(sektorale Strukturpolitik, Industriepolitik) Teilbereich der Strukturpolitik, deren Ansatzpunkt die Wirtschaftszweige bzw. Branchen sind. Man kann unterscheiden zwischen einer allgemeinen sektoralen Wirtschaftspolitik, die die Steuerung der Struktur der Wirtschaftszweige in ein umfangreiches strukturpolitisches Leitbild einbindet, und einer speziellen sektoralen Wirtschaftspolitik, die auf die gezielte Beeinflussung einzelner Wirtschaftszweige abstellt. Den Versuch einer Fundierung der allgemeinen sektoralen Wirtschaftspolitik stellen in der Bundesrepublik Deutschland die regierungsamtlichen "Grundsätze der sektoralen Strukturpolitik" von 1966 dar, die auch heute noch als offizielle Programmatik aufzufassen sind. Die Strukturpolitik wird danach primär als Wachstumspolitik verstanden. Angesichts des engen positiven Zusammenhangs zwischen Wachstum und Strukturwandel soll die staatliche Strukturpolitik die aus den Marktprozessen resultierenden Strukturänderungen erleichtern und beschleunigen; eine staatliche Strukturplanung wird abgelehnt. Die prinzipielle Kollisionsfreiheit zwischen der staatlichen Strukturpolitik und den wirtschaftsstrukturellen Ergebnissen der Marktprozesse wird jedoch durch Nebenbedingungen durchbrochen, die Raum lassen für — traditionelle — spezielle sektorale Wirtschaftspolitiken. Sind soziale Härten (z. B. Beschäftigungsrisiken) und/oder unerwünschte volkswirtschaftliche Konsequenzen (z. B. Vernichtung auf längere Sicht existenzfähiger Unternehmen und Gefährdung nationaler Versorgungssicherheit) zu befürchten, soll die Anpassung an marktbedingte Strukturwandlungen verlangsamt werden. Da soziale Härten und unerwünschte volkswirtschaftliche Ergebnisse weite Interpretationsspielräume gestatten und diese Nebenbedingungen zudem als Marktergebniskriterien notwendigerweise spekulative Elemente enthalten, können Finanzhilfen und —Marktinterventionen, die angeblich der zeitlich gestreckten Anpassung dienen, faktisch Strukturerhaltungsmassnahmen sein. Landwirtschaft, Verkehr (Bundesbahn) und Kohlebergbau sowie in jüngerer Zeit Stahl- und Schiffbauindustrie sind Beispiele hierfür. Die alle zwei Jahre vorzulegenden Subventionsberichte weisen in den 70er und 80er Jahren nach der Zielsetzung (!) zwischen 35% und 55% der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes an Wirtschaftszweige als Erhaltungshilfen aus. In die Kategorie spezieller sektoraler Wirtschaftspolitik fallen auch die strukturgestaltenden Massnahmen für einzelne Wirtschaftszweige, die wegen ihrer Bedeutung für den gesamtwirtschaftlichen Fortschritt als zukunftsweisend angesehen werden, aber ohne staatliche Hilfen zu wenig und zu langsam vorankämen. Als zukunftsträchtige Wirtschaftszweige werden insb. die elektronische Datenverarbeitungs-, Kernenergie-, Luft- und Raumfahrtindustrie sowie Gen- und Biotechnik gefördert. Konzeptionell bleibt diese Strukturgestaltung marktwirtschaftlich orientiert, weil erwartet wird, dass die staatlich beeinflusste Produktionsstruktur der zukünftigen Nachfragestruktur entspricht. Die Zweckmässigkeit dieser Strategie ist sehr umstritten. Gegen mögliche fortschrittsfördernde Effekte wird eingewendet, dass wegen des Fehlens verlässlicher Markt- und Branchenanalysen die staatliche Strukturgestaltung zukünftige Strukturanpassungsprobleme programmieren könnte. Ausserdem wird auf Konzentrations- und Verteilungswirkungen hingewiesen, weil vornehmlich Grossunternehmen in den Genuss staatlicher Forschungsförderung gelangen. Literatur: Hamm, W, Strukturpolitik, sektorale, in: HdWW, Bd. 7, Stuttgart 1977, S. 479 ff. Peters, H.-P., Konzeption und Wirklichkeit der sektoralen Strukturpolitik, in: Wirtschaftsdienst, 68. Jg. (1988), S. 429 ff.
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