Als Standort einer Handelsunternehmung ist jener geographische Ort anzusehen, an dem die Unternehmung zum Zwecke der Erreichung ihrer Ziele Produktionsfaktoren kombiniert. Vorwiegend wird dabei an den Standort von Verkaufsstellen des stationären Einzelhandels gedacht, aber die Standortplanung im Handel kann sich auch auf die Auswahl von Standorten für Läger, auf den Standort des Versandhandels oder die Routenplanung des ambulanten Handels (Verkaufswagen) beziehen. Im stationären Einzelhandel ist nicht nur an die Verkaufsfläche zu denken, das ist die dem Kunden zugängliche Fläche, sondern an den Geschäftsraum insgesamt, der auch die Nebenraumstellen umfaßt wie Parkeinstellplätze, Freiflächen, Lagerräume, Büroräume, Nebenräume. Die im Rahmen der Standortpolitik zu fällenden Entscheidungen betreffen die Fragen nach der Neugründung, Schließung, Verlegung, Spaltung und der Zusammenlegung von Betrieben. Standortentscheidungen sind im Handel meist mit langfristigen Auswirkungen verbunden und werden daher als investitionstheoretisches Problem behandelt. Im Handel ist die Standortentscheidung im Regelfall als absatzpolitisches Instrument anzusehen, weswegen die Umsatzwirkungen der Standortentscheidung besondere Beachtung finden müssen. Desweiteren muss im Handelsbetrieb häufig die Planung mehrerer Standorte aufeinander abgestimmt werden (Standortnetze). Bei der Planung eines Verkaufsstellennetzes sind Auszahlungsund erlöswirksame Interdependenzen von Standortentscheidungen zu beachten. Bei der Standortplanung lassen sich vier Phasen unterscheiden: Die Suche nach neuen Standorten, Die Bewertung von Standorten, die Auswahl von Standorten, das Inbetriebnehmen eines Standortes. Dabei wird der zu untersuchende Standort häufig geographisch eingekreist, indem zunächst Überlegungen angestellt werden, welche Region sich für die Standortsuche anbietet, dann welcher Ort oder Stadtteil sich anbietet und schließlich wird ein konkreter Standort beurteilt. Die Suche nach Standorten wird- ebenso wie ihre Bewertung - durch die gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen zur Raumordnung eingeschränkt. Zu den für die Stadt- und Regionalplanung relevanten Gesetzen und Verordnungen gehören(vgl. Tietz, 1985; Geßner, 1988): das Raumordnungsgesetz des Bundes mit seinen Raumordnungsgrundsätzen, die jeweiligen Landesplanungsgesetze mit ihren Landesentwicklungsprogrammen bzw. die Flächennutzungspläne in den Stadtstaaten, das Bundesbaugesetz, die Baunutzungsverordnung, die Bauleitplanung. Ziel der sich in diesen Normen konkretisierenden Raumordnung ist es, die „Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen und die Verbesserung der Daseinsvorsorge in allen Teilräumen des Landes“ zu gewährleisten. Die Umsetzung dieser Leitvorstellung erfolgt auf der Grundlage des Konzepts der Zentrenhierarchie, das auf der Theorie der zentralen Orte von Christaller beruht. Der Theorie der zentralen Orte entsprechend soll die räumliche Verteilung der Versorgungseinrichtungen, hier der Einzelhandelsbetriebe, als Arbeitsteilung hierarchisch gegliederter Gebietskategorien begriffen werden. Der Einzelhandel soll bei der Dimensionierung seiner Angebotskapazitäten, die sich in der Verkaufsfläche und im Sortiment konkretisieren, den Versorgungsrang (Zentralität) berücksichtigen, den das Zentrensystem für diesen Standort vorsieht. In der Bundesrepublik gilt dabei folgende (überörtliche) Zentrenhierarchie: Oberzentren: Deckung des spezialisierten höheren Bedarfs, Mittelzentren: Deckung des gehobenen Bedarfs, Unter- und Kleinzentren: Deckung der Grundversorgung. Die Auswirkungen der Gesetzgebung auf die Standortentscheidung des Handels werden besonders deutlich bei der Betrachtung des § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung von 1990. Danach sind bestimmte Erscheinungsformen des Handels außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. BetroffensindEinkaufszentrenund