Die Agiotheorie ist die von Böhm-Bawerk vertretene These für die Existenz eines Zinses, die mit der Höherschätzung gegenwärtiger Bedürfnisse gegenüber zukünftiger Bedürfnisse begründet wird. Danach ist der Zins ein Agio, das für die Hergabe von Gegenwartswerten wegen der Minderschätzung von Zukunftswerten gezahlt wird. Die Zinszahlung wird aufgrund der Mehrergiebigkeit längerer Produktionswege möglich.
Ältere Auffassung hins. der Entstehung des Geldkapitalzinses. Danach ist ein zu zahlender oder geforderter Zins das »Agio«, das gegenwärtige Güter gegenüber zukünftigen Gütern aufweisen, da Erstere höher eingeschätzt werden.
Kapital- und Zinstheorie von Eugen von Böhm-Bawerk. Die Notwendigkeit des Zinses erklärt Böhm-Bawerk mit der "Minderschätzung von Zukunftsbedürfnissen". Die Ersparnis ist ein Tausch von Gegenwarts- gegen Zukunftsträgern. Der Verzicht auf Gegenwartskonsum verlangt, dass die Erhöhung des Zukunftskonsums die Senkung des Gegenwartskonsums übersteigt. Der Konsumaufschub erfordert ein Agio, ein Aufgeld, einen positiven Zinssatz. Die Ersparnis, die zeitliche Verschiebung des Konsums, ist um so grösser, je höher der Zinssatz ist. Damit ist die Notwendigkeit, nicht aber die Möglichkeit eines positiven Zinssatzes erklärt. Dies begründet Böhm-Bawerk mit der "Mehrergiebigkeit von Produktionsumwegen". Als Umwegproduktion bezeichnet er die produktive Verwendung von Gegenwartsgütern, die Herstellung von Produktionsmitteln, deren Einsatz die Ergiebigkeit des Produktionsprozesses erhöht. Die Umwegproduktion ist ein Tausch von Gegenwartsgütern gegen Zukunftsgüter. Produktionsumwege ermöglichen einen Ausstoss von Zukunftsgütern, der grösser ist als der produktive Einsatz von Gegenwartsgütern. Je "länger" der Produktionsumweg, je höher also der produktive Einsatz von Gegenwartsgütern, um so höher auch der Ausstoss von Zukunftsgütern. In Begriffen der modernen Kapitaltheorie: Die Arbeitsproduktivität steigt und sinkt mit der Kapitalintensität der Produktion. Mit der Hypothese der "Minderschätzung der Zukunftsbedürfnisse" erklärt also Böhm- Bawerk die Zinsabhängigkeit des Kapitalangebots, der Ersparnis, mit der Hypothese der "Mehrergiebigkeit von Produktionsumwegen" die Zinsabhängigkeit der Kapitalnachfrage, der Investition. Im Gleichgewicht hat der Zinssatz die Höhe, bei der Kapitalangebot und Kapitalnachfrage, bei der geplante Ersparnis und geplante Investition übereinstimmen.
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