelegt worden, die die Forschungsprogrammatik dieser Richtung in der Prüfungstheorie illustrieren.

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