Handelsbetriebe mit einer Geschoßfläche über 1200 qm, da von diesen Handelsformen schädliche Umweltwirkungen, Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt vermutet werden. Die Bewertung eines Standortes erfolgt anhand von Größen, die aus dem Zielsystem der Unternehmung abgeleitet sind und erfordert im Regelfall die Prognose der künftigen Erlöse und Kosten. Dazu ist zu erkennen, von welchen Bestimmungsfaktoren die Erlöse und Kosten abhängen (Standortfaktoren). Im Regelfall wird es leichter sein, die Höhe der einzelnen Kostenarten als die der Erlöse anzugeben. Für beide Zielgrößen läßt sich sagen, dass sie einmal von Größen abhängen, die der Planende selbst festlegen kann (Aktionsparameter), zum anderen von Größen die der Planende als vorgegeben ansehen muss(Umweltvariablen). Einflußgrößen der ersten Gruppe verknüpfen das Standortproblem insb. mit der Sortimentsplanung, der Preisplanung und der Betriebstypenplanung. Als Umweltvariablen sind im Rahmen der Kostenprognose insb. die Bauvorschriften, die Möglichkeiten der Warenanlieferung, die Verfügbarkeit von Personal und die Mietkonditionen bzw. der Zustand eines Gebäudes anzusehen. Im Rahmen der Erlösprognose sind in Rechnung zu stellen: Die Entwicklung der Zahl der Nachfrager, die Entwicklung der verfügbaren Einkommen, die Verbrauchsgewohnheiten, die Konkurrenzsituation, die Entwicklung der Einkaufsgewohnheiten. In Theorie und Praxis sind immer detailliertere Listen von Standortfaktoren entwickelt worden. Im Rahmen von Scoring-Mo- dellen werden solche Faktoren, wie sie oben beispielhaft genannt worden sind, bewertet und zu einem Standortgüteindex aggregiert. In der Theorie stand die Ermittlung des Marktgebietes von Einzelhandelsbctneben im Vordergrund des Interesses. Es wurden Gesetzmäßigkeiten gesucht, nach denen das Marktgebiet von miteinander konkurrierenden Einzelhandelsbetrieben abgegrenzt werden kann bzw. - aus den Augen der Nachfrager gesehen - wessen Standort sie bevorzugt aufsuchen werden. Dem dienen die sog. Gravitationsmodelle, die in ihrer deterministischen Variante angeben, welchen Einzelhandelsbetrieb ein Nachfrager mit einem bestimmten Wohnort bevorzugen wird, in ihrer stochastischen (probabilistischen) Variante, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Einkäufe im Einzelhandelszentrum A oder den mit ihm konkurrierenden Zentren getätigt werden. Schließlich stehen noch eine Reihe vonTech- niken zur Verfügung, um im Rahmen einer Standortanalyse Hinweise auf die an einem Standort zu erzielenden Umsätze zu erhalten. Bei der sog. Weg-Zeit-Methode werden Entfernungszonen (“Isochronen“) gebildet, für die Marktanteile beziffert werden. Es wird, wie in der Tabelle beispielhaft für einen Supermarkt dargestellt, aufgezeichnet, wieviel Kunden in einzelnen Entfernungszonen gewonnen werden. Bei der Analog-Methode werden solche Erkenntnisse für die Umsatzprognose genutzt, indem Umsätze aus Betrieben mit vergleichbaren Standorten auf das zur Beurteilung anstehende Projekt übertragen werden. Für die Verkaufsstelle, die als Basis der Prognose dient, wird festgestellt, welcher Umsatz pro Person erzielt wird, wobei dieser Wert nach Entfernungszonen (Entfernung zwischen Verkaufsstelle und Wohnung) differenziert wird. Am neuen Standort wird festgestellt, wieviel Personen in den einzelnen Entfernungszonen wohnen und mit Hilfe des erwähnten Pro-Kopf-Umsatzes wird der zu prognostizierende Umsatz errechnet
Literatur: Applebaum, W., Methods for Determi- ning Store Trade Areas, Market Penetration and Potential Sales, in: Journal of Marketing Research, Vol. 3 (5/1966), S. 127-141. BAG (Hrsg.), Raumökonomie. Ein Handbuch für Planung, Umbau und Erweiterung von Geschäftsflächen im Einzelhandel, Köln 1979. BAG (Hrsg.), Standortfragen des Handels, 3. Aufl., Köln 1986. Müller-Hagedorn, L., Handelsmarketing, Stuttgart 1984.
